Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 20. September 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 ab Dezember 2018 anstelle des durch den Beklagten zuerkannten GdB von 40. Sie macht geltend, an einer Elektrosensibilität oder Elektrohypersensibilität zu leiden. Das LSG hat einen Anspruch der Klägerin auf die begehrte Feststellung verneint (Urteil vom 20.9.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Die Klägerin hat den von ihr ausschließlich geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der danach vorgeschriebenen Weise dargelegt.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 8.3.2021 - B 9 BL 3/20 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - juris RdNr 6).
Die Klägerin misst folgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung zu:
"1. Welche Feststellungen sind vom Gericht vorab zu treffen, um zu ermitteln, welche Gesundheitsstörung vergleichbar ist, zu der eine Analogie herbeigeführt werden soll?
2. In wie weit sind die Ursachen der Gesundheitsstörungen im Rahmen der Ermittlung einer Vergleichbarkeit zu berücksichtigen?
3. Kommt es auch bei Umwelterkrankungen nur auf die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen an oder müssen hier auch mögliche umweltbedingte Ursachen bei der Ermittlung der Vergleichbarkeit mit anderen Gesundheitsstörungen und bei der Feststellung des GdB berücksichtigt werden? Wenn diese zu berücksichtigen sind: In welchem Umfang müssen die Ursachen berücksichtigt werden?"
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit eine oder mehrere hinreichend konkrete Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen hat. Jedenfalls hat sie die Klärungsfähigkeit dieser Fragen nicht hinreichend dargelegt.
Für eine nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG formgerechte Darlegung der Klärungsfähigkeit fehlt es in der Beschwerdebegründung bereits an einer geordneten Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Eine verständliche Sachverhaltsschilderung gehört zu den Mindestanforderungen einer Grundsatzrüge (BSG Beschluss vom 4.1.2022 - B 9 V 22/21 B - juris RdNr 6). Zwar werden zu deren Beginn knapp der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits und die Ergebnisse des Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahrens beschrieben. Jedoch macht die Klägerin keine konkreten Angaben zu den jeweiligen tatsächlichen Grundlagen und tragenden Begründungen, was auch für das angegriffene Urteil des LSG gilt. Nur erahnen lässt sich, dass bereits durch das SG eine "Sachverständige für Psychologie" mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden sei, auf welches sowohl das SG als auch das LSG ihre Entscheidungen hinsichtlich der GdB-Höhe jeweils gestützt haben sollen. Insbesondere zeigt die Klägerin allenfalls ansatzweise auf, welche Tatsachenfeststellungen das LSG im angegriffenen Urteil getroffen hat. Nur diese können aber einer Entscheidung des BSG in der angestrebten Revision zugrunde gelegt werden. Ohne die Angabe der vom LSG festgestellten Tatsachen ist der Senat nicht in der Lage, wie erforderlich, allein aufgrund der Beschwerdebegründung die Entscheidungserheblichkeit einer Rechtsfrage zu beurteilen (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 5.11.2020 - B 10 EG 5/20 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 29.7.2019 - B 13 R 250/18 B - juris RdNr 13, jeweils mwN). Sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung herauszusuchen, ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts (stRspr; zB BSG Beschluss vom 28.9.2021 - B 9 SB 12/21 B - juris RdNr 5 mwN).
Aufgrund der ungenügenden Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerdebegründung offen bleibt auch die zentrale Frage, welche Gesundheitsstörungen das LSG bei der Klägerin festgestellt hat. Damit fehlt zugleich die Angabe, ob hierunter auch solche waren, die nicht in der Tabelle des Teil B der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung(Versorgungsmedizinische Grundsätze ≪VMG≫) aufgeführt sind, und ob das LSG sein Urteil überhaupt - und falls ja, wie erforderlich tragend - auf eine Analogie dieser Gesundheitsstörungen zu vergleichbaren in der Tabelle aufgeführten Gesundheitsstörungen (vgl Teil B Nr 1 Buchst b VMG) gestützt hat. Nur dann käme es aber auf die von der Klägerin in ihren Fragen als klärungsbedürftig dargestellten Voraussetzungen einer solchen Analogie an. Statt dessen legt es eine Gesamtschau der Beschwerdebegründung nahe, dass das LSG gerade keine Gesundheitsstörung im Sinne einer Elektrosensibilität oder Elektrohypersensibilität bei der Klägerin festgestellt hat oder dies zumindest hat dahinstehen lassen. Damit ist jedoch auch keine Umwelterkrankung festgestellt, auf die die Klägerin in ihrer dritten Frage explizit abhebt.
Mit ihrer umfangreichen Beschwerdebegründung wendet sich die Klägerin im Kern gegen eine aus ihrer Sicht ungenügende Sachverhaltsaufklärung, insbesondere in Bezug auf die Ermittlung der Anknüpfungstatsachen für die im Gerichtsverfahren angeordnete Begutachtung durch eine Sachverständige. Deutlich wird dies zB an Passagen wie "Wenn der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt worden wäre, dann hätte der Klägerin ein GdB von mindestens 50 zuerkannt werden müssen", "rügt die Klägerin insbesondere, daß Sozialgericht und Landesozialgericht keine hinreichenden Ermittlungen durchgeführt haben, um festzustellen, welche sich aus der Tabelle in der Anlage zu § 2 ergebende Gesundheitsstörung vergleichbar mit der Gesundheitsstörung der Klägerin ist" oder "Der Ermittlung der Anknüpfungstatsachen kommt daher herausragende Bedeutung zu" (S 2 f der Beschwerdebegründung). Ebenso lässt der Beschwerdevortrag erkennen, dass die Klägerin die Beweiswürdigung des LSG für unzutreffend hält. Allerdings kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ein hierdurch sinngemäß geltend gemachter Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Letzteres wird mit der Beschwerdebegründung nicht vorgetragen. Im Übrigen gilt, dass prinzipiell auch prozessuale Fragen - worauf die Klägerin letztlich abzielt - grundsätzliche Bedeutung haben und eine Rechtsfortbildung im Verfahrensrecht erfordern können. Dies darf aber nicht zur Umgehung von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG führen, soweit dieser die Nachprüfbarkeit von Verfahrensmängeln einschränkt (stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.7.2019 - B 13 R 3/18 B - juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 12.10.2017 - B 9 V 32/17 B - juris RdNr 22). Dies wäre hier aber der Fall.
Dass die Klägerin die Entscheidung des LSG inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 6.7.2022 - B 10 EG 2/22 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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Ch. Mecke |
Fundstellen
Dokument-Index HI15745031 |