Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliche Verfahren: Frageantragsrecht bei gerichtlichen Sachverständigengutachten. Hinweispflichten des Gerichts
Orientierungssatz
1. Das Recht eines Verfahrensbeteiligten, einen gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung des von diesem erstatteten Gutachtens zu befragen, wird nicht durch § 103 SGG, sondern durch den Anspruch auf rechtliches Gehör iS von Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG garantiert, der grundsätzlich auch die Anhörung gerichtlicher Sachverständiger umfasst (vgl. BSG, 24. Juli 2012, B 2 U 100/12 B).
2. Das Recht auf Befragung des Sachverständigen ist von einem Verfahrensbeteiligten grundsätzlich in dem Rechtszug auszuüben, in dem das Gutachten erstattet worden ist (BSG, 5. Mai 2009, B 13 R 53/09 B). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht dann, wenn die Voraussetzungen für eine notwendige Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens nach § 411 Abs. 3 ZPO vorliegen und die Ablehnung des entsprechenden Antrags durch die nunmehr tätige Instanz ermessenswidrig wäre (vgl. BSG 3. März 1999, B 9 VJ 1/98 B).
3. Ein Hinweis des Gerichts ist nur dann geboten, wenn es seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, 19. Mai 1992, 1 BvR 986/91). Liegen mehrere Sachverständigengutachten vor, die das Leistungsvermögen eines Rentenantragstellers unterschiedlich beurteilen, muss ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter stets damit rechnen, dass das Prozessgericht zweiter Instanz einem anderen Gutachten folgt als die Vorinstanz.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; SGG §§ 62, 103; ZPO § 411 Abs. 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.06.2016; Aktenzeichen L 10 R 3970/15) |
SG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen S 4 R 6104/12) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 16.6.2016 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
1. Der Kläger rügt einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht iS von § 103 SGG.
Hierzu trägt er vor, er habe zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 16.6.2016 beantragt, die Sachverständigen N., W. und R. ergänzend zu ihren Gutachten zu befragen. Das LSG sei diesen Beweisanträgen ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt.
Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung des § 103 SGG nicht schlüssig bezeichnet.
Der Kläger hat bereits nicht aufgezeigt, prozessordnungsgemäße Beweisanträge im Sinne der ZPO gestellt zu haben. Zur Darlegung eines solchen Beweisantrags muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte mit welchen Beweismitteln der ZPO Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Dass der Kläger vor dem Berufungsgericht beantragt hat, die genannten Sachverständigen zu bestimmten Gesundheitsstörungen und deren Einfluss auf sein Leistungsvermögen zu befragen, lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen.
2. Der Kläger sei insoweit darauf hingewiesen, dass das Recht eines Verfahrensbeteiligten, einen gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung des von diesem erstatteten Gutachtens zu befragen, nicht durch § 103 SGG, sondern durch den Anspruch auf rechtliches Gehör iS von Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG garantiert wird, der grundsätzlich auch die Anhörung gerichtlicher Sachverständiger umfasst (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 14 mwN) und durch § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO präzisiert wird.
Eine Verletzung dieser Vorschriften sieht der Kläger in folgendem Verhalten des LSG: Das Berufungsgericht sei seinem Antrag auf Befragung der Sachverständigen N., W. - und R. zur Erläuterung ihrer Gutachten nicht gefolgt, obwohl er mit Schriftsatz vom 27.5.2016 die zu erläuternden Punkte aufgezeigt und konkrete Fragen formuliert habe. Den Antrag habe er rechtzeitig, mehr als zwei Wochen vor dem Termin gestellt und in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten. Unschädlich sei, dass die Gutachten bereits in der ersten Instanz eingeholt worden seien. Wolle ein Berufungsgericht überraschend von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichen, stehe das Fragerecht den Beteiligten auch in der zweiten Instanz zu. Insoweit weise er, der Kläger, darauf hin, dass der Sachverständige R. zu den nun geäußerten Zweifeln an den Grundlagen seiner Beurteilung - keine Maßgeblichkeit des Vigilanztestes für die Beurteilung der Tagesmüdigkeit - bislang nicht befragt worden sei.
Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung des Frageantragsrechts des Klägers nicht schlüssig dargetan.
