Verfahrensgang

LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 02.04.2020; Aktenzeichen L 1 KR 358/18)

SG Berlin (Entscheidung vom 20.09.2018; Aktenzeichen S 56 KR 527/16)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. April 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 1765,14 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit von Beitragsbescheiden, weil sich die Klägerin gegen die Feststellung der Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit als Pflegekraft für den von ihr betriebenen ambulanten Pflegedienst wendet.

Der Beigeladene zu 1. ist examinierter Altenpfleger und betrieb einen eigenen Pflegeservice. Er war für den ambulanten Pflegedienst der Klägerin auf der Grundlage einer Dienstleistungsvereinbarung tätig.

Die Beklagte setzte nach Anhörung auch im Namen der Pflegekasse für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. Sozialversicherungsbeiträge zunächst iHv 2685,07 Euro fest, die sie dann auf 1765,14 Euro korrigierte (Bescheide vom 12.12.2014, 21.9.2015, Widerspruchsbescheid vom 24.2.2016). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (SG Berlin Urteil vom 20.9.2018, LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 2.4.2020). Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG (zB BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42; BSG Urteil vom 7.6.2019 - B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44) ausgeführt, dass es nicht entscheidend auf die Begriffe "ambulant" oder "stationär" ankomme. Der Beigeladene zu 1. sei in die betriebliche Organisation eingegliedert gewesen. Das ergebe sich aus den Übergabeprotokollen und dem Umstand, dass im Notfall auch die Pflegedienstleitung zur Verfügung gestanden habe. Diese trete gegenüber den Patienten und den Kostenträgern allein als Leistungserbringer auf.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 2.4.2020 ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechend (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) dargelegt oder bezeichnet.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

"ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auch dann angenommen werden kann, wenn eine freiberufliche Tätigkeit in einer Vielzahl von freiberuflichen Tätigkeitsverhältnissen mit unterschiedlichen Auftraggebern ausgeübt wird".

Die Klägerin formuliert damit bereits keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN), die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus Bedeutung hat. Die Klägerin wendet sich vielmehr gegen die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls durch das LSG und betont die ihres Erachtens nicht hinreichend gewürdigten Umstände des Falles (Seiten 6 und 7 der Beschwerdebegründung). Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 10 mwN).

Selbst wenn aber eine solche über den Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).

Mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Beurteilung einer Tätigkeit als Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV oder als selbstständige Tätigkeit (vgl ua BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 12/17 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 34; BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42; BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30) setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Es fehlen auch Ausführungen zu dem nach der Rechtsprechung des BSG zu bewertenden Gesamtbild der Tätigkeit (BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 16 mwN) und insbesondere zu den bereits ergangenen Entscheidungen zur Frage der Versicherungspflicht von Personen, die für mehrere Auftraggeber tätig werden (vgl dazu insbes BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25 sowie BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 35). Inwieweit sich die aufgeworfene Frage nicht anhand dieser Rechtsprechung beantworten lassen soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hinreichend deutlich hervor. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich darin, die Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls durch das LSG zu kritisieren.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass der angefochtene Beschluss des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn der angefochtene Beschluss nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Diese Voraussetzungen sind nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerin kritisiert, dass der im angefochtenen Beschluss zu entscheidende Sachverhalt mit dem vom BSG im Urteil vom 7.6.2019 (B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44) zu beurteilenden nicht vergleichbar sei und deshalb die dort aufgestellten Grundsätze nicht herangezogen werden könnten. Damit rügt sie die fehlerhafte Anwendung der vom BSG aufgestellten Grundsätze im konkreten Einzelfall. Eine Abweichung im Grundsätzlichen ist nicht dargetan.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 und § 162 Abs 3 VwGO.

5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14375219

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