Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Januar 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der am 25.5.1946 geborene Kläger begehrt eine Witwerrente aus der Versicherung der am 16.2.1960 geborenen und am 29.10.2019 verstorbenen C (im Folgenden: Versicherte), mit der er nicht verheiratet war. Die beiden haben drei gemeinsame Kinder großgezogen und lebten nach Mitteilung des Klägers, der nach eigenen Angaben die deutsche und die französische Staatsangehörigkeit besitzt, seit 1981 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in Deutschland zusammen.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab (Bescheid vom 27.1.2020; Widerspruchsbescheid vom 8.5.2020). Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 27.8.2020; Urteil des LSG vom 26.1.2022). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, § 46 SGB VI stelle auf ein formales Rechtsverhältnis (Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft) ab und sei nicht erweiterbar. Das BVerfG habe die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bestätigt und auch der EuGH habe in Bezug auf die Beamtenversorgung der EU eine faktische Lebensgemeinschaft als insoweit mit der Ehe nicht vergleichbar angesehen. Aus dem französischen Institut des zivilen Solidarpakts (pacte civil de solidarité - PACS) könne der Kläger keine Ansprüche aus der deutschen Rentenversicherung herleiten, zumal nach eigenen Angaben für ihn und die Versicherte kein solcher Pakt nach französischem Recht eingetragen worden sei.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 28.4.2022 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet wird. Sie ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen.
a) Der Kläger legt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dar. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund gestützt, muss in der Beschwerdebegründung dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Die Beschwerdebegründung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Ihr lassen sich folgende Rechtsfragen entnehmen:
"Verstößt es gegen den Artikel 6 Abs. 1 GG (bzw für den EuGH: gegen Europarecht), wenn bei der Auslegung des Begriffs des Witwers nach § 46 SGB VI ausschließlich die will (sic!) rechtlich geschlossene Ehe abgestellt wird und nicht auch die partnervergleichbare nichteheliche Lebensgemeinschaften erfasst sind (insbesondere im Rahmen eines PACS)?"
"Verstößt es gegen den besonderen Schutz für Familie und Eltern nach Artikel 6 Abs. 1 und 2 GG (bzw. für den EuGH: gegen Europarecht), wenn bei der Auslegung des Witwerbegriffs nach § 46 SGB VI die Partner nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften ausgenommen sind (insbesondere im Rahmen eines PACS)?"
"Verstößt es gegen den Artikel 6 Abs. 5 GG (Gleichstellung nicht-ehelicher Kinder)(bzw. für den EuGH: gegen Europarecht), wenn bei der Auslegung des § 46 SGB VI die Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften nicht als Witwer und leistungsberechtigt angesehen werden (insbesondere im Rahmen eines PACS)?"
"Verstößt es gegen die allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 GG (bzw. für den EuGH: gegen Europarecht), wenn bei der Auslegung des § 46 SGB VI im Hinblick auf den Witwenbegriff ausschließlich auf die zivilrechtlich wirksame Ehe abgestellt wird und die Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft keinen Anspruch auf nach dem (sic!) § 46 SGB VI haben (insbesondere im Rahmen eines PACS)?"
"Verstößt es gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Artikel 3 Abs. 1 GG (bzw. für den EuGH: gegen Europarecht), wenn bei der Auslegung des § 46 SGB VI auf das Vorliegen eines formalen Rechtsverhältnisses (zivilrechtliche Ehe bzw eingetragene Lebenspartnerschaft) abgestellt wird und nicht-eheliche Lebenspartner hiervon ausgenommen sind (insbesondere im Rahmen eines PACS)?"
Der Kläger legt jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht anforderungsgerecht dar.
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist (BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Wie der Kläger einräumt, hat das BVerfG es verfassungsrechtlich nicht beanstandet, dass nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nur die Überlebenden einer zivilrechtlich geschlossenen Ehe eine Hinterbliebenenversorgung nach § 46 SGB VI beanspruchen können und nach der gesetzgeberischen Konzeption überlebende nichteheliche Lebensgefährten nicht in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen werden (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 17.11.2010 - 1 BvR 1883/10 - juris RdNr 8 ff). Vor diesem Hintergrund kommt allenfalls eine erneute Klärungsbedürftigkeit der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen in Betracht. Aber auch eine solche wird in der Beschwerdebegründung nicht anforderungsgerecht dargetan (vgl zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen zB BSG Beschluss vom 2.8.2018 - B 10 ÜG 7/18 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 20.10.2020 - B 13 R 95/20 B - juris RdNr 12 mwN).
Der Kläger bringt vor, der Beschluss vom 17.11.2010 sei "nicht sehr ausführlich begründet" und das BVerfG gehe darin weder ausdrücklich auf den allgemeinen Gleichheitssatz ein noch auf die allgemeine Handlungsfreiheit oder den europarechtlichen Bezug. Damit benennt der Kläger keine Auffassungen im Schrifttum oder der instanzgerichtlichen Rechtsprechung, die der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit gewichtigen Einwendungen entgegengetreten sind. Mit seiner pauschalen Kritik zeigt er auch nicht schlüssig Gesichtspunkte auf, die in der zum Thema ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht berücksichtigt worden sein könnten. Der Kläger kann den gebotenen Vortrag zur erneuten Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen zu § 46 SGB VI nicht durch den Hinweis ersetzen, rechtspolitisch sei die Einführung einer sog Verantwortungsgemeinschaft mit Einstandspflichten geplant.
