11.9.1 Rechtsgrundlage
Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung – Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz (AWbG) vom 6.11.1984 (GV.NRW.1984 S. 678), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.2021.
11.9.2 Persönlicher Geltungsbereich
Anspruchsberechtigt sind
- Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnisse ihren Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen haben,
- die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen gleichgestellten Personen,
- andere Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.
Auszubildende in den Ausbildungsberufen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. der Handwerksordnung (HWO) haben einen Anspruch auf Bildungsurlaub während ihrer Berufsausbildung zum Zwecke der politischen Weiterbildung. Gleiches gilt für diejenigen, die in mit den Auszubildenden nach dem BBiG oder der HWO vergleichbaren Berufsausbildungen sind.
11.9.3 Freistellungsrelevante Themen
Der Anspruch auf Arbeitnehmerweiterbildung erfasst die berufliche und politische Weiterbildung sowie deren Verbindung.
11.9.4 Umfang des Anspruchs
11.9.4.1 Dauer
Die Dauer des Bildungsurlaubs beträgt grundsätzlich 5 Tage im Kalenderjahr, bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf 5 Tage in der Woche ändert sich die Anzahl der Bildungsurlaubstage entsprechend. Es ist möglich, den Anspruch von 2 Kalenderjahren zusammenzufassen.
Der Anspruch der Auszubildenden beträgt 5 Tage während ihrer Berufsausbildung. Außerdem ist er grundsätzlich in den ersten beiden Dritteln der Berufsausbildung zu nehmen (Ausnahmen nur mit Zustimmung des Ausbildungsbetriebs und der Berufsschule).
11.9.4.2 Anrechnung
Bei einem Arbeitsplatzwechsel wird die im selben Kalenderjahr schon gewährte Freistellung angerechnet. Überdies ist eine Anrechnung von sonstigen Freistellungen, die auf anderen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Einzelverträgen beruhen, möglich, wenn sie den Grundsätzen der Arbeitnehmerweiterbildung des AWbG entsprechen und die Anrechenbarkeit vorgesehen ist.
Bei vom Arbeitgeber betrieblich oder dienstlich veranlassten Bildungsveranstaltungen ist eine Anrechnung von 2 Tagen möglich. Nimmt der Arbeitgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch, so hat er dies dem Arbeitnehmer mindestens 6 Wochen vor Beginn der Bildungsveranstaltung schriftlich mitzuteilen.
11.9.5 Wartezeit
Die Anspruchsberechtigung entsteht nach einer Beschäftigungszeit von 6 Monaten beim jeweiligen Arbeitgeber.
11.9.6 Verfahren
11.9.6.1 Frist und Form
Die Inanspruchnahme und den Zeitraum der Arbeitnehmerweiterbildung hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber so frühzeitig wie möglich, mindestens 6 Wochen vor Beginn der Bildungsveranstaltung schriftlich mitzuteilen. Der Mitteilung sind der Nachweis über die Anerkennung der Bildungsveranstaltung sowie das Programm, aus dem sich die Zielgruppe, Lernziele und Lerninhalte sowie der zeitliche Ablauf der Veranstaltung ergeben, beizufügen.
11.9.6.2 Einschränkungen
Kein Anspruch auf Freistellung zur Teilnahme an Bildungsveranstaltungen besteht in Betrieben und Dienststellen mit weniger als 10 Beschäftigten. Ferner entfällt der Freistellungsanspruch in einem Betrieb oder einer Dienststelle mit bis zu 50 Beschäftigten, wenn bereits 10 % der Beschäftigten im laufenden Kalenderjahr freigestellt worden sind.
Der Arbeitgeber hat zudem ein Ablehnungsrecht, wenn der Arbeitnehmerweiterbildung zu dem vom Arbeitnehmer mitgeteilten Zeitpunkt zwingende betriebliche oder dienstliche Belange oder Urlaubsanträge anderer Arbeitnehmer entgegenstehen.
Im Fall einer Ablehnung hat der Arbeitgeber dies unter Angabe der Gründe dem Arbeitnehmer innerhalb von 3 Wochen nach dessen Mitteilung schriftlich mitzuteilen, ansonsten gilt die Freistellung als erteilt.
Lehnt der Arbeitgeber die Freistellung aus anderen als zwingenden betrieblichen oder dienstlichen Gründen ab, so kann der Arbeitnehmer ihm binnen einer Woche seit Mitteilung der Verweigerung schriftlich mitteilen, er werde gleichwohl an der Bildungsveranstaltung teilnehmen; in diesem Fall darf er an der Veranstaltung auch ohne Freistellung teilnehmen (Selbstbeurlaubungsrecht).
11.9.6.3 Übertragbarkeit
Der jährliche Anspruch auf Bildungsurlaub verfällt am Jahresende. Als Ausnahmen sieht das Gesetz zum einen die Zusammenfassung des Anspruchs von 2 Kalenderjahren vor. Eine solche Zusammenfassung kommt nur in Betracht, wenn der Weiterbildungsanspruch aus dem laufenden Kalenderjahr im Zeitpunkt der Erklärung des Arbeitnehmers noch besteht und die bis zu 10-tägige Freistellung zum Besuch inhaltlich-thematisch verbundener Weiterbildungsmaßnahmen genutzt werden soll. Zum anderen ist der Anspruch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einmalig auf das folgende Kalenderjahr übertragen, wenn der Arbeitgeber die Bildungsmaßnahme aus zwingenden betrieblichen oder dienstlichen Belangen bzw. unter Berufung auf entgegenstehende Urlaubsanträge anderer Arbeitnehmer abgelehnt hat.