Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung. Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Arbeitslosengeld. Verfügbarkeit. Beschäftigungsverbot nach MuSchG. Fiktion der Verfügbarkeit
Orientierungssatz
Für die ausreichende Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage, ob ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 MuSchG der Verfügbarkeit iS des § 119 Abs 1 Nr 2, Abs 2 und 3 SGB 3 entgegensteht, wenn nach erschöpfender tatsächlicher und rechtlicher Würdigung der ärztlichen Unterlagen auszuschließen ist, dass eine Arbeitsunfähigkeit der Schwangeren vorliegt, bedarf es einer Auseinandersetzung mit dem von der Vorinstanz zitierten Urteil des BSG vom 9.9.1999 - B 11 AL 77/98 R = SozR 3-4100 § 103 Nr 19.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3; SGB 3 § 119 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1997-12-16, Abs. 2 Fassung: 1997-12-16, Abs. 3 Fassung: 1997-12-16; MuSchG § 3 Abs. 1, § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht in der durch § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Weise bezeichnet.
1. Die ordnungsgemäße Bezeichnung eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) setzt voraus, dass die verletzte Verfahrensnorm und die eine Verletzung begründenden Tatsachen substantiiert und schlüssig dargelegt werden (stRspr; ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 14; SozR 3-1500 § 73 Nr 10). Eine solche Darlegung ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Der behauptete Verstoß gegen die Verpflichtung des Gerichts, die für die richterliche Überzeugung leitenden Gründe (§ 128 Abs 1 Satz 2 iVm § 136 Abs 1 Nr 6 SGG) anzugeben, ist nicht ausreichend bezeichnet. Die Bezeichnung eines Verstoßes gegen § 128 Abs 1 Satz 2 SGG setzt die Darlegung voraus, dass ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG, hier die Klägerin sei nicht arbeitsunfähig gewesen, wesentliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte in den Gründen nicht behandelt worden sind (vgl ua Beschluss des erkennenden Senats vom 31. Mai 2008 - B 11a AL 152/07 B - mwN). Der Vortrag der Beklagten beschränkt sich stattdessen vorrangig darauf, die mangelnde Berücksichtigung pathologischer Befunde zu beanstanden. Damit wird - ausgehend von der gegenteiligen Rechtsauffassung der Beklagten - eine fehlerhafte Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) gerügt, welche indessen nach Maßgabe des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Entsprechendes gilt für die Rüge, das LSG habe nicht von einer persönlichen Befragung des behandelnden Arztes absehen dürfen. Denn auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Dergleichen behauptet die Beklagte nicht. Vielmehr macht sie im Kern geltend, das LSG sei trotz eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) und trotz verschiedener Hinweise auf eine gleichzeitig bestehende Arbeitsunfähigkeit in der Sache unzutreffend von der Verfügbarkeit der Klägerin ausgegangen. Über die sachliche Unrichtigkeit ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren jedoch nicht zu befinden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7; stRspr).
2. Um eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung zB des Bundessozialgerichts (BSG) andererseits aufzuzeigen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt ist und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen (stRspr, ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; BSG, Beschluss vom 27. Juni 2002 - B 11 AL 87/02 B -). Zwar behauptet die Beklagte unterschiedliche Rechtssätze zur rechtlichen Einordnung einer Risikoschwangerschaft unter eine verfügungsschädliche Arbeitsunfähigkeit, welche einerseits dem Urteil der Vorinstanz und andererseits dem Urteil des erkennenden Senats vom 9. September 1999 - B 11 AL 77/98 R (SozR 3-4100 § 103 Nr 19) zu Grunde liegen sollen. Bereits die Darstellung des Sach- und Streitstandes in der Beschwerdebegründung ergibt aber, dass die Vorinstanz den diesbezüglichen Ausführungen des erkennenden Senats im Urteil vom 9. September 1999 (aaO) durchaus zur Kenntnis genommen, ihnen aber gerade keine tragende Bedeutung, sondern lediglich den Charakter eines obiter dictums beigemessen hat. Letzteres wird mit der Wiedergabe eines nach Meinung der Beklagten aus dem Urteil des BSG abzuleitenden Rechtssatzes nicht schlüssig widerlegt.
3. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) lässt sich schließlich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auch auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Die Beklagte formuliert zwar als Rechtsfrage mit Breitenwirkung, ob ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 MuSchG der Verfügbarkeit iS des § 119 Abs 1 Nr 2, Abs 2 und 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) entgegensteht, wenn nach erschöpfender tatsächlicher und rechtlicher Würdigung der ärztlichen Unterlagen auszuschließen ist, dass eine Arbeitsunfähigkeit der Schwangeren vorliegt. Die Beschwerdebegründung zeigt jedoch den Klärungsbedarf nicht auf. Dabei sei dahingestellt, ob die Beklagte nicht bereits durch ihre Ausführungen zu § 119 Abs 3 Nr 1 SGB III ("Können" und "Dürfen") darlegt, dass sich die aufgeworfene Frage - nach ihrem Vortrag - unmittelbar aus dem Gesetz beantwortet. Der Verweis auf die fehlende höchstrichterliche Klärung der Rechtsfrage entbindet die Beklagte jedenfalls nicht von der weiteren Verpflichtung näher auszuführen, dass sich aus der vorhandenen Rechtsprechung keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage herleiten lassen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8; BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2; BSG, Beschluss vom 16. Mai 2007 - B 13 R 97/07 B; vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 117). Hierzu hätte angesichts der von der Vorinstanz und ebenso der Beklagten zitierten Entscheidung des erkennenden Senats vom 9. September 1999 (aaO) in besonderer Weise Veranlassung bestanden. Denn in diesem Verfahren ist - wie auch vorliegend - von der Vorinstanz für den Fall eines nicht mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 1 MuSchG der Weg einer (fingierten) Verfügbarkeit unter entsprechender Anwendung des § 11 MuSchG beschritten worden. Die nachfolgende Zurückverweisungsentscheidung des BSG zum Zwecke weiterer Ermittlungen (vgl dazu auch Buchner/Becker, Komm zum MuSchG, Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 8. Aufl, § 1 RdNr 12) hätte daher zu näherer Erläuterung Anlass geben müssen, warum sich dieser Entscheidung nicht wenigstens Hinweise auf die Schließung der von der Beklagten angeführten Gesetzeslücke entnehmen lassen. Vom Standpunkt der Beklagten gilt dies im Übrigen erst recht, wenn der Entscheidung des erkennenden Senats - wie die Beklagte an anderer Stelle vorträgt - die Verfügungsunschädlichkeit eines Beschäftigungsverbots bei normaler Schwangerschaft (S 13 der Beschwerdebegründung) tatsächlich zu entnehmen sein sollte. Hiernach ist, gemessen an den vom BSG für erforderlich gehaltenen Ermittlungen, auch nicht nachvollziehbar, weshalb die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage - wie sie selbst geltend macht (S 16 der Beschwerdebegründung) - im Sinne einer Leistungspflicht der Krankenkasse zu beantworten wäre.
Die unzulässige Beschwerde ist daher zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen