Verfahrensgang
SG Wiesbaden (Entscheidung vom 19.02.2020; Aktenzeichen S 1 KR 202/19) |
Hessisches LSG (Urteil vom 29.06.2020; Aktenzeichen L 8 KR 51/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) zu zahlenden Beiträge auf eine Kapitalleistung aus einer Direktversicherung.
Die im Jahr 1958 geborene Klägerin ist bei den Beklagten in der GKV und sPV versichert. Sie erhielt von der A AG im April 2018 eine Kapitalzahlung in Höhe von 56 882,52 Euro aus einer seit April 1987 bestehenden Direktversicherung ausgezahlt. Gegen die auf 1/120 dieses Betrags monatlich erhobenen Beiträge (Bescheid vom 19.6.2018, Widerspruchsbescheid vom 12.3.2019) wandte sich die Klägerin mit der Begründung, sie sei während der Laufzeit der Direktversicherung 300 Monate privat und nur 72 Monate gesetzlich krankenversichert gewesen. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (SG Urteil vom 19.2.2020, LSG Urteil vom 29.6.2020). Die Beklagte habe unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG und BVerfG zutreffend Beiträge auf 1/120 der Kapitalleistung Beiträge erhoben. Das BVerfG habe den Einwand, die Heranziehung der Kapitalzahlung aus einer vor dem 1.3.2004 abgeschlossenen Direktversicherung verstoße gegen Art 14 GG und den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, wiederholt zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer verfassungsrechtlichen Frage gilt, dass sich die Begründung nicht auf eine bloße Berufung von Normen des GG beschränken darf, sondern unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG ausführen muss, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden (BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin wirft auf Seite 2 f der Beschwerdebegründung folgende Fragen auf:
"1.) Ist bei der Beitragsberechnung für ausgezahlte Kapitalleistungen an den Arbeitgeber aus einer privaten Direktversicherung, für die der Arbeitgeber Beiträge monatlich eingezahlt hat, zu differenzieren zwischen Zeiträumen privater und gesetzlicher Krankenversicherung des Arbeitnehmers und damit verbunden eine teleologische Reduktion der Vorschriften der § 226 SGB V i.V.m. § 229 Abs. 1 SGB V, wonach lediglich der prozentuale Anteil der gesetzlichen Versicherungslaufzeit für die Beitragsberechnung maßgeblich ist?
2.) Ist bei der Anwendung der Vorschriften der § 226 SGB V i.V.m. § 229 Abs. 1 SGB V und der sich daraus ergebenen Beitragsberechnung zu differenzieren zwischen Zeiträumen des Abschlusses einer privaten Lebensversicherung durch den Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers vor Inkrafttreten vorstehender Vorschriften im Hinblick auf die Laufzeit von privaten und gesetzlichen Krankenversicherungszeiten des Arbeitnehmers?
3.) Verstößt die Beitragserhebung aus privaten Lebensversicherungen von Arbeitnehmern, für die der Arbeitgeber monatliche Beiträge geleistet hat, auf der Grundlage der § 226 SGB V i.V.m. § 229 Abs. 1 SGB V gegen Art. 14 GG, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 20 Abs. 3 GG und stellt eine 'echte Rückwirkung' für private Lebensversicherungsverträge, die vor dem 01. Januar 2004 abgeschlossen worden sind, dar, weil sie unter Berücksichtigung der Gesamtversicherungslaufzeit zwischen privaten und gesetzlichen Krankenversicherungszeiten nicht differenziert?"
Die Klägerin legt die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen nicht hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12, RdNr 7 mwN).
Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der umfangreichen, teilweise schon vom LSG angeführten Rechtsprechung des BSG und des BVerfG zur Berücksichtigung von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen bei der Beitragsbemessung in der GKV und sPV (zuletzt BSG Urteile vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26, B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25 und B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24; BSG Urteil vom 1.4.2019 - B 12 KR 19/18 R - juris; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 1924/07 - SozR 4-2500 § 229 Nr 5 RdNr 34; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10 RdNr 10; BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 15; BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 27.6.2018 - 1 BvR 100/15 ua - SozR 4-2500 § 229 Nr 27; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 9.7.2018 - 1 BvL 2/18 - NJW 2018, 3171) fehlt. Insbesondere setzt sich die Klägerin nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des BSG auseinander, dass es für die Beitragspflicht auf Versorgungsbezüge nicht darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer, zu dessen Gunsten die Versorgung begründet wurde, während des Anspruchserwerbs gesetzlich krankenversichert war (BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12, RdNr 15; BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 19/10 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 15). Vielmehr beschränkt sich der Vortrag der Klägerin darauf, ihre Rechtsmeinung darzulegen. Inwieweit sich die aufgeworfene Frage nicht anhand dieser Rechtsprechung beantworten lassen soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hinreichend deutlich hervor.
Sofern die Klägerin sich auf Verfassungsrecht beruft, fehlt es darüber hinaus an einer hinreichenden Darlegung der Bedeutung der einschlägigen Normen, der Erörterung ihrer Sachgründe und der Voraussetzungen für eine Verletzung der von der Klägerin angesprochenen Eigentumsfreiheit.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14375220 |