Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Dezember 1992 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beklagten deren Aufwendungen für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin, eine seit dem Jahre 1971 zur kassen- und vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Allgemeinärztin, wendet sich gegen die Auferlegung einer Disziplinarmaßnahme.
Nachdem über einen längeren Zeitraum zuvor bei der Klägerin Honorarkürzungen (Umfang der Kürzungen: 145.990,71 DM) vorgenommen und gegen sie Arzneikostenregresse in Höhe von 156.324,29 DM festgesetzt worden waren, leitete die Beklagte gegen die Klägerin wegen des fortdauernden Verstoßes gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit in der kassen-/vertragsärztlichen Versorgung ein Disziplinarverfahren ein. Der Disziplinarausschuß bei der Beklagten befand die Klägerin wegen fortlaufender Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, die zwischen den Quartalen IV/87 und II/89 im Primärkassenbereich siebenmal, im Ersatzkassenbereich zwischen IV/87 und I/89 sechsmal zu Honorarkürzungen geführt hatten, der Verletzung kassen- und vertragsärztlicher Pflichten für schuldig und legte ihr eine Geldbuße in Höhe von 4.000,– DM sowie die Kosten des Verfahrens auf. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat im angefochtenen Urteil die Klage gegen den Bescheid des Disziplinarausschusses abgewiesen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde der Klägerin ist teils unzulässig, teils unbegründet.
Sie macht zunächst geltend, das Berufungsurteil weiche von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) ab (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Gemäß § 160a Abs 2 Satz 2 SGG muß in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, „bezeichnet” werden. Hierfür ist erforderlich, daß aufgezeigt wird, in welchem abstrakt formulierten Rechtssatz sich das vorinstanzliche Urteil von welchem abstrakt formulierten Rechtssatz der abweichungsbegründenden BSG-Entscheidung unterscheidet (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 29), daß das Urteil des LSG auf der Abweichung beruht und die Divergenzfrage auch für das BSG entscheidungserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung hinsichtlich der Divergenzrüge nicht. Die Beschwerde ist insoweit unzulässig.
Die Klägerin führt hierzu aus, das LSG habe gegen den vom BSG zu § 63 des Sozialgesetzbuches – Zehntes Buch – ≪SGB X≫ (Urteil vom 14. Oktober 1992 – 14a/6 RKa 3/91 = SozR 3-1300 § 63 Nr 4) aufgestellten Rechtsgrundsatz verstoßen, wonach Satzungsregelungen von Vorschriften des SGB X nur dann abweichen können, wenn sie auf Ermächtigungsnormen beruhen, die eindeutig zu einer vom Gesetz abweichenden Regelung ermächtigen. Das LSG habe demgegenüber die Auffassung vertreten, die Satzung der beklagten KÄV könne eine von § 64 SGB X, der die Kostenfreiheit des Verwaltungsverfahrens bestimmt, abweichende Regelung treffen. Die Ermächtigungsnorm für die Satzungsregelung (§ 81 Abs 5 des Sozialgesetzbuches – Fünftes Buch – ≪SGB V≫) enthalte die im Urteil des BSG geforderte eindeutige Ermächtigung nicht, so daß der Bescheid des Disziplinarausschusses allein wegen der fehlerhaften Kostenentscheidung hätte aufgehoben werden müssen.
Offenbleiben kann, ob nicht bereits bzgl der Entscheidungserheblichkeit Ausführungen dazu erforderlich gewesen wären, daß die Kostenentscheidung des Disziplinarbescheides, obwohl sie einen selbständigen prozessualen Anspruch auf eine einmalige Leistung iS des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG (in der bis zum 28. Februar 1993 gültig gewesenen Fassung) betrifft (BSG SozR 1500 § 144 Nr 27), berufungsfähig ist. Die Klägerin hätte jedenfalls zur Entscheidungserheblichkeit darlegen müssen, weshalb § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V idF des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für eine iS des § 37 Satz 1 des Sozialgesetzbuches – Erstes Buch – (SGB I) ausreichende abweichende Regelung zu § 64 SGB X darstellt, obwohl nach der erstgenannten Vorschrift die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gegen Mitglieder bestimmen müssen und die Disziplinarverfahren sich nach ihrem Ziel und Zweck erheblich von den üblichen Verwaltungsverfahren des SGB X unterscheiden. Derartige Ausführungen fehlen jedoch, so daß der gesetzlichen Verpflichtung zur Bezeichnung der Divergenz nicht nachgekommen worden ist. Im übrigen macht die Klägerin im Kern keine Divergenz, sondern eine – die Zulassung der Revision nicht begründende – fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LSG geltend; denn das Berufungsgericht hat nicht den Rechtssatz aufgestellt, daß vom SGB X abweichende Satzungsregelungen auch ohne eindeutige Ermächtigung zulässig seien. Es hat eine solche vielmehr ohne weitere Begründung angenommen.
