Frühere Beschäftigungszeiten dürfen nicht berücksichtigt werden, wenn der Angestellte aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem früheren Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Nach einem schädlichen Ausscheiden gilt die davorliegende gesamte Zeit nicht als Beschäftigungszeit. Das bedeutet, dass sämtliche vor dem Ausscheiden liegende Zeiten entfallen, auch wenn sie in früheren Arbeitsverhältnissen abgeleistet wurden, die ihrerseits nicht schädlich geendet haben.
Nach dem AGB der DDR konnte der Arbeitsvertrag durch einen Aufhebungs- oder Überleitungsvertrag "aufgelöst" oder durch den Werktätigen oder den Betrieb fristgemäß gekündigt werden. Außerdem konnte der Werktätige fristlos entlassen werden. Bei der Beendigung von Arbeitsrechtsverhältnissen in der früheren DDR ist zu prüfen, von welcher Vertragspartei die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausging. Das gilt insbesondere für den Überleitungsvertrag, mit dem häufig der Betriebswechsel geregelt wurde. Wurde der Überleitungsvertrag auf Initiative des Werktätigen geschlossen, so handelt es sich um ein Ausscheiden auf eigenenWunsch des Angestellten. Die Anrechnung davorliegender Zeiten ist damit nur zulässig, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 19 Abs. 1 Unterabs. 3 vorliegt.
Problematisch erscheint die Fallgestaltung, in der ein Angestellter von einer "Vorgängereinrichtung Berlins" zu einer anderen "Vorgängereinrichtung Berlins" wechselte. In diesen Fällen ist – unabhängig von der rechtlichen Form des Wechsels durch Überleitungsvertrag oder Kündigung oder Auflösungsvertrag – davon auszugehen, dass bei einer nahtlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei der nachfolgenden Vorgängereinrichtung Berlins der Wechsel der Sache nach einer Versetzung gleichkommt. Daher liegt in diesen Fällen i. d. R. kein schädliches Ausscheiden vor.
Trotz schädlichem Ausscheiden ist die frühere Beschäftigungszeit anzurechnen, wenn u. a. die Nichtanrechnung der Beschäftigungszeit aus sonstigen Gründen eine unbillige Härte darstellen würde. Eine unbillige Härte liegt vor, wenn der Angestellte aufgrund der Nichtanrechnung erhebliche Nachteile erleiden würde, die auch während seiner weiteren Tätigkeit beim Bund/Land Berlin nicht mehr ausgeglichen werden können. Zu untersuchen sind also die Auswirkungen der Nichtanrechnung. Die Nichtanrechnung kann sich auswirken auf
- Grundvergütung
- Eingruppierung
- Vergütungsgruppenzulage
- Krankenbezüge
- Kündigungsfrist/Unkündbarkeit
- Jubiläumszeitpunkt.
Eine "Härte" ist nicht gegeben bei Auswirkungen der Nichtanrechnung auf
- die Dauer der Gewährung von Krankenbezügen
- Kündigungsfristen
- Erreichen der Unkündbarkeit,
weil dies keine erhebliche Verschlechterung der Rechte des Angestellten aus dem Arbeitsverhältnis darstellt, denn hier verschiebt sich der Zeitpunkt lediglich nach hinten.
Die Nichtanrechnung muss neben dem Vorliegen einer Härte zugleich auch unbillig sein. Bei der Abwägung im Einzelfall sind hier die von den Tarifvertragsparteien bezweckten Ziele zu berücksichtigen. Ziel der Regelung des § 19 BAT ist im Wesentlichen die Honorierung der Treue des Angestellten zum öffentlichen Dienst. Verletzt also ein Angestellter durch sein Ausscheiden die Betriebstreue bzw. die Treue zum öffentlichen Dienst, so muss dies in der Regel zur Nichtanrechnung der zuvor zurückgelegten Zeiten führen. Eine solche Verletzung kommt durch Dokumentation eines Abkehrwillens des Angestellten zum Ausdruck. Ein Abkehrwille desAngestellten liegt vor, wenn er nach seinem Ausscheiden eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber oder eine selbständige Berufstätigkeit aufgenommen hat oder wenn er seine Berufstätigkeit wegen einer Eheschließung oder der Geburt eines Kindes oder zur Aufnahme eines Studiums bzw. einer sonstigen Aus-, Fort- oder Weiterbildung zumindest vorläufig aufgeben wollte.
Ein Abkehrwille liegt z.B. nicht vor, wenn zum Zeitpunkt des Ausscheidens eine Notlage bestand, die den Angestellten zur Aufgabe der Arbeit zwang, z.B. durch die Pflegebedürftigkeit eines Kindes oder eines sonstigen Angehörigen, oder wegen Umzugs zum Wohnort des Ehegatten und der Angestellte zwischenzeitlich nicht berufstätig war. Des Weiteren auch dann nicht, wenn der Angestellte ein Studium oder eine sonstige Fortbildung auch auf Wunsch des Arbeitgebers begonnen hat und er nach Beendigung dieser Bildungsmaßnahme unverzüglich die Arbeit bei seinem früheren Arbeitgeber wieder aufnimmt.
Eine billige Entscheidung muss jeden in Betracht kommenden Umstand des Einzelfalls berücksichtigen. Es muss also ein individueller Maßstab zur Bestimmung der Billigkeit zu Grunde gelegt werden.