Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 02.07.2020; Aktenzeichen S 33 AS 185/17)

Hessisches LSG (Urteil vom 18.06.2021; Aktenzeichen L 7 AS 417/20)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Juni 2021 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die allein als Zulassungsgrund geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger macht zum einen geltend, dass das LSG in seiner Abwesenheit verhandelt und entschieden habe, obwohl er dem LSG zuvor mitgeteilt habe, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Verhandlung werde teilnehmen können. Der Kläger sieht hierin und in dem Umstand, dass das LSG den Termin nicht verlegt habe, sowohl einen Verstoß gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) als auch gegen seinen (behaupteten) Anspruch auf Terminsaufhebung aus § 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO. Um insofern einen Verfahrensmangel schlüssig zu bezeichnen, bedürfte es aber unter anderem des Vortrages, dass der - im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertretene - Kläger zumindest sinngemäß einen Verlegungsantrag gestellt hat, denn der Beteiligte muss seinerseits alles getan haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - juris RdNr 7; BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 36/13 B - juris RdNr 5 mwN). Dem Vorbringen des Beteiligten muss sich dessen Wille entnehmen lassen, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen (BSG vom 6.10.2011 - B 9 SB 23/11 B - juris RdNr 6; BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 36/13 B - juris RdNr 5; BSG vom 20.1.2021 - B 1 KR 15/20 R - juris RdNr 121). Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, legt die Beschwerdebegründung nicht dar. Der Hinweis auf die bloße Mitteilung, aus gesundheitlichen Gründen an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen zu können, reicht nicht aus, weil sich ihr nicht entnehmen lässt, dass der Beteiligte an der mündlichen Verhandlung teilnehmen möchte und daher eine Verlegung des Termins begehrt. Im Gegenteil hat der Kläger in seinem Schreiben an das LSG ausdrücklich gebeten, seine Abwesenheit zu entschuldigen. Dies durfte das LSG als Einverständnis mit einer Verhandlung und Entscheidung in seiner Abwesenheit verstehen. Da der Kläger mithin bereits nicht schlüssig einen Terminsverlegungsantrag bezeichnet hat, geht auch seine Rüge, das LSG habe über diesen Antrag zu Unrecht nicht entschieden, ins Leere.

Soweit der Kläger in der Verhandlung in seiner Abwesenheit zugleich einen Verstoß gegen § 124 Abs 1 SGG sieht, ist ein Verfahrensmangel schon deswegen nicht aufzeigt, weil das LSG ja gerade aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden hat. Für die Frage, ob ein Gericht in Abwesenheit eines Beteiligten entscheiden durfte, enthält § 124 Abs 1 SGG keine Gewährleistungen, die über den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG hinausgehen.

Schließlich rügt der Kläger eine Verletzung des § 110a Abs 1 SGG, weil das LSG nicht einmal erwogen habe, im Wege der Bild- und Tonübertragung zu verhandeln. Angesichts des Umstandes, dass die Entscheidung, ob das Gericht den Beteiligten gemäß § 110a Abs 1 SGG gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen, während die Verhandlung zeitlich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen wird, im Ermessen des Gerichts steht (BSG vom 24.6.2021 - B 13 R 163/20 B - juris RdNr 3; BSG vom 29.3.2022 - B 8 SO 1/22 BH - juris RdNr 8), hätte es zumindest der Darlegung bedurft, dass das LSG Veranlassung gehabt hätte, dieses Ermessen auszuüben. Daran fehlt es, weil auch insofern der Vortrag, die eigene Verhinderung dem Gericht mitgeteilt zu haben, nicht ausreicht. Aus der Mitteilung, an der persönlichen Anwesenheit aus gesundheitlichen Gründen verhindert zu sein, kann nicht geschlossen werden, dass eine Videoverhandlung dem Beteiligten möglich und erwünscht ist. Ebenso wie bei der Rüge, dass das Gericht den Termin hätte verlegen müssen, bedarf es auch insoweit der Darstellung, dass der Beteiligte alles aus seiner Sicht Zumutbare unternommen hat, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - juris RdNr 7; BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 36/13 B - juris RdNr 5 mwN). Regelmäßig erforderlich ist daher ein zumindest konkludenter Antrag auf Gestattung nach § 110a Abs 1 SGG. Dies gilt schon deswegen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass jeder Beteiligte die technischen Voraussetzungen für die Durchführung einer Videoverhandlung erfüllt. Dass der Kläger diesen Anforderungen genügt hätte, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.

Meßling                                    Söhngen                                        Burkiczak

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15365082

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge