Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Verzicht auf die Einhaltung. fehlende Beweisanträge. Verletzung rechtlichen Gehörs. Terminsaufhebung oder -verlegung bei Anwaltswechsel
Orientierungssatz
1. Hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung keine Beweisanträge gestellt, so wird ein eventueller Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach § 117 SGG durch rügelose Einlassung geheilt (vgl BSG vom 16.10.1986 - 5b RJ 56/85 = rv 1987, 192).
2. Wurde entgegen dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren ausweislich der Niederschrift keine Vertagung beantragt, um das Recht auf Akteneinsicht wahrnehmen zu können, sondern die Aussetzung des Verfahrens wegen des anhängigen Strafverfahrens, so kann eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht geltend gemacht werden, da von prozessualen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, kein Gebrauch gemacht wurde.
3. Ein kurzfristiger Anwaltswechsel als solcher kann nur dann einen Anspruch auf Terminsaufhebung oder -vertagung begründen, wenn für den Wechsel ein wichtiger Grund vorlag (vgl BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 8/02 R).
Normenkette
SGG §§ 117, 62; ZPO § 227 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie eine Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von ca DM 18.000,--.
Er bezog ab Mai 2000 Alg. Bei seiner Arbeitslosmeldung gab er an, wöchentlich 14 Stunden selbständig Erd- und Pflasterarbeiten zu verrichten, gleichzeitig jedoch, dass er zwar seit Januar 2000 selbständig sei, bisher jedoch keine Aufträge erhalten habe. Seinen späteren Angaben, in der Folgezeit jeweils 2,5 Stunden/Arbeitstag selbst gearbeitet zu haben, widersprachen Erkenntnisse des Außendienstes der Beklagten. Dieser hatte nach seinem Bericht vom 18. Dezember 2000 am 26. und 27. Oktober 2000 beobachtet, dass der Kläger an einer Baustelle ca 8 bzw ca 5 1/4 Stunden tätig gewesen sei und einen Mitarbeiter beschäftigt habe. Dies führte zum Verdacht, dass er nach den gesamten Umständen die selbständige Tätigkeit in weit größerem Umfange ausübe, als er dies dem Arbeitsamt (ArbA) anzeige; es gab die Sache an die Staatsanwaltschaft ab. Am 18. Dezember 2000 wurden anlässlich einer vom Amtsgericht W. angeordneten Durchsuchung Unterlagen sichergestellt. In einem Anhörungsschreiben vom 25. Januar 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe von Mai bis Dezember 2000 Alg in Höhe von ca DM 13.000,-- zu Unrecht bezogen, da er eine selbständige Tätigkeit in mehr als kurzzeitigem Umfang ausgeübt habe. Hiergegen legte Rechtsanwalt (RA) L., H., unter Vorlage einer Prozessvollmacht "Widerspruch" ein und beantragte Akteneinsicht, die ihm im Februar 2001 gewährt wurde. Zum 1. Februar 2001 meldete sich der Kläger in die Selbständigkeit ab. Nachdem sich RA L. trotz mehrerer Fristverlängerungen nicht weiter geäußert hatte, nahm die Beklagte mit Bescheiden vom 6. August 2001 die Entscheidungen über die Bewilligung von Alg für den Zeitraum ab 1. Mai 2000 in vollem Umfang zurück, da der Kläger eine selbständige Tätigkeit mit mehr als kurzzeitigem Zeitumfang ausgeübt habe, so dass Arbeitslosigkeit nicht vorgelegen habe. Die Erstattungsforderungen (Alg, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) beliefen sich auf DM 13.524,37 bzw DM 4.582,02. Im September 2001 gelangten umfangreiche Auszüge aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte zur Akte des ArbA (insgesamt ca 50 Bl). Mit Bescheid vom 24. September 2001 wurde der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Die von RA L. eingelegte Klage wurde trotz mehrfacher Erinnerung nicht begründet. Das Sozialgericht Lüneburg (SG) wies mit Gerichtsbescheid vom 16. Juni 2003 die Klage ab: Es sei bereits fraglich, inwieweit RA L. rechtswirksam Klage für den Kläger habe erheben können, da er keine Bevollmächtigung vorgelegt habe. Dies könne jedoch dahingestellt bleiben, denn die Klage sei nicht begründet. Das Gericht folge dem angefochtenen Widerspruchsbescheid; eine weitere Begründung erübrige sich schon deswegen, weil vom Kläger nichts vorgetragen worden sei.