Das Frageantragsrecht bei gerichtlichen Sachverständigengutachten setzt zunächst voraus, dass das Thema der Befragung hinreichend umrissen wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 118 RdNr 12d). Zwar kann von einem Beteiligten nicht verlangt werden, dass er die Fragen, die er dem Sachverständigen stellen will, im Einzelnen ausformuliert. Er muss allerdings den Fragenkomplex konkret umschreiben, zB auf Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten hinweisen (vgl BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 VS 2/99 R - SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 4; BSG Beschluss vom 9.12.2010 - B 13 R 170/10 B - Juris RdNr 11). Außerdem müssen die Fragen objektiv sachdienlich sein (BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 4; BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 2 RdNr 5), was insbesondere der Fall ist, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits beantwortet sind (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 10). Schließlich ist das Recht auf Befragung des Sachverständigen von einem Verfahrensbeteiligten grundsätzlich in dem Rechtszug auszuüben, in dem das Gutachten erstattet worden ist (BSG Beschluss vom 5.5.2009 - B 13 R 53/09 B - Juris RdNr 10). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht dann, wenn die Voraussetzungen für eine notwendige Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens nach § 411 Abs 3 ZPO vorliegen und die Ablehnung des entsprechenden Antrags durch die nunmehr tätige Instanz ermessenswidrig wäre (vgl BSG Beschluss vom 3.3.1999 - B 9 VJ 1/98 B - Juris RdNr 6), was zB der Fall ist, wenn sich die Notwendigkeit der Anhörung erst wegen einer in zweiter Instanz geäußerten Kritik Medizinkundiger ergibt (BSG Beschluss vom 5.5.2009 aaO). Diese Voraussetzungen legt die Beschwerdebegründung nicht ordnungsgemäß dar.
Hinsichtlich des Sachverständigen R. benennt der von der Beschwerdebegründung in Bezug genommene Schriftsatz vom 27.5.2016 schon keinen zu erläuternden Fragenkomplex. Darüber hinaus zeigt der Kläger insoweit auch nicht die Voraussetzungen für eine noch zulässige Befragung des Sachverständigen R. in der zweiten Instanz auf. Zwar beruft sich der Kläger auf die "nun" infrage gestellte Maßgeblichkeit des Vigilanztestes für die Beurteilung der Tagesmüdigkeit. Diese ist indes bereits durch die Fachärztin für Innere Medizin Dr. B. in der erstinstanzlich überreichten Stellungnahme des S. Z. K. vom 21.11.2014 bezweifelt worden, die im Übrigen bereits dem Sachverständigen R. zur Stellungnahme vorgelegen hat (vgl dessen Schreiben vom 20.1.2015). Warum gleichwohl erstmalig eine zweitinstanzlich geäußerte Kritik vorliegen soll, die eine Befragung des Sachverständigen R. erforderlich macht, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Sachverständigengutachten N. und W. zeigt der Kläger keine erst in der zweiten Instanz geäußerte fachkundige Kritik oder sonstige Gründe auf, die die unterlassene Anhörung dieser Sachverständigen ermessenswidrig erscheinen lässt.
3. Die Beschwerdebegründung rügt ferner eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG und damit zusammenhängend einen Verstoß gegen das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren gemäß Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip.
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und damit des Fairnessgebots liegt vor, wenn das LSG seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 1 RdNr 6 mwN). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Darüber hinaus ist Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Rüge, dass der Kläger darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6).
Der Kläger sieht eine Verletzung der genannten Verfahrensrechte darin, dass das LSG nicht deutlich gemacht habe, der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen zu wollen und eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantrag für erforderlich zu halten. Das Berufungsgericht habe nicht auf Zweifel an den Feststellungen des Sachverständigen R. hinsichtlich der rentenrelevanten Tagesmüdigkeit hingewiesen; ebenso wenig habe das Gericht darüber aufgeklärt, von einem bewussten Verschweigen rentenrelevanter Tatsachen durch den Kläger auszugehen. Damit habe es ohne vorherigen Hinweis auf rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte abgestellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht habe rechnen müssen.
Einen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern, gibt es indessen nicht (BSG SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 3). Insbesondere ist ein Tatsachengericht nicht verpflichtet, auf die Stellung eines Beweisantrags hinzuwirken. Vielmehr hat es eine Beweisaufnahme von Amts wegen durchzuführen, wenn es die Aufklärung eines Sachverhalts für notwendig erachtet. Ein Hinweis des Gerichts ist nur dann geboten, wenn es seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 86, 133, 144 f). Dies ist nach der Beschwerdebegründung aber nicht anzunehmen.
