BAG, Urteil v. 16.9.2020, 7 AZR 491/19
Der Arbeitgeber ist nach § 611a Abs. 2 BGB i. V. m. dem hier einschlägigen § 42 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin verpflichtet, Zeiten in der Nachtschicht dem Arbeitszeitkonto des Personalrats als Arbeitszeit gutzuschreiben, wenn dieser zwecks Einhaltung der Ruhezeit seine Arbeitsleistung zum Zwecke der Teilnahme an einer anberaumten Sitzung des Personalratsvorstands 10 Stunden vor deren Beginn einstellt.
Sachverhalt
Der Kläger ist bei dem beklagten Nahverkehrsunternehmen im Rahmen einer 36,5-Stundenwoche in einem Schichtsystem beschäftigt. Er ist Mitglied des in seiner Dienststelle gebildeten Personalrats und gehört zudem dem Personalratsvorstand an. Dieser führt seine Sitzungen regelmäßig am 1. und 3. Freitag im Monat ab 12:00 Uhr oder 12:30 Uhr durch. Nicht immer wird der Kläger in der Nachtschicht von Donnerstag auf Freitag freigestellt, wenn am Freitag eine Vorstandssitzung stattfindet. Dieser hat nun die Auffassung vertreten, dass er seine Arbeit in der Nachtschicht von Donnerstag auf Freitag ohne Minderung seines Arbeitsentgelts 10 Stunden vor Beginn der Vorstandssitzung am Freitag beenden könne; denn da ihm zwischen dem Ende der Nachtschicht und dem Beginn der Vorstandssitzung eine Mindestruhezeit von 10 Stunden nicht zur Verfügung stehe, sei ihm die Ableistung der vollen Nachtschicht unzumutbar.
Die Entscheidung
Die hierauf gerichtete Klage hatte Erfolg. Das BAG entschied, dass die Beklagte nach § 611a Abs. 2 BGB i. V. m. dem hier einschlägigen § 42 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin verpflichtet sei, die Zeit von 02:00 Uhr bzw. 02:30 Uhr bis 06:00 Uhr in der Nachtschicht von Donnerstag auf Freitag dem Arbeitszeitkonto des Klägers als Arbeitszeit gutzuschreiben, wenn der Kläger seine Arbeitsleistung zum Zwecke der Teilnahme an einer am Freitag anberaumten Sitzung des Personalratsvorstands 10 Stunden vor deren Beginn einstellt.
Zwar erbringe der Kläger in dieser Zeit keine Arbeitsleistung; er sei hierzu jedoch aufgrund der bevorstehenden Sitzung des Personalratsvorstands nicht verpflichtet. Das BAG führte hierzu aus, dass nach § 42 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin das Versäumnis von Arbeitszeit, die zur Durchführung der Aufgaben des Personalrats erforderlich sei, nicht zur Minderung der Bezüge einschließlich der Zulagen, Zuschläge und sonstigen Entschädigungen führt. Diese Regelung betreffe (ebenso wie z. B. § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht nur Fälle, in denen eine während der Arbeitszeit verrichtete Personalratstätigkeit unmittelbar den Ausfall der Arbeitsleistung zur Folge habe; aufgrund der Vorschrift solle verhindern werden, dass das Personalratsmitglied infolge erforderlicher Personalratstätigkeit generell eine Entgelteinbuße erleidet, sodass auch durch eine außerhalb der Arbeitszeit liegende Personalratstätigkeit keine Minderung des Arbeitsentgelts des Personalratsmitglieds eintreten dürfe, soweit aufgrund der Personalratstätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar sei. Wenn somit ein Personalratsmitglied an einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Personalratssitzung teilnimmt und es ihm deshalb unmöglich oder unzumutbar ist, seine vor oder nach der Personalratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten, habe es einen Anspruch auf bezahlte Freistellung. Dasselbe gelte für die Teilnahme an einer Sitzung des Personalratsvorstands außerhalb der Arbeitszeit. Diesem obliege es u. a., die Entschließungen des Personalrats durch Berichte und Entwürfe vorzubereiten und Anträge und Beschwerden von Bediensteten entgegenzunehmen. Zur Erfüllung der Aufgaben des Personalratsvorstands bedürfe es der Abstimmung durch dessen Mitglieder, die in gemeinsamen Sitzungen erfolgen kann. Und sei eine solche Sitzung anberaumt, habe das Vorstandsmitglied daran teilzunehmen.
Insoweit sei es vorliegend dem Kläger unzumutbar, in der Nachtschicht von Donnerstag auf Freitag ab 02:00 Uhr bzw. 02:30 Uhr unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 5 Abs. 1 ArbZG seine Arbeitsleistung zu erbringen; denn nach § 5 Abs. 1 ArbZG müssen die Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden – bzw. wie hier nach § 5 Abs. 2 ArbZG eine gekürzte Ruhezeit bei u. a. Verkehrsbetrieben von 10 Stunden – haben. Dem Kläger könne nach Ansicht des BAG die Mindestruhezeit auch nicht im Anschluss an die Sitzung des Personalratsvorstands gewährt werden; denn die Ruhezeit müsse innerhalb eines Zeitraums von 24 Stunden nach Beginn der Arbeitszeit zur Verfügung stehen, was eine Auslegung von § 5 Abs. 1 ArbZG ergebe. Vorliegend begann die Nachtschicht des Klägers am Donnerstag um 21:55 Uhr, sodass der 24-Stunden-Zeitraum am Freitag um 21:55 Uhr ende. Da die Sitzungen des Personalratsvorstands am Freitag um 12:00 Uhr bzw. 12:30 Uhr begannen, könne unabhängig von der Dauer der Sitzungen zwischen deren Ende und dem Ende des 24-Stunden-Zeitraums um 21:55 Uhr eine Mindestruhezeit von 10 Stunden nicht eingehalten werden.
Es bedurfte vorliegend auch keiner Ents...