LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 17.8.2020, 21 Sa 1900/19
Bei einer "24-Stunden-Pflege zu Hause" eingesetzten Arbeitnehmerin kann von einer vergütungspflichtigen Arbeitszeit von 21 Stunden ausgegangen werden.
Sachverhalt
Die Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige. Sie wurde auf Vermittlung einer deutschen Agentur, die mit dem Angebot "24 Stunden Pflege zu Hause" wirbt, von ihrem in Bulgarien ansässigen Arbeitgeber nach Deutschland entsandt, um eine hilfsbedürftige 96-jährige Dame zu betreuen. Arbeitsvertraglich war mit der Klägerin eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vereinbart. Zudem waren in dem Betreuungsvertrag mit der zu versorgenden Dame deren umfassende Betreuung mit Körperpflege, Hilfe beim Essen, Führung des Haushalts und Gesellschaftleisten sowie ein Betreuungsentgelt für 30 Stunden wöchentlich vereinbart worden. Die Klägerin war gehalten, in der Wohnung der zu betreuenden Dame zu wohnen und zu übernachten. Sie klagte nun auf Vergütung von 24 Stunden täglich für mehrere Monate, da sie ihren Angaben zufolge in dieser Zeit von 6 Uhr morgens bis etwa 22/23 Uhr im Einsatz gewesen war und sich auch nachts habe bereithalten müssen, falls sie benötigt werde. Insoweit habe sie für die gesamte Zeit einen Anspruch auf den Mindestlohn. Dagegen hat der Arbeitgeber die behaupteten Arbeitszeiten bestritten und sich stattdessen auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit berufen.
Die Entscheidung
Die Klage hatte vor dem LAG Erfolg. Das Gericht hat der Klägerin den geforderten Mindestlohn auf Basis einer täglichen Arbeitszeit von 21 Stunden zugesprochen. Die Revision zum BAG wurde zugelassen.
Das LAG begründetet seine Entscheidung damit, dass vorliegend die Berufung des Arbeitgebers auf die vereinbarte Begrenzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden treuwidrig sei, wenn eine umfassende Betreuung zugesagt, jedoch die Verantwortung sowohl für die Betreuung als auch die Einhaltung der Arbeitszeit der Klägerin übertragen worden sei; denn es sei Aufgabe des Arbeitgebers, die Einhaltung von Arbeitszeiten zu organisieren – dies war hier jedoch nicht geschehen. Darüber hinaus sei die hier angesetzte Zeit von 30 Stunden wöchentlich für das zugesagte Leistungsspektrum unrealistisch.
Das LAG führte weiter aus, dass die der Klägerin zuerkannte vergütungspflichtige Zeit sich daraus ergebe, dass neben der geleisteten Arbeitszeit auch für die Nacht von vergütungspflichtigem Bereitschaftsdienst auszugehen sei. Jedoch sei es anzunehmen, dass sich die Klägerin in einem begrenzten Umfang von geschätzt 3 Stunden täglich den Anforderungen entziehen konnte, sodass sich eine vergütungspflichtige Arbeitszeit von täglich 21 Stunden ergebe.