Verfahrensgang
SG Hannover (Entscheidung vom 03.11.2016; Aktenzeichen S 19 KR 256/16) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 18.04.2019; Aktenzeichen L 4 KR 699/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. April 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Einordnung der selbstständigen Tätigkeit des Klägers als haupt- oder nebenberuflich.
Der Kläger ist als freiberuflicher Übersetzer tätig und bei der beklagten Krankenkasse in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und bei der bei ihr eingerichteten Pflegekasse in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versichert. Die Beklagte stellte fest, dass er diese Tätigkeit hauptberuflich ausübe (Bescheid vom 29.10.2015, Widerspruchsbescheid vom 26.1.2016) und setzte Beiträge auf der Grundlage der Mindestbemessungsgrenze für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige fest. Die gegen die Einstufung als hauptberuflich Selbstständiger gerichtete Klage (Urteil des SG vom 3.11.2016) und Berufung haben keinen Erfolg gehabt (Beschluss des LSG vom 18.4.2019). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision.
II
Die Beschwerde des Klägers ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG zu verwerfen, weil die Begründung nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) genügt.
Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 21/07 B - Juris RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines rügbaren Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
Soweit der Kläger die falsche Bewertung des Sachverhalts durch das SG rügt, weil es maßgeblich auf seine Angaben im Verwaltungsverfahren abgestellt habe, und meint, das SG habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, bezeichnet der Kläger schon deshalb keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, weil dieser einen Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens nur im unmittelbar vorangehenden Rechtszug meint (vgl BSG Beschluss vom 28.1.2009 - B 6 KA 27/07 B).
Soweit der Kläger damit sinngemäß rügt, auch das LSG habe zu Unrecht eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit angenommen, rügt der Kläger die inhaltliche Unrichtigkeit der LSG-Entscheidung. Das kann nicht zur Zulassung der Revision führen.
Soweit der Kläger die fehlende Sachaufklärung durch das LSG rügt, fehlt es an einer hinreichenden Bezeichnung des geltend gemachten Verfahrensmangels. Der Kläger hat insofern § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht beachtet. Danach kann die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass er im Rahmen eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags aufgezeigt habe, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden solle (zu den Darlegungsanforderungen einer Sachaufklärungsrüge siehe etwa BSG Beschluss vom 21.12.2017 - B 9 SB 70/17 B), behauptet der Kläger indes nicht.
Soweit der Kläger das Fehlen einer mündlichen Verhandlung rügt, ist nicht hinreichend dargetan, dass seitens des LSG ein Ermessensfehlgebrauch vorlag. Die Entscheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 S 1 SGG zurückzuweisen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüft werden (stRspr; vgl BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38; BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 27). Dass die Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG auf einem Ermessensfehlgebrauch beruhe, hat der Kläger lediglich behauptet, nicht aber dargetan. Hierfür ist es nicht ausreichend mitzuteilen, in der mündlichen Verhandlung den schriftsätzlichen Vortrag wiederholen zu wollen. Dass das LSG aufgrund sachfremder Erwägungen oder aufgrund einer groben Fehleinschätzung von einer mündlichen Verhandlung abgesehen hätte, trägt der Kläger nicht vor.
Soweit der Kläger im Absehen von einer weiteren mündlichen Verhandlung vor dem LSG einen Verstoß gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör sieht, ist diese Rüge aus den zu § 153 Abs 4 S 1 SGG dargelegten Gründen ebenfalls nicht hinreichend dargetan. Unabhängig davon soll dieser Anspruch ua sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in die Erwägungen mit einbezogen werden. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nur, die Darlegungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216). Solche Gründe gehen aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Der Einwand des Klägers, er habe in einer mündlichen Verhandlung noch einmal die bereits von seiner Anwältin schriftsätzlich vorgetragenen aus seiner Sicht maßgeblichen tatsächlichen Umständen seiner selbstständigen Tätigkeit erläutern wollen, genügt dafür nicht.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13397712 |