Verfahrensgang
SG Osnabrück (Entscheidung vom 24.11.2016; Aktenzeichen S 4 SO 259/14) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 21.05.2021; Aktenzeichen L 8 SO 370/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 21. Mai 2021 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der beim beklagten Sozialhilfeträger gestellte Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII wurde zunächst wegen nicht vorliegender bzw nicht feststellbarer Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 5.9.2014; Widerspruchsbescheid vom 12.11.2014) und während der hiergegen erhobenen Klage nochmals wegen fehlender Mitwirkung bzw Unaufklärbarkeit des Sachverhalts abgelehnt (Bescheid vom 3.9.2015). Die Klage ist erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ Osnabrück vom 24.11.2016; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Niedersachsen-Bremen vom 21.5.2021). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, es lasse sich nicht feststellen, ob der Kläger seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten könne. Er habe jahrelang keine oder unzureichende Angaben über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemacht. Hilfebedürftigkeit ergebe sich auch nicht aus einem ihm in einem Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung erteilenden Beschluss des Amtsgerichts (AG) Münster im Jahr 2016. Nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten trage der Kläger die materielle Beweislast für das Bestehen seiner Hilfebedürftigkeit und deren Umfang.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache sowie sinngemäß einen Verfahrensfehler geltend. Der Rechtsstreit werfe im Kontext der Armutsbekämpfung die Frage auf, welche Anforderungen an Mitwirkungspflichten konkret gestellt werden könnten. Außerdem habe es das LSG im Rahmen der Amtsermittlung unterlassen, die Akten des AG beizuziehen. Das LSG habe in seiner Urteilsbegründung die für oder gegen das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit sprechenden Indizien unrichtig gewichtet und rechtsirrig festgestellt, dass sich Hilfebedürftigkeit nicht feststellen lasse.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) noch ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger formuliert schon keine konkrete Rechtsfrage. Die Konkretisierung einer Rechtsfrage im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erfordert regelmäßig, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann, was zwar nicht ausschließt, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt; die Beantwortung dieser nur allgemein gehaltenen Frage würde allerdings eine kommentar- oder lehrbuchartige Aufbereitung durch den Senat verlangen, was gerade nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein kann (vgl nur BSG vom 1.3.2018 - B 8 SO 104/17 B - juris RdNr 8; BSG vom 25.6.2020 - B 8 SO 36/20 B - juris RdNr 6). Im Übrigen fehlt es an einer hinreichenden den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Darlegung der abstrakten Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl nur BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 8; BSG vom 30.7.2019 - B 2 U 239/18 B - juris RdNr 4). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Urteile die aufgeworfenen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht beantwortet werden können. Hieran fehlt es. Der Kläger hat sich mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Mitwirkungspflichten im Bereich existenzsichernder Leistungen (vgl dazu etwa BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr 3, RdNr 13 ff, 16; BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - BSGE 113, 184 = SozR 4-1300 § 45 Nr 13, RdNr 23; zu legitimen Zwecken von Mitwirkungspflichten auch im Bereich existenzsichernder Leistungen vgl Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68 = NZS 2020, 13, RdNr 139) nicht ansatzweise auseinandergesetzt.
Der Kläger hat auch einen Verfahrensfehler des LSG nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann aber nicht - wie dies der Kläger vorliegend in Bezug auf die Beweiswürdigung des LSG unternimmt - auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden.
Soweit der Kläger sinngemäß eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) rügt, kann ein Verfahrensmangels hierauf nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels in diesem Sinne gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter - wie hier der Kläger - einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B - RdNr 10; BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN) oder einen im schriftlichen Verfahren gestellten Beweisantrag aufrechterhalten hat (BSG vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG vom 18.2.2003 - B 11 AL 273/02 B - juris RdNr 3). Hieran fehlt es. Der Kläger bezeichnet schon keinen Beweisantrag, den er gestellt und aufrechterhalten hat. Er trägt - ohne im Übrigen die Entscheidungserheblichkeit hierzu nachvollziehbar aufzuzeigen - nur vor, das LSG habe die Beiziehung weiterer Gerichtsakten unterlassen.
Die vom Kläger im Übrigen behauptete fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG führt nicht zur Zulassung der Revision (vgl BSG vom 9.1.2020 - B 8 SO 55/19 B; BSG vom 26.9.2017 - B 14 AS 177/17 B - mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14902323 |