Liegen mehrere Sachverständigengutachten vor, die das Leistungsvermögen eines Rentenantragstellers unterschiedlich beurteilen, muss ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter stets damit rechnen, dass das Prozessgericht zweiter Instanz einem anderen Gutachten folgt als die Vorinstanz. Dies gilt umso mehr, wenn der Berufungsführer das Rechtsmittel mit der Unrichtigkeit des für den Berufungsgegner günstigen Sachverständigengutachtens begründet hat, was hier nach der Beschwerdebegründung der Fall gewesen ist. Ebenso wenig legt die Beschwerdebegründung schlüssig dar, dass die Annahme des LSG, der Kläger habe bei keiner Begutachtung die Verrichtungen seiner Pflegetätigkeit mitgeteilt (S 9 der Beschwerdebegründung iVm S 17 des Berufungsurteils) überraschend gewesen sei. Die Beschwerdebegründung weist selbst darauf hin, dass die Bemerkung des Berufungsgerichts über die "etwas überraschend bekannt gewordene Pflegetätigkeit" Gegenstand eines Schriftwechsels zwischen dem Kläger und dem Vorsitzenden Richter am LSG L. gewesen ist (S 4 der Beschwerdebegründung). Warum angesichts dieses Prozessgeschehens für den Kläger nicht erkennbar gewesen sein soll, dass das LSG von einer Nichtdarlegung "rentenrelevanter Tatsachen" ausgehen werde, gibt der Kläger nicht an.
Abgesehen davon legt die Beschwerdebegründung auch nicht dar, welcher Vortrag dem Kläger durch die angeblichen Verletzungshandlungen des Gerichts abgeschnitten worden ist und inwieweit die angefochtene Entscheidung hierauf beruhen kann.
4. Der Kläger rügt schließlich eine fehlerhafte Besetzung des Berufungsgerichts und damit eine Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG.
Hierzu trägt er vor: Der in der mündlichen Verhandlung vom 16.6.2016 an der Entscheidung beteiligte Vorsitzende Richter am LSG L. sei zwar erfolglos wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden. Das Verfahren über die Zurückweisung des ihn betreffenden Ablehnungsgesuchs beruhe jedoch auf willkürlichen Erwägungen. Er, der Kläger, habe ua gerügt, dass der Vorsitzende geäußert habe, der Sachverhalt der Beitragszahlung aus einer Pflegetätigkeit sei "für die Beklagte überraschend" gewesen (S 11 der Beschwerdebegründung). Diesen Sachverhalt habe das LSG in seiner Entscheidung über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs so dargestellt, dass der Kläger selbst diese Formulierung gebraucht und der Richter hierauf nur erwidert habe. Dies treffe aber nicht zu. Die Behauptung, die Pflegetätigkeit sei "überraschend für die Beklagte" sei einzig vom Vorsitzenden des Senats erhoben worden. Hierauf habe der Kläger mit seinem Schreiben vom 2.12.2015 reagiert. Die Beklagte habe sich gegenüber dem Gericht gerade nicht darauf berufen, dass dieser Sachverhalt überraschend gewesen sei. Die Begründung des Beschlusses vom 15.1.2016 lasse daher den Eindruck entstehen, eine ordnungsgemäße, der Unparteilichkeit des Richters dienende Entscheidung werde verhindert.
Art 101 Abs 1 S 2 GG greift - wie die Beschwerdebegründung selbst einräumt - nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften ein. Erforderlich ist deshalb, dass willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs bestimmend gewesen sind. Die lediglich unrichtige Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch führt somit noch nicht zur vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts. Willkürlich ist die Entscheidung eines Gerichts nur dann, wenn sie sich unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, das sie nicht zu rechtfertigen ist (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 9 mwN).
Ein solcher Vortrag ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Der Kläger rügt lediglich die fehlerhafte Zuordnung von Formulierungen in dem das Befangenheitsgesuch zurückweisenden Beschluss. Inwieweit sich hierin eine willkürliche Entscheidung zu Lasten des Klägers zeigen soll, legt die Beschwerdebegründung, die die Gründe des Zurückweisungsbeschlusses nur rudimentär schildert, nicht nachvollziehbar dar.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10484698 |