Gem. § 15 KSchG ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Es müssen also die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung gegeben sein (§ 626 BGB). Da nach § 626 Abs. 1 BGB eine außerordentliche Kündigung allenfalls dann in Betracht kommen kann, wenn die "Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar" ist, muss bei der beabsichtigten Kündigung des Betriebsratsmitglieds gefragt werden, welche Kündigungsfrist der Zumutbarkeitsprüfung zugrunde zu legen ist: eine fiktive (die ordentliche Kündigung ist ja ausgeschlossen) oder die tatsächliche (nach Ablauf der tatsächlichen Amtszeit und der nachwirkenden Schutzfrist)?

Würde man auf die tatsächliche Kündigungsfrist (d. h. die ordentliche erst nach mehreren Jahren) abstellen, wäre bei einem Betriebsratsmitglied eine fristlose Kündigung sehr viel schneller möglich als bei einem normalen Arbeitnehmer: Je länger die Frist ist, desto unzumutbarer ist es für den Arbeitgeber, so lange zu warten. Damit würde aber der vom Gesetzgeber beabsichtigte Kündigungsschutz für das Betriebsratsmitglied in sein Gegenteil verkehrt: Je schwerer die ordentliche (fristgerechte) Kündigung ist, desto leichter ist die fristlose Kündigung möglich.

Das BAG[1] hat deshalb entschieden:

"... Der Senat hält an der ständigen Rechtsprechung fest, dass bei der Zumutbarkeitsprüfung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB auf die (fiktive) Kündigungsfrist abzustellen ist, die ohne den besonderen Kündigungsschutz bei einer ordentlichen Kündigung gelten würde ... Das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds kann in aller Regel nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 626 BGB nicht wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten gekündigt werden ..."

Nach § 626 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Durch Vertrag kann nicht festgelegt werden, was als wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB anzusehen ist. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung kann weder eingeschränkt noch erweitert werden.[2]

 
Praxis-Tipp

Liegt ein anerkannter außerordentlicher Kündigungsgrund – z. B. eine Straftat – vor, so kann einem Betriebsrat außerordentlich, fristlos gekündigt werden.

Bei geringfügigeren Vergehen, die allerdings beharrlich gegeben sein müssen – z. B. die beharrliche Weigerung des Betriebsrats, sich abzumelden –, konnte der Arbeitgeber bisher außerordentlich, mit sozialer Auslauffrist kündigen. Die Auslauffrist entsprach der fiktiven Kündigungsfrist des konkret betroffenen Betriebsrats.

Nach einer neueren Entscheidung des BAG ist in den Fällen, in denen eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung gegenüber einem Betriebsratsmitglied ausgeschlossen ist, auch eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist unzulässig. Andernfalls würden die kündigungsrechtlichen Grenzen zwischen dem kündbaren und dem nach § 15 geschützten Arbeitnehmer verwischt. Der unkündbare Betriebsrat würde mit dem kündbaren Arbeitnehmer gleichgestellt, was dem Sinn der Vorschrift zuwiderliefe.

Betriebsbedingte Kündigungen – für die das BAG die Zulässigkeit einer Auslauffrist bejaht hat – wiesen gegenüber verhaltensbedingten Kündigungen erhebliche Unterschiede auf.[3] Ob dies im Hinblick auf die mit dieser Rechtsprechung einhergehenden Bevorzugung von Betriebsratsmitgliedern gegenüber vergleichbaren tariflich unkündbaren Arbeitnehmern und der Systemstimmigkeit des Kündigungsschutzes richtig ist, erscheint zweifelhaft. Gleichwohl ist das Urteil für die Praxis bindend.

 

Hinweis

Für den Fall einer betriebsbedingten Änderungskündigung verzichtet das BAG allerdings nunmehr – in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung[4] – auf das Kriterium der Zumutbarkeit der Beschäftigung innerhalb der fiktiven Kündigungsfrist.[5] Maßgeblich ist allein, ob die vorgesehene Änderung der Arbeitsbedingungen für den Arbeitgeber unabweisbar und dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Offengelassen hat das BAG in seiner Entscheidung, ob es für den Fall einer außerordentlichen Beendigungskündigung an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält.[6]

Eine ordentliche Kündigung ist grundsätzlich unwirksam, es sei denn, der gesamte Betrieb wird stillgelegt (§ 15 Abs. 4 KSchG) oder eine ganze Abteilung ohne Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Betriebsratsmitglieds im gesamten Unternehmen (§ 15 Abs. 4 und 5 KSchG). In einem solchen Fall ist der Betriebsrat – anders als bei der außerordentlichen Kündigung – nur nach § 102 BetrVG wie im Falle der Kündigung "normaler" Arbeitnehmer anzuhören, ohne dass das unten dargestellte Zustimmungsverfahren greift. Unter Umständen li...

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