Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.06.2017; Aktenzeichen L 13 R 1325/16) |
SG Reutlingen (Entscheidung vom 30.03.2016; Aktenzeichen S 11 R 781/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Juni 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 20.6.2017 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf einen früheren Beginn sowie auf Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensfehler.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG nicht dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Der Kläger rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG). Ein solcher Verstoß liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (sog Erwägensrüge, vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 13 S 12; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (sog Überraschungsentscheidung iS von § 128 Abs 2 SGG; vgl BVerfGE 98, 218, 263; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36 S 53). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger sieht eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs darin, dass das LSG über den Befangenheitsantrag gegen den Berichterstatter RiLSG H. entschieden habe, ohne die Begründung zum Ablehnungsgesuch abzuwarten.
Der Beurteilung des BSG unterliegen gemäß § 557 Abs 2 ZPO iVm § 202 S 1 SGG keine Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen und die unanfechtbar sind, wozu grundsätzlich auch Entscheidungen der Vorinstanz gehören, die ein Ablehnungsgesuch unter fehlerhafter Anwendung einfachen Rechts zurückgewiesen haben (vgl §§ 60, 177 SGG; BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 3 mwN). Das Revisionsgericht ist nur in engen Ausnahmen wegen eines fortwirkenden Verstoßes gegen das Gebot des gesetzlichen Richters iS von Art 101 Abs 1 S 2 GG an die Zurückweisung von Ablehnungsgesuchen, die dem Endurteil des LSG vorausgegangen sind, nicht gebunden, wenn die zuvor erfolglos abgelehnten Richter an der Endentscheidung des LSG mitgewirkt haben (BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 6 RdNr 6). Die Bindung des Revisionsgerichts fehlt, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 9 mwN) oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkennt (vgl BVerfGE 82, 286, 299; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 11.3.2013 - 1 BvR 2853/11 - Juris RdNr 26; BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5 mwN).
Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger nicht dargetan, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. So wäre es dem Kläger durchaus möglich gewesen, noch in der mündlichen Verhandlung am 20.6.2017 vor dem LSG die Gründe vorzutragen, die nach seiner Ansicht zum erfolgreichen Ablehnungsgesuch des Berichterstatters hätten führen müssen. Gesichtspunkte, dass der Senat des LSG bei der Verhandlung und Entscheidung über den Antrag auf Besorgnis der Befangenheit fehlerhaft besetzt gewesen sei, und - nach dessen Ablehnung durch Beschluss - unter Mitwirkung des Berichterstatters in fehlerhafter Besetzung den Rechtsstreit entschieden habe (vgl Art 101 Abs 1 S 2 GG), hat der Kläger nicht vorgetragen.
Soweit der Kläger schließlich eine Verletzung des § 109 SGG rügt, ist eine solche Verletzung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich ausgeschlossen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Der Ausschluss ist verfassungsgemäß (BVerfG SozR 1500 § 160 Nr 69). Er gilt uneingeschränkt für jede fehlerhafte Anwendung des § 109 SGG und unabhängig davon, worauf der Verfahrensmangel im Einzelnen beruht (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 34; BSG Beschluss vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 12.7.2012 - B 13 R 463/11 B - Juris RdNr 12).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11760296 |