Die Berufung vom Juli 2003 hat RA L. trotz entsprechend beantragter Fristverlängerung bis Ende September 2003 nicht begründet. Nach schriftlichem Hinweis der Berichterstatterin auf § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zeigte er Anfang Dezember 2003 an, er vertrete den Kläger nicht mehr. Daraufhin wurde zum Termin zur mündlichen Verhandlung am Dienstag, 13. Januar 2004, 9.00 Uhr, geladen. Am 19. Dezember 2003 meldete sich für den Kläger RAin G., H., mit dem Antrag, das Verfahren auszusetzen und den Verhandlungstermin aufzuheben, da zum selben Gegenstand beim Amtsgericht W. ein Strafverfahren anhängig sei, dessen Verlauf zunächst einmal abgewartet werden sollte. Da der Kläger in dem Strafverfahren zunächst keine Angaben gemacht habe, würde die Pflicht, sich im sozialgerichtlichen Verfahren zu äußern, dem Strafverfahren zuwiderlaufen. Unter dem 29. Dezember 2003 teilte der Vorsitzende mit, es sei nicht beabsichtigt, das Verfahren auszusetzen; erhebliche Gründe für eine Terminsaufhebung lägen nicht vor. Unter dem 8. Januar 2004 meldete sich für den Kläger RAin M., H., und beantragte, ihr die Akten zur Einsichtnahme zu übersenden und den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben; gleichzeitig erhob sie Gegenvorstellung und beantragte, die Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens aufzuheben und das Verfahren bis zum Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens auszusetzen, hilfsweise, den Termin für die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf von einem Monat nach gewährter Akteneinsicht zu bestimmen. Sie gab an, erst am Vortage mandatiert worden zu sein; das Mandat von RAin G. sei beendet. Zur Begründung gab sie an, im Strafverfahren gegen den Kläger - den sie zusammen mit RAin G. verteidige - wegen Betruges zum Nachteil der Beklagten habe am Vortage die Hauptverhandlung stattgefunden, die jedoch lediglich die Einstellung des Verfahrens bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens zum Ergebnis gehabt habe; gegen diesen Beschluss sei aber ebenfalls Gegenvorstellung erhoben worden. Der Kläger befinde sich in einer verfassungsrechtlich bedenklichen Misere: Auf Grund seines verfassungsmäßigen Rechtes, sich im Strafverfahren nicht selbst belasten zu müssen (Nemo-tenetur-Grundsatz), habe er bislang auch im sozialgerichtlichen Verfahren insgesamt keine Angaben zur Sache gemacht. Der rechtliche Grundsatz finde seine Ausprägung in § 114 Abs 3 SGG, wonach das sozialgerichtliche Verfahren wegen des Verdachtes einer Straftat ausgesetzt werden könne. Hätte die Hauptverhandlung zu einer rechtskräftigen Entscheidung geführt, wäre das Nemo-tenetur-Prinzip für den Kläger nicht mehr relevant gewesen. Nach einem Vermerk des Senatsvorsitzenden hat dieser am Freitag, den 9. Januar 2004 um 13.40 Uhr mit RAin M. ein Telefongespräch geführt und sie informiert, dass der Termin am 13. Januar 2004 stattfinde und Akteneinsicht am Montag, dem 12. Januar 2004, oder am Dienstag, dem 13. Januar 2004, vor dem Termin auf der Geschäftsstelle des Gerichts erfolgen könne. Zum Termin am 13. Januar 2004 erschien für den Kläger RAin M.; neben dem Sachantrag hielt sie den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens aufrecht und beantragte ferner, die Auftraggeberin der Arbeiten, bei deren Verrichtung der Kläger durch den Außendienst der Beklagten im Oktober 2000 beobachtet worden war, Frau P., als Zeugin zu vernehmen; diese werde bekunden, dass der Kläger die Arbeiten als reinen Freundschaftsdienst ausgeführt habe, ohne dass eine Entlohnung vereinbart oder gezahlt worden sei.