Mit seinen Ausführungen, warum nach seinem Dafürhalten der Begriff "Witwer" in § 46 SGB VI erweiternd auszulegen sei, stellt der Kläger lediglich seine Rechtsauffassung vor. Das gilt insbesondere für sein Vorbringen, bei Auslegung des § 46 SGB VI sei Art 6 Abs 1 GG zu berücksichtigen, der keine Benachteiligung anderer Lebenspartnerschaften gegenüber der Ehe gebiete; die Beschränkung der Hinterbliebenenrente auf mit dem Versicherten verheiratete Partner stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar und sei eine nicht länger angemessene Ungleichbehandlung von Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gegenüber Ehepartnern, denn auch erstere seien eine langfristige Beziehung mit wechselseitigen Einstandspflichten eingegangen; schließlich sei eine Gleichbehandlung beider Lebensformen "aufgrund des europarechtlichen Bezugs" und des "allgemeinen sozialrechtlichen Gerechtigkeitsgedankens" geboten.
b) Ebenso wenig bezeichnet der Kläger den geltend gemachten Verfahrensmangel anforderungsgerecht. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger rügt einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG), indem das LSG keine Vorabentscheidung des EuGH nach Art 267 Abs 1 Buchst a AEUV herbeigeführt hat. Eine Vorlageverpflichtung trifft nur Gerichte, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können (Art 267 Abs 3 AEUV), während ein anderes einzelstaatliches Gericht vorlegen "kann" (Art 267 Abs 2 AEUV). Zu den Rechtsmitteln iS des Art 267 Satz 3 AEUV zählt auch die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG (vgl zB BSG Beschluss vom 8.4.2020 - B 13 R 125/19 B - juris RdNr 18 mwN). Ein Instanzgericht, das von einer Vorlage an den EuGH absieht, geht daher verfahrensfehlerhaft nur dann vor, wenn es wegen einer Ermessensreduzierung auf Null nicht frei über eine Vorlage an den EuGH entscheiden konnte (vgl hierzu BSG Beschluss vom 25.8.2004 - B 10 KG 3/03 B - juris RdNr 7 mwN). Die Beschwerde zeigt schon nicht auf, inwiefern sich das Ermessen des LSG im zugrunde liegenden Rechtsstreit auf Null reduziert haben könnte. Der Kläger trägt hierzu nichts vor. Sein allgemeines Vorbringen zur Vorlageberechtigung und der Hinweis, der EuGH habe Vorlagenbeschlüsse "nur selten" als unzulässig erachtet, genügen insoweit nicht.
Ungeachtet dessen legt der Kläger nicht ausreichend dar, welche konkreten Fragen über die Auslegung oder die Gültigkeit welcher unionsrechtlichen Norm sich ausgehend von der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich gestellt hätten. Sein pauschal geltend gemachter Verstoß "gegen Europarecht", wie er in den bereits aufgeführten Fragen formuliert ist, genügt nicht. Der Kläger formuliert zwar als zusätzliche Fragen:
"Wurde der Anspruch auf den gesetzlichen Richter dadurch verletzt, dass das Landessozialgericht Bayern (sic!) die Erforderlichkeit der Vorlage nach Artikel 267 AEUV verkannt hat und dadurch nicht geprüft wurde, inwieweit dem Kläger, der auch die französische Staatsbürgerschaft hat, auch in Deutschland eine zumindest dem französischen PAX (sic!) entsprechende Hinterbliebenenversorgung zusteht?"
"Wurde der Anspruch auf den gesetzlichen Richter dadurch verletzt, das das Landessozialgericht Bayern (sic!) die Frage, ob auch Deutschland gegen EU Grundfreiheit (sic!) verstößt, indem es keine Mindesthinterbliebenenversorgung für die Partner von nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften geschaffen hat, nicht vorgelegt hat?"
Der Kläger zeigt aber auch damit nicht hinreichend auf, welche unionsrechtliche Norm von der vom LSG gebilligten Auslegung des § 46 SGB VI berührt sein könnte. Soweit er einen Verstoß "insbesondere gegen Art 21 der EU-Grundrechtscharta" nennt, legt der Kläger schon nicht dar, inwiefern hier die Durchführung von Unionsrecht betroffen und damit der Anwendungsbereich der GRCh eröffnet wäre (vgl Art 51 Abs 1 Satz 1 GRCh). Darüber hinaus ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht, unter welchem Gesichtspunkt die Auslegung von Art 21 GRCh für das LSG entscheidungserheblich gewesen sein könnte. Hierzu hätte es einer näheren Auseinandersetzung mit den Ausführungen im Berufungsurteil bedurft, wonach es nicht darauf ankomme, ob aus dem Institut des PACS ein europarechtlich begründeter Gleichbehandlungsanspruch auf Zahlung einer Hinterbliebenenversorgung aus der deutschen Rentenversicherung abzuleiten sei, weil der Kläger nach seiner eigenen Einlassung keine solche Vereinbarung eingegangen sei. Hierauf geht der Kläger nicht genügend ein. Mit seinem Vorbringen, das LSG habe verkannt, dass zwischen ihm und der Versicherten auch ohne formalen Abschluss ein im Einzelfall anzuerkennender PACS bestanden habe, rügt er lediglich eine inhaltlich unrichtige Entscheidung des LSG. Damit kann eine Revisionszulassung nicht erreicht werden (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 24.3.2021 - B 13 R 14/20 B - juris RdNr 13 mwN).
Im Übrigen weist der Kläger selbst auf die Rechtsprechung des EuGH hin, wonach faktische Lebensgemeinschaften und rechtlich begründete Lebensgemeinschaften wie die Ehe zwar unter bestimmten Aspekten Ähnlichkeiten aufweisen können, diese aber nicht zwingend zu einer Gleichstellung diesen beiden Arten von Lebensgemeinschaften führen müssen (vgl EuGH ≪1. Kammer≫ Urteil vom 19.12.2019 - C-460/18 P - juris RdNr 72 mwN).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Düring Hahn Hannes
Fundstellen
Dokument-Index HI15390292 |