Verfahrensgang
SG Koblenz (Entscheidung vom 30.07.2020; Aktenzeichen S 1 KR 1271/19) |
LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 01.02.2021; Aktenzeichen L 5 KR 171/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Februar 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin reduzierte ihr Körpergewicht infolge einer 2009 durchgeführten Schlauchmagenoperation von 168 kg auf 87 kg (bei einer Körpergröße von 173 cm) mit sich daraus ergebenden Hautüberschüssen an Bauch, Oberschenkeln, Oberarmen und Brüsten. Sie beantragte erfolglos insoweit Hautstraffungsoperationen einschließlich einer Bruststraffung. Im Widerspruchsverfahren bewilligte die Beklagte die Versorgung mit einer Bauchschürzenoperation (Abdominalplastik) und wies im Übrigen den Widerspruch auf der Grundlage der eingeholten Befunde und Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zurück. Das SG hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG die Klage auf Versorgung mit Straffungsoperationen (beidseitige Oberschenkelrekonstruktion, beidseitige Bruststraffung, beidseitige Oberarmrekonstruktion) abgewiesen. Die Klägerin hat sich diese Leistungen im Berufungsverfahren selbst beschafft. Sie hat dafür nunmehr die Erstattung der dafür aufgewendeten 5072,61 Euro begehrt. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - auch unter Bezugnahme auf die Gründe des SG-Urteils - ua ausgeführt, dass ein Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V ausscheide. Es fehle an einem Sachleistungsanspruch der Klägerin, weil der Anspruch auf eine Hautstraffungsoperation voraussetze, dass bei einem Versicherten nachweislich krankhafte Hauterscheinungen wiederkehrend aufgetreten seien, die sich trotz konservativer fachärztlicher Behandlung als therapieresistent erwiesen hätten. Zwar sei mit dem SG der Annahme des gerichtlichen Sachverständigen zu folgen, dass bei der Klägerin rezidivierende Entzündungen und Reizzustände vorgelegen hätten. Diese habe die Klägerin aber nicht fachärztlich behandeln lassen. Vielmehr habe sich die Klägerin lediglich einmal bei einem Dermatologen vorgestellt. Eine erfolglose Behandlung könne daher nicht angenommen werden. Auch habe keine Entstellung vorgelegen. Der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, wie von der Klägerin in Reaktion auf die Anhörung zur Entscheidung durch Beschluss beantragt, habe es nicht bedurft (Beschluss vom 1.2.2021).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels (dazu 1.) und der Divergenz (dazu 2.).
1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.
Die Rüge der Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) erfordert, dass in der Beschwerdebegründung ein für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbarer, bis zuletzt aufrechterhaltener oder im Urteil bzw im das Urteil ersetzenden Beschluss (§ 153 Abs 4 SGG) wiedergegebener Beweisantrag bezeichnet wird, dem das LSG nicht gefolgt ist, dass die Rechtsauffassung des LSG wiedergegeben wird, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, dass die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufgezeigt werden, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, dass das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angegeben und dass erläutert wird, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr; vgl zB BSG vom 16.5.2019 - B 13 R 222/18 B - juris RdNr 12 mwN). Diese Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin rügt, dass das LSG dem von ihr bezeichneten Beweisantrag, "im Rahmen der Amtsermittlung ein weiteres medizinisches Gutachten zur Frage der medizinischen Notwendigkeit der Operationen einzuholen", ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Insoweit bezeichnet sie zwar einen Beweisantrag