Mit Urteil vom 13. Januar 2004 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen. Es hat sich dabei sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen auf die Erkenntnisse im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren (Unterlagen, Zeugenaussagen, Abschlussbericht des Polizeikommissariats S. vom 18. Januar "2003" - gemeint wohl: Ermittlungsbericht dieses Kommissariats vom 18. Januar 2001) bezogen und ua ausgeführt, der Kläger sei unstreitig selbständig tätig gewesen und habe einen Betrieb für Erd- und Pflasterarbeiten geführt. Bereits ab Mai 2000 seien durch die Zeugenaussagen Arbeitszeiten in ganz erheblichem Umfang belegt. Eine selbständige Tätigkeit pflege ihrer Natur nach auch nicht von vornherein auf weniger als 15 Wochenstunden beschränkt zu sein. Mit dem Ausüben der mehr als kurzzeitigen Tätigkeit ab Mai 2000 sei die Wirkung der Arbeitslosmeldung erloschen, da der Kläger der Beklagten die Änderung nicht unverzüglich angezeigt habe. Bei dieser Sachlage komme es auf die Tatsache, ob der Kläger im Oktober 2000 für Frau P. die Arbeiten aus Freundschaft durchgeführt habe, nicht an; auch bei einem für den Kläger insoweit günstigen Beweisergebnis hätte er die Leistungen zu Unrecht bezogen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Er stellt als zu klärende Rechtsfragen: "1. Führt ein anhängiges Strafverfahren gegen einen Beteiligten im Sozialgerichtsprozeß, dem derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt, zu einer Befreiung von der Mitwirkungslast im Sozialgerichtsverfahren? 2. Ist die Aufklärungspflicht des Gerichts erhöht, wenn die Mitwirkungslast eines Beteiligten wegen dieses anhängigen Strafverfahrens entfällt?" Zur Begründung führt er aus, das Nemo-tenetur-Prinzip führe zu einer erhöhten Aufklärungspflicht des Gerichts. Dieser sei das LSG jedoch nicht nachgekommen, da es lediglich den Inhalt der Leistungsakte zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe; das Gericht gehe somit offenbar konkludent davon aus, dass eine Aufklärungspflicht durch die nicht erfolgte Begründung sowohl der Klage als auch der Berufung nicht bestehe. Ferner rügt er als Verfahrensmangel eine Verletzung des § 117 SGG; eine Beweiserhebung im Wege des Zeugen- oder Urkundenbeweises habe nicht stattgefunden. Die Begründung, dass eine selbständige Tätigkeit ihrer Natur nach nicht von vornherein auf 15 Wochenstunden beschränkt zu sein pflege, sei durch nichts belegbar. Weiterhin sei § 103 SGG dadurch verletzt, dass das LSG dem Beweisantrag auf Vernehmung von Frau P. als Zeugin nicht gefolgt sei. Das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, die sich aus den Akten ergebenden Zeugen zu vernehmen und seine (des Klägers) Aufzeichnungen in das Verfahren einzubeziehen. Schließlich rügt er eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Seinem Akteneinsichtsgesuch sei nicht in adäquater Form entsprochen worden. Das Akteneinsichtsrecht aus § 120 SGG beinhalte, dass auch eine entsprechende Abstimmung mit dem Mandanten erfolgen könne. Dies sei seiner Prozessbevollmächtigten nicht möglich gewesen. Diese habe den Vorsitzenden des LSG-Senats im Telefonat vom 9. Januar 2004 darauf hingewiesen, dass sie am 12. Januar 2004 wegen eines ganztägigen auswärtigen Gerichtstermins in einer anderen Sache nicht zur Akteneinsicht nach C. reisen könne. Damit sei, auch auf Grund des Aktenumfangs, eine Akteneinsicht tatsächlich nicht möglich gewesen und unabhängig davon auch nicht die Besprechung mit dem Mandanten. Dies habe zur Folge gehabt, dass er (der Kläger) über den Inhalt der Beiakte, dh der Leistungsakte, keine Kenntnis gehabt habe und so entsprechende Beweiserhebungen nicht habe beantragen können. Insoweit sei auch die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Termins und Neuterminierung wegen des damit verbundenen Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verfahrenswidrig gewesen. Das Urteil beruhe auch auf dem Verstoß, denn bei Kenntnis des Akteninhalts hätte er (der Kläger) die erforderlichen Beweiserhebungen (Vernehmung der im Laufe der Ermittlung gehörten Zeugen, Einbeziehung seiner Aufzeichnungen in das Verfahren im Wege des Urkundenbeweises) beantragen können.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Soweit sie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist sie zumindest unbegründet, da es an der Klärungsfähigkeit fehlt. Hinsichtlich der geltend gemachten Verfahrensfehler liegen diese bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht vor.
1. Mit den von ihr gestellten Rechtsfragen will die Beschwerde das Verhältnis geklärt haben zwischen der Mitwirkungslast eines Beteiligten im sozialgerichtlichen Verfahren und dem Umstand, dass gegen diesen Beteiligten ein Strafverfahren anhängig ist. Die entsprechenden Rechtsfragen sind jedoch im vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig (entscheidungserheblich). Zwar hat das SG, wie von der Beschwerde angeführt, in seinem Gerichtsbescheid eine weitere Begründung (nicht etwa weitere Ermittlungen) für entbehrlich gehalten, "weil vom Kläger" (im Widerspruchs- und im Klageverfahren) "nichts vorgetragen wurde." Eine entsprechende Vorgehensweise lässt sich jedoch dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Bezeichnenderweise führt die Beschwerde insoweit lediglich aus, das Berufungsgericht gehe "offenbar konkludent davon aus, dass eine Aufklärungspflicht des Gerichts durch die nicht erfolgte Begründung sowohl der Klage als auch der Berufung durch den Kläger nicht bestehe." Dies ist jedoch eine reine, nicht belegte Vermutung. Das Berufungsgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass "durch die Zeugenaussagen Arbeitszeiten in ganz erheblichem Umfang belegt" sind, ohne insoweit darauf Bezug zu nehmen, dass der Kläger selbst hierzu nichts vorgetragen hat.
2. Die Vorschrift des § 117 SGG konkretisiert den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Die Beschwerde entnimmt dieser Vorschrift, dass das Berufungsgericht die ihm durch die Akten der Beklagten vermittelten Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren nicht ohne eigene Beweiserhebung hätte verwerten dürfen. Sollte hierin ein Verfahrensfehler liegen, kann ihn der Kläger aber nicht mehr geltend machen. Denn insoweit hätte seine Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung entsprechende Beweisanträge stellen können. Da sie dies unterlassen hat, wird ein eventueller Verstoß gegen § 117 SGG durch rügelose Einlassung geheilt (vgl BSG 16. Oktober 1986 - 5b RJ 56/85 -, rv 1987, 192; allg Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 117 RdNr 7).
Keinen Ausschlag kann insoweit geben, dass der Kläger vor dem LSG beantragt hat, Frau P. als Zeugin zu vernehmen; das LSG hat im Berufungsurteil ausdrücklich ausgeführt, dass es für seine Entscheidung nicht darauf ankomme, ob diese Arbeiten aus Freundschaft durchgeführt worden seien. Damit ist auch § 103 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht verletzt.
3. Die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) kann der Kläger gleichermaßen jedenfalls deshalb nicht geltend machen, weil er von seinen prozessualen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hat, um sich Gehör zu verschaffen (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 62 RdNr 11c). Denn entgegen seinem Vortrag hat er in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren ausweislich der Niederschrift keine Vertagung beantragt, um seine Rechte auf Akteneinsicht wahrnehmen zu können, vielmehr - neben der Vernehmung der Zeugin P. lediglich die Aussetzung des Verfahrens wegen des parallel laufenden Strafverfahrens.
Im Gegensatz hierzu hätten der Prozessbevollmächtigten des Klägers folgende Möglichkeiten zu Gebote gestanden: Sie hätte - entweder am Tag der mündlichen Verhandlung durch eine kurze Einsicht in die Beklagtenakten genügenden Aufschluss über deren Inhalt erhalten und damit die Vertagung der mündlichen Verhandlung zur Vernehmung jener Zeugen beantragen können, die bereits, ausweislich der Beklagtenakte, im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gehört worden waren, - oder die Vertagung der mündlichen Verhandlung beantragen können, um die Akten der Beklagten einsehen und nach Rücksprache mit dem Kläger sachdienliche Anträge stellen zu können; - uU wäre auch ein Antrag zu erwägen gewesen, die nicht namentlich bekannten Personen, deren Angaben im Ermittlungsverfahren für die Berufungsentscheidung verwertet werden sollten, sämtlich persönlich zu vernehmen; insoweit hätte argumentiert werden können, dies sei zwar kein ordnungsgemäßer Beweisantrag, ein solcher könne jedoch ohne Akteneinsicht nicht gestellt werden.
Unabhängig davon liegt zumindest nahe, dass die Beklagtenakten für die Prozessbevollmächtigte des Klägers keine bedeutsamen neuen Erkenntnisse bargen, sondern sie allenfalls aus ihnen hätte ersehen können, welche Teile der ihr bereits bekannten Strafakten auch Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden waren. Denn der Kläger rügt nicht die Verletzung rechtlichen Gehörs durch eine Überraschungsentscheidung; dies könnte darauf hindeuten, dass ihm der im Berufungsurteil verwertete Akteninhalt in der Tat bereits bekannt war. Immerhin verteidigt die Prozessbevollmächtigte des Klägers, neben RAin G., diesen im parallel laufenden Strafverfahren. Dass ihr der Inhalt der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft nicht bekannt war, trägt sie selbst nicht vor. Zu diesen Ermittlungsakten aber gehörte, wie aus den entsprechenden Kopien in den Beklagtenakten hervorgeht, auch das Ermittlungsergebnis des Außendienstes der Beklagten, das im Übrigen bereits bei der Akteneinsicht durch RA L. im Februar 2001 Bestandteil der Beklagtenakten war.
Soweit die vom Kläger monierte Behinderung der Akteneinsicht seine Ursache darin hat, dass seine Prozessbevollmächtigte erst weniger als eine Woche vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung mandatiert wurde, sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass ein kurzfristiger Anwaltswechsel als solcher nur dann einen Anspruch auf Terminsaufhebung oder -vertagung begründen kann, wenn der Kläger für den Wechsel einen wichtigen Grund hatte (s BSG 11. Dezember 2002 - B 6 KA 8/02 R - mwN). Ein solcher ist aber nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, zumal der Kläger im Strafverfahren nach wie vor von RAin G. vertreten wird.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen