Verfahrensgang

SG Osnabrück (Entscheidung vom 10.04.2020; Aktenzeichen S 3 KR 28/19)

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 13.01.2021; Aktenzeichen L 4 KR 239/20)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. Januar 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 13.1.2021 den Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung für ein von ihr angeschafftes Dreirad-Pedelec verneint. Ein Kostenerstattungsanspruch bestehe weder nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 und 2 SGB V oder aufgrund einer Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs 3a SGB V noch nach § 18 Abs 6 SGB IX. Diese Kostenerstattungsregelungen setzten voraus, dass der sog Beschaffungsweg, die Möglichkeit der Überprüfung des Leistungsanspruchs vor der Beschaffung durch die Krankenkasse, eingehalten werde, was die Klägerin hier nicht befolgt habe.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und beruft sich auf das Vorliegen aller Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin keinen der in § 160 Abs 2 SGG aufgeführten Zulassungsgründe den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dargetan hat. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Solche Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG aufgezeigt. Eine allgemeine Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung des LSG erfolgt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht (stRspr; vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Klägerin meint, der Rechtssache komme aus folgenden Gründen grundsätzliche Bedeutung zu:

"Das LSG verkennt in entscheidungserheblicher Weise die aus dem Grundgedanken des § 1 SGB I erwachsende Verpflichtung der sozialhilferechtlichen Entscheidungsträger, dem Anspruchsteller bei der Formulierung seines Antrages die gebotene Hilfe zu leisten."

"Wie genau aber gerichtlich auf die Missachtung der durch § 1 SGB I für das gesamte Sozialrecht formulierte und durch die weiteren Bücher immer wieder den zuständigen Stellen gestellten Aufgabe zu reagieren ist, regelt das Gesetz nicht, ist auch höchstrichterlich bisher nicht entschieden."

Mit diesem Vortrag hat die Klägerin weder eine klärungsbedürftige noch eine klärungsfähige grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage dargelegt. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

Soweit den zitierten Ausführungen überhaupt eine Fragestellung zu entnehmen ist, wird nicht deutlich, aus welchem Grund diese im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich werden könnte. Das liegt zum einen daran, dass die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung schon nicht den vom LSG festgestellten, entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzeigt. Im Übrigen aber erfordert eine Rechtsfrage regelmäßig, dass sie mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; das schließt nicht aus, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt. Unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängt und lediglich auf diesen bezogen ist. Ebenso wenig geht es darum, im angestrebten Revisionsverfahren aufgeworfene Fragen gutachterlich zu beantworten (vgl nur BSG Beschlüsse vom 14.10.2019 - B 1 KR 85/18 B - juris RdNr 6; vom 19.6.2018 - B 1 KR 87/17 B - juris RdNr 6).

2. Die Klägerin hat auch keine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG aufgezeigt. Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (stRspr; vgl nur BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17).

Die Klägerin führt aus, wenn das Berufungsgericht nur am Rande erwähne, dass auch die sozialmedizinischen Voraussetzungen für eine Leistungserbringung nicht erfüllt seien, widerspreche es der Rechtsprechung des BSG, wonach die Versorgung mit einem Dreirad dann notwendig sei, wenn es zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung diene (Hinweis auf BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 32). Diese medizinische Indikation sei der Klägerin gestellt worden. Nach diesen Darlegungen ist bereits nicht nachvollziehbar, welchen abstrakten divergierenden Rechtssatz das Berufungsgericht in seinem Urteil aufgestellt haben soll. Mit ihrem Vortrag trägt die Klägerin lediglich vor, dass sie die angefochtene Entscheidung für unzutreffend hält. Nichts anderes gilt auch für den Vortrag, dass "die Instanzgerichte" vom Urteil des BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 9/18 R - (BSGE 130, 200 = SozR 4-2500 § 13 Nr 53) abgewichen seien. Diesen Ausführungen ist kein gesetzlicher Zulassungsgrund für die Revision zu entnehmen.

3. Schließlich hat die Klägerin auch keinen Verfahrensfehler hinreichend aufgezeigt. Hierzu beruft sie sich auf einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, dem die Instanzgerichte aufgrund ihrer Ablehnung bereits mangels eingehaltenen Beschaffungswegs nicht gefolgt seien. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein geltend gemachter Verfahrensmangel auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr; vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Nur dann hat ein Beweisantrag seine Warnfunktion dahingehend erfüllt, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) als noch nicht erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52). Wird ein Rechtsstreit - wie hier - ohne mündliche Verhandlung entschieden, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG(BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4 f) . Ausführungen dazu fehlen aber in der Beschwerdebegründung.

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15052503

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