Die Klägerin sieht es des weiteren als Frage von grundsätzlicher Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) an, ob in Disziplinarverfahren auch solche Honorarkürzungen zu Lasten des Kassenarztes berücksichtigt werden dürfen, die länger zurückliegen und jedenfalls auch der Verjährungsregelung gemäß § 15 der Satzung der Beklagten unterliegen. Nach der genannten Satzungsvorschrift ist der Antrag auf Eröffnung des Disziplinarverfahrens abzulehnen, wenn seit dem Bekanntwerden der Pflichtverletzung zwei oder seit der Pflichtverletzung fünf Jahre vergangen sind.
Die Beschwerde ist insoweit nicht begründet; denn die zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage ist im vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig. In der angegriffenen Verwaltungsentscheidung, die den Streitgegenstand des Rechtsstreits bestimmt, wird eine Verletzung kassen- und vertragsärztlicher Pflichten durch die Klägerin deshalb bejaht, weil bei ihr in den Quartalen IV/87 bis II/89 im Primärkassenbereich siebenmal Honorarkürzungen und in den Quartalen IV/87 bis I/89 im Ersatzkassenbereich sechsmal Honorarkürzungen vorgenommen werden mußten. Das frühere Verhalten der Klägerin war nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens und des Disziplinarbescheides. Für die Beurteilung, ob eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt, kam es damit auf die Frage, inwieweit die Klägerin in zurückliegenden Zeiträumen unwirtschaftlich gehandelt hat, nicht entscheidend an, auch wenn sich das LSG mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. Demgemäß hat das Berufungsgericht, wie auch die Klägerin nicht verkennt, in seiner Entscheidung gleichfalls darauf abgestellt, daß allein die in den Quartalen IV/87 bis II/89 notwendig gewordenen Honorarkürzungen die Verhängung der Disziplinarmaßnahme rechtfertigen.
Unbegründet ist die Beschwerde auch, soweit die Klägerin die Rechtsfrage, ob vor Einleitung eines Disziplinarverfahrens ein Beratungsgespräch mit dem Arzt erforderlich ist, als klärungsbedürftig ansieht. Entgegen dem von der Klägerin angeführten Normtext schreibt § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V idF des GRG nicht „ausdrücklich und zwingend” vor, daß vor einer Honorarkürzung bzw einem Arzneikostenregreß der betroffene Kassenarzt zu beraten sei. Die Vorschrift lautet vielmehr wie folgt: „Dabei sollen gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen.” Die Frage, ob vor dem Erlaß einer Disziplinarmaßnahme eine Beratung des betreffenden Arztes zu erfolgen hat, ist jedoch nicht klärungsbedürftig; denn der Senat hat zum einen zu dem von der Klägerin angeführten Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung bereits entschieden, daß der Regelung des § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V nicht zu entnehmen ist, daß bei Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses Honorarkürzungen erst nach vorherigen gezielten Beratungen erfolgen dürfen (Urteil vom 9. März 1994 – 6 RKa 17/92 – nicht veröffentlicht). Entsprechendes muß erst recht für die Ahndung der schuldhaften Verletzung kassen- bzw vertragsärztlicher Pflichten gelten, zumal § 81 Abs 5 SGB V die Aufnahme einer entsprechenden Beratungsbestimmung in die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht vorschreibt. Zum anderen sind nach der Regelung des § 81 Abs 5 Satz 2 SGB V je nach Schwere der Verfehlung unterschiedliche Disziplinarmaßnahmen vorgesehen, so daß die Möglichkeit eröffnet ist, unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die schuldhafte Verletzung kassen- bzw vertragsärztlicher Pflichten angemessen zu ahnden bzw bei geringem Verschulden auch nicht zu ahnden.
Nach allem war die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen