Verfahrensgang
SG Trier (Entscheidung vom 18.11.2016; Aktenzeichen S 4 R 108/16) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 28.09.2018; Aktenzeichen L 2 R 21/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. September 2018 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 28.9.2018 hat das LSG Rheinland-Pfalz einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. In ihrer Beschwerdebegründung vom 15.1.2019 macht sie ausschließlich einen Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der gesetzlichen Form, denn die Klägerin hat darin den geltend gemachten Verfahrensmangel nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.
Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG; jüngst BSG Beschluss vom 18.12.2019 - B 13 R 340/18 B - Juris RdNr 12). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Berufungsgerichts (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 2). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
Die Klägerin rügt, das LSG sei unter Verstoß gegen die tatrichterliche Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ihrem Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht gefolgt, und bezieht sich dabei auf einen in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hilfsweise gestellten Antrag. Damit genügt sie jedoch nicht den Anforderungen an die Darlegung einer unzureichenden Sachaufklärung durch das Berufungsgericht.
Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das Berufungsgericht mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 6 mwN; jüngst BSG Beschluss vom 28.11.2019 - B 13 R 169/18 B - juris RdNr 4).
Die Klägerin hat bereits nicht dargetan, bezüglich des begehrten weiteren Sachverständigenbeweises einen ordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 403 ZPO gestellt zu haben. Ein solcher Antrag muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben solle (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN). Der von der Klägerin laut Beschwerdebegründung gestellte Antrag gibt mit der Formulierung, "ein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen", überhaupt kein Beweisthema an. Ebenso wenig enthält er zumindest allgemeine Angaben zu dem aus Sicht der Klägerin geeigneten Sachverständigen. Ihm fehlt zudem jedweder Hinweis darauf, was die Beweisaufnahme ergeben solle. Im Streit über einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente hätte der Beweisantrag aber auf den Nachweis einer bestimmten anspruchsbegründenden Tatsache, zB eines allenfalls unter sechsstündigen Leistungsvermögens am allgemeinen Arbeitsmarkt zu einem bestimmten Zeitpunkt, gerichtet sein müssen (BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - juris RdNr 6).
Soweit die Klägerin vorbringt, "vor dem Hintergrund des Prozessverlaufs", insbesondere ihrem Schriftsatz vom 28.6.2018, sei "für alle Beteiligten klar" gewesen, dass der in Bezug genommene Antrag darauf gerichtet gewesen sei, Beweis zu erheben über "den Zeitpunkt … zu dem die Erwerbsminderung der Klägerin eingetreten ist" durch Einholung eines Gutachtens eines "Sachverständigen aus dem orthopädischen Fachbereich (oder gegebenenfalls auch aus dem unfallchirurgischen Fachbereich)", lässt der Senat dahinstehen, ob mit einem so formulierten Antrag insbesondere das Beweisthema ausreichend konkret benannt wäre. Selbst wenn man dies annehmen wollte, wäre der Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG, auf den die Klägerin sich in der Beschwerdebegründung bezieht, nicht ordnungsgemäß, denn es genügt nicht, dass das Beweisthema allenfalls aus dem Verfahrenskontext heraus verständlich wird. Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Anderenfalls vorliegende bloße Beweisanregungen haben prozessual und im Hinblick auf die Aufklärungsrüge nicht dieselbe Bedeutung wie ein förmlicher Beweisantrag (vgl BSG Beschluss vom 24.5.1993 - 9 BV 26/93 - SozR 3-1500 § 160 Nr 9 - juris RdNr 4 f; BSG Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris RdNr 11).
Die Klägerin legt zudem nicht dar, dass das LSG iS von § 160 Abs 2 Halbsatz 2 SGG dem in Bezug genommen Antrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Für die Frage, ob ein hinreichender Grund für die unterlassene Beweiserhebung vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten war, den Sachverhalt zu den von dem Beweisantrag erfassten Punkten weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 7.4.2011 - B 9 SB 47/10 B - Juris RdNr 4; jüngst BSG Beschluss vom 13.2.2019 - B 6 KA 14/18 B - juris RdNr 8). Soweit entscheidungserhebliche tatsächliche Umstände noch nicht hinreichend geklärt sind, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch machen, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen. Einen darauf bezogenen Beweisantrag eines Beteiligten darf das Gericht nur ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (BSG Beschluss vom 6.2.2007 - B 8 KN 16/05 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10; BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - juris RdNr 24 mwN). Liegen jedoch bereits mehrere Gutachten vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten iS von § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO ungenügend sind, weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 20.2.2019 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 9). Zu diesen Anforderungen mangelt es an hinreichenden Ausführungen der Klägerin.
Etwaige Widersprüche in der Einschätzung von Dr. L., der laut Beschwerdebegründung das Leistungsvermögen der Klägerin für die Beklagte begutachtet hatte, haben dem LSG schon deswegen keinen Anlass für weitere Sachverhaltsermittlungen gegeben, weil dieses sich laut Beschwerdebegründung vor allem die leistungsrechtliche Beurteilung des eigens bestellten Sachverständigen Dr. M. zu eigen gemacht hat. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat sich, wie die Klägerin dargetan hat, gerade nicht der Annahme von Dr. L. angeschlossen, der Klägerin sei ein Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten im Umfang von drei bis sechs Stunden täglich verblieben. Den Vorwurf, der Sachverständige Dr. M. habe dabei nicht zwischen Arbeitsfähigkeit und Erwerbsfähigkeit unterschieden, hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert. Allein anhand der in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen knappen Auszüge aus dem Gutachten Dr. M. wird dies nicht erkennbar.
Mit dem Vorbringen, der gerichtlich bestellte Sachverständige sei nicht auf die Ausführungen der Drs. K., T. und A. eingegangen, hat die Klägerin jedenfalls nicht dargetan, dass dem LSG deswegen das Leistungsvermögen der Klägerin hätte weiter klärungsbedürftig erscheinen müssen. Laut Beschwerdebegründung hat Dr. K. im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit am 13.6.2014 ein noch erhaltenes Leistungsvermögen der Klägerin für leichte körperliche Tätigkeiten festgestellt. Diese Einschätzung ist laut Beschwerdebegründung von Dr. T. am 14.12.2014 ebenfalls im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit dahin "ergänzt" worden, der Verlauf habe sich ungünstiger entwickelt als erwartet, sodass rückblickend von einem aufgehobenen Leistungsbild ausgegangen werde. Nach der von der Klägerin nicht geteilten, für die Prüfung eines Verfahrensmangels jedoch maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des LSG, wie sie in der Beschwerdebegründung auch dargestellt wird, ist das Vorliegen von Erwerbsminderung aber rückschauend zu beurteilen und finden abweichende Prognosen keine Berücksichtigung. Ebenso wenig musste sich das LSG angesichts der Ausführungen von Dr. A. zu weiteren Sachverhaltsermittlungen gedrängt sehen. Dieser ist laut Beschwerdebegründung auf Veranlassung der Beklagten tätig geworden und hat unter dem 16.7.2015 ein aufgehobenes Leistungsvermögen der Klägerin festgestellt. Das entspricht im Ergebnis der in der Beschwerdebegründung dargestellten Annahme des LSG. Sollte die Klägerin vorbringen wollen, nach der Einschätzung von Dr. A. sei der Leistungsfall erst zu einem Zeitpunkt nach dem 18.1.2013 eingetreten, hat sie dies nicht ausreichend substantiiert, denn der Beschwerdebegründung lässt sich nichts zu dem Zeitpunkt entnehmen, auf den sich die wiedergegebenen Ausführungen des Dr. A. bezogen haben.
Indem die Klägerin bemängelt, der Sachverständige Dr. M. habe - auftragsgemäß - ein Gutachten nach Aktenlage erstellt und darin keine Aussage über ihr Leistungsvermögen ab Juli 2016 getroffen, hat sie nicht dargelegt, dass das LSG deswegen objektiv zu weiterer Sachaufklärung gehalten gewesen sei. Hierfür hätte die Klägerin, die - wie sie wiederholt ausführt - selbst von einem Leistungsfall im Mai 2015 ausgeht, aufzeigen müssen, dass die in den Raum gestellte Möglichkeit, dass sich ab Mitte 2016 "die gesundheitliche Situation verbessert und damit die Leistungsfähigkeit … erhöht hat", geeignet gewesen wäre, einen Leistungsfall erst nach dem 18.1.2013 zu begründen.
Mit dem Vorbringen, das LSG habe ihr Leistungsvermögen zu Unrecht in der Rückschau beurteilt - statt aus ex-ante-Sicht bezogen auf das Datum der erstmaligen Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit - wendet die Klägerin sich gegen die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Hierauf kann die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision aber nicht gestützt werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; jüngst BSG Beschluss vom 2.9.2019 - B 13 R 354/18 B - juris RdNr 9).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen.
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13703791 |