Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 22.07.1998)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juli 1998 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Streitig ist die Erteilung einer neuen Versicherungsnummer mit geändertem Geburtsdatum (22. November 1940 statt 22. November 1945). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 22. Juli 1998 die klageabweisende Entscheidung der ersten Instanz bestätigt. Dabei hat es sich im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

Selbst wenn § 33a des Sozialgesetzbuches Erstes Buch (SGB I) wegen Verstoßes gegen das Assoziations- bzw Gemeinschaftsrecht nicht anzuwenden sei, habe die Klägerin gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Änderung ihrer Versicherungsnummer. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß es für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Änderung der vorhandenen Versicherungsnummer bzw auf Vergabe einer neuen Versicherungsnummer unter Berücksichtigung eines geänderten Geburtsdatums keine Rechtsgrundlage gebe (Bezug auf BSGE 77, 140 ff = SozR 3-2200 § 1248 Nr 12; BSGE 78, 13 ff = SozR 5748 § 1 Nr 2; BSG, Urteil vom 21. Februar 1996 – 5 RJ 74/95 –).

Ungeachtet dessen werde die vom 8. und 13. Senat des BSG in ihren Vorlagebeschlüssen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) geäußerte Auffassung nicht geteilt (Bezug auf die Beschlüsse vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R – und 31. März 1998 – B 8 KN 7/95 R –). Mit § 33a SGB I sei weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung der Klägerin verbunden. Ein Anspruch der Klägerin auf Berichtigung des Geburtsdatums bestehe auch nicht deshalb, weil die Beklagte die Klägerin zur Vorlage von Unterlagen über ihr jetzt behauptetes Geburtsdatum gefordert habe; dadurch sei kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Im Hinblick auf die Regelung in § 33a SGB I bestehe auch kein Anspruch auf Anbringung eines Zweifelsvermerks in den Akten der Beklagten. Zwar sei gemäß § 84 Abs 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch in der Datei oder Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten, wenn die Richtigkeit von Sozialdaten, zu denen auch das Geburtsdatum in der Versicherungsnummer gehöre (Bezug auf BSGE 78, 13 ff), von den Betroffenen bestritten werde und sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit feststellen lasse. Im Interesse des Rechtsfriedens und zur Vermeidung von Manipulationen schreibe § 33a SGB I jedoch das bei der erstmaligen Meldung des Versicherten zur deutschen Rentenversicherung angegebene Geburtsdatum als auf Dauer verbindlich fest. Diese Bestimmung sei deshalb lex specialis.

Mit ihrer gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil eingelegten Beschwerde macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden Anforderungen.

Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen – grundsätzliche Bedeutung, Abweichung, Verfahrensmangel – zugelassen werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Daran fehlt es hier.

Um eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 SGG), auf die sich die Klägerin ausschließlich beruft, darzulegen, ist es zunächst erforderlich, die nach Ansicht des Beschwerdeführers grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, daß sie allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitze (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 11, 39). Ferner ist darzutun, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig sei. Das ist zum einen nicht der Fall, wenn die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 4, 11). Zum anderen ist auch eine Rechtsfrage, die das BSG bereits entschieden hat, nicht mehr klärungsbedürftig, es sei denn, sie wäre es aus besonderen Gründen geblieben oder erneut geworden; das muß substantiiert vorgetragen werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 13, 65). Schließlich ist darzulegen, daß die Rechtssache in dem einer Zulassung folgenden Revisionsverfahren entscheidungserheblich und damit auch klärungsfähig sei (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 54).

Diesen Begründungsanforderungen hat die Klägerin nicht Genüge getan. Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage, die die Klägerin für grundsätzlich bedeutsam hält. Soweit man ihrem Vorbringen – der 8. und der 13. Senat des BSG hätten einen vergleichbaren Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, auch sei die Beklagte von einem Rechtsanspruch der Klägerin auf Berichtigung der Versicherungsnummer ausgegangen, die Klägerin werde von der Beklagten nicht gleichbehandelt – entsprechende Rechtsfragen entnehmen wollte, hat die Klägerin deren Klärungsbedürftigkeit nicht ordnungsgemäß begründet. Denn sie hat nicht näher dargetan, welche Norm aus welchen Gründen unter Berücksichtigung welcher Rechtsprechung des BSG und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verletzt worden sein soll (vgl dazu BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 17; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45; zur Verfassungsmäßigkeit des § 33a SGB I jetzt BSG, Urteile vom 31. März 1998 – B 8 KN 11/95 R und B 8 KN 5/95 R –; zur möglichen Europarechtswidrigkeit dieser Vorschrift vgl allerdings den Senatsbeschluß vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R –).

Keinesfalls reichen die Ausführungen der Klägerin zur Klärungsfähigkeit einer die Verfassungs- oder Europarechtswidrigkeit des § 33a SGB I betreffenden Rechtsfrage aus. Insbesondere wurde nicht aufgezeigt, inwiefern die Rechtmäßigkeit dieser Vorschrift Gegenstand des von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahrens sein könnte. Die bloße Bezugnahme auf die Vorlagebeschlüsse des 8. und 13. Senats ist insoweit nicht ausreichend, weil sich das LSG hilfsweise auf die alte Rechtsprechung des 5. Senats zur Frage eines einklagbaren Anspruchs auf Erteilung einer neuen Versicherungsnummer oder Eintragung eines Zweifelvermerks bezogen hat (vgl BSGE 78, 13 = SozR 3-5748 § 1 Nr 2).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1, 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175301

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