Verfahrensgang
SG Konstanz (Entscheidung vom 17.03.2016; Aktenzeichen S 8 SO 1501/14) |
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 07.01.2019; Aktenzeichen L 7 SO 1323/16) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Januar 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin K, F, beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget (PB) für die Zeit vom 1.5.2014 bis 31.10.2014 und die Rechtmäßigkeit der Befristung dieses PB.
Der 1942 geborene Kläger, der unter einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung mit rezidivierender depressiver Symptomatik leidet, erhielt neben einer Rente wegen Alters und Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) von dem beklagten Sozialhilfeträger Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form eines PB. Wegen der Höhe des PB und der Rechtmäßigkeit seiner Befristung besteht zwischen den Beteiligten für Zeiträume seit dem 1.12.2012 Streit. Unter anderem bewilligte der Beklagte ein PB für die Zeit vom 1.5.2014 befristet bis zum 31.10.2014 in Höhe von 388 Euro monatlich (Bescheid vom 26.6.2014; Widerspruchsbescheid vom 16.7.2015). Die Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Konstanz vom 17.3.2016; Beschluss des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 7.1.2019). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung auf die Gründe des SG Bezug genommen und im Übrigen ausgeführt, gegen die Befristung habe der Kläger sich erst im Berufungsverfahren gewandt; dies sei nicht zulässig.
Der Kläger beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung von Rechtsanwältin K für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Beschluss.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Das LSG hat wegen der Begründung zur Frage der Höhe des PB in vollem Umfang auf die Begründung des SG verwiesen (§ 153 Abs 2 SGG). Das SG hat unter Heranziehung der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten Kriterien im vorliegenden Einzelfall entschieden, welcher Eingliederungshilfebedarf für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft besteht (zu diesem Maßstab etwa BSG vom 8.3.2017 - B 8 SO 2/16 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 20 RdNr 22 f mwN). Weitere klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich vorliegend nicht. Das BSG hat inzwischen entschieden, dass eine Zielvereinbarung die Beteiligten nicht materiell im Hinblick auf den individuellen Leistungsbedarf, der dem PB wegen der notwendigen Ausgestaltung und der Höhe zugrunde liegt, bindet und für eine Befristung des PB eine gesetzliche Grundlage fehlt (BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - SozR 4-3500 § 57 Nr 1 RdNr 27 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Sonstige Fragen grundsätzlicher Bedeutung sind nicht ersichtlich. Kommt es bei dem Streit um die Höhe des PB, der sich vorliegend ausschließlich auf Leistungen für die Vergangenheit im Wege der Kostenerstattung bezieht, auf den Inhalt der Zielvereinbarung nicht bindend an, kann insbesondere keine Klärung über Fragen zum notwendigen Inhalt einer Zielvereinbarung herbeigeführt werden. Dies gilt auch für die Fragen, die der Kläger wegen der Durchführung des PB für grundsätzlich klärungsbedürftig hält. Ob und ggf welche Möglichkeiten für den Träger der Eingliederungshilfe bestehen, nach Bewilligung eines PB Einfluss auf die Verwendung der Mittel zu nehmen, kann im Streit um Leistungen für in der Vergangenheit tatsächlich angefallene Kosten ebenfalls nicht geklärt werden.
Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen ebenso wenig. Wegen der Frage, welcher Maßstab für den Eingliederungshilfebedarf für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft anzulegen ist, ist das SG der Rechtsprechung des BSG gefolgt und hat die in der Altersgruppe des Klägers üblichen gesellschaftlichen Kontakte als Vergleichsmaßstab herangezogen. Das LSG hat eigene, abweichende Maßstäbe im vorliegenden Rechtsstreit nicht aufgestellt. Die Frage, ob die Entscheidung der Vorinstanzen im Einzelfall zutreffend ist, vermag die Zulassung der Revision aber nicht zu eröffnen.
Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Ob das LSG zutreffend davon ausgegangen ist, dass der Kläger die Befristung des PB nicht bereits vor dem SG angegriffen hatte und er damit Einwände gegen den Bescheid vom 26.6.2014 insoweit zulässigerweise im Berufungsverfahren nicht mehr geltend machen konnte, kann offenbleiben. Die Anfechtungsklage gegen die Befristung ist (unabhängig davon, ob sie vor dem SG innerhalb der Klagefrist erhoben worden ist) jedenfalls unzulässig, weil sich die Befristung (als Nebenbestimmung) nach Ablauf des Befristungszeitraums und erneuter Bewilligung, die nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist, erledigt hat. Anders als in dem vom Senat bereits entschiedenen Fall, der den Streit der Beteiligten über den Zeitraum vom 1.12.2012 bis zum 31.1.2014 betraf (BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - SozR 4-3500 § 57 Nr 1 RdNr 18 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), kann auch ein Fortsetzungsfeststellungsantrag (vgl § 131 Abs 1 Satz 3 SGG) vorliegend nicht zur Zulässigkeit der Klage führen. Eine Wiederholungsgefahr, die ein Feststellungsinteresse begründen könnte, besteht mit der eingetretenen Rechtsänderung durch das Inkrafttreten der Regelungen in Teil 2 des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (SGB IX) mit dem Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz ≪BTHG≫ vom 23.12.2016, BGBl I 3234) nicht mehr. Im Übrigen hat der Senat zugunsten des Klägers - ausgehend von einem Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt einer Präjudizialität kraft "natürlicher Autorität" - bereits ausgesprochen, dass die unter Geltung des bis zum 31.12.2019 geltenden Rechts ausgesprochene Befristung rechtswidrig war. Für die Durchführung eines weiteren Verfahrens, das vergangene Zeiträume betrifft, besteht daher wegen der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Befristung kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.
Mit der Ablehnung der PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Bieresborn Luik Krauß
Fundstellen
Dokument-Index HI15073917 |