Verfahrensgang
SG Koblenz (Entscheidung vom 03.08.2018; Aktenzeichen S 12 KR 177/17) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 04.07.2019; Aktenzeichen L 5 KR 226/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. Juli 2019 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2719,92 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Die Beklagte ist Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses. In diesem wurde bei der 1969 geborenen, bei der klagenden Krankenkasse versicherten S. (im Folgenden: Versicherte) eine Venenoperation in Tumeszenzanästhesie durchgeführt (stationärer Aufenthalt vom 20. bis 22.10.2016). Die Beklagte kodierte die Operation nach dem 2016 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 5-397.a5:L (andere plastische Rekonstruktion von Blutgefäßen: Oberflächliche Venen: Oberschenkel) sowie 5-397.9b:L (andere plastische Rekonstruktion von Blutgefäßen: Tiefe Venen: V. femoralis) und berechnete - ausgehend von der Fallpauschale (Diagnosis Related Group ≪DRG≫) F59B - für die Behandlung insgesamt 4781,50 Euro. Die Klägerin beglich zunächst die Rechnung, forderte dann aber vergeblich 2419,92 Euro zurück, da die Prozedur nach OPS 5-397.9b nicht kodierbar und aufgrund der Streichung die DRG F65B abzurechnen sei. Auf die nachfolgende Klage hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin den geforderten Differenzbetrag von 2419,92 Euro nebst Zinsen zu zahlen, und die Widerklage auf Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro abgewiesen: Eine plastische Rekonstruktion habe die Beklagte nur an der Vena saphena magna (hier: extraluminale Valvuloplastie ≪ExVP≫), nicht - wie von OPS 5-397.9b gefordert - an der Vena femoralis durchgeführt (Gerichtsbescheid vom 3.8.2018). Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 4.7.2019).
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gem § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG Beschluss vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 f mwN).
Die Beklagte richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus. Sie legt jedenfalls die Klärungsfähigkeit der von ihr aufgeworfenen
"Rechtsfrage, ob nach Durchführung einer ExVP, wie diese von der Beschwerdeführerin erbracht wird, der OPS 5-397.9b zu codieren ist"
nicht dar.
Zur Darlegung der Klärungsfähigkeit ist darzustellen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist. Dies ist nicht der Fall, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (vgl BSG Beschluss vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt (vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 9g mwN) ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen. Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellt hat. Dem wird die Beklagte nicht gerecht.
Nach den den Senat bindenden (§ 163 SGG), unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des SG getroffenen (§ 153 Abs 2 SGG) Feststellungen des LSG wurde ein straffender Eingriff an der Vena femoralis schon gar nicht vorgenommen (vgl Seite 12 ff des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids). Auch lag nach den Feststellungen für die Vena femoralis ein pathologischer Befund nicht vor. Unter Berücksichtigung des im SG-Verfahren eingeholten Gutachtens, auf das sich SG und LSG stützen, ergibt sich zudem, dass die Befestigung, lege artis vorgenommen, keine plastische Rekonstruktion von Blutgefäßen iS des OPS darstellt. Diese Feststellungen hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) angegriffen.
Die Beklagte legt nicht dar, weshalb das BSG sich ausgehend von dieser Tatsachengrundlage überhaupt mit der Frage der richtigen Kodierung einer Operation an der Vena femoralis befassen müsste, obwohl schon eine Straffung der Vene nicht erfolgt ist und im Übrigen mangels pathologischen Befunds selbst bei Bejahung der Kodierungsvoraussetzungen ein Anspruch der Klägerin auf Aufrechnung der gestellten Forderung aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Verstoßes gegen das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) und das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) in Betracht kommt (vgl BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 1 KR 2/19 R - juris RdNr 13, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Behandelt ein Krankenhaus einen Versicherten bei erforderlicher Krankenhausbehandlung in unwirtschaftlichem Umfang, hat es allenfalls Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten anfiele (BSG Urteil vom 19.11.2019 - B 1 KR 6/19 R - juris RdNr 26 mwN, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Anstelle dessen legt sie eine andere Tatsachengrundlage (nämlich eine erfolgte Straffung der Vena femoralis mit entsprechendem Behandlungsbedarf) zugrunde, die jedoch nicht Gegenstand einer revisionsrechtlich überprüfbaren Fragestellung sein kann.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13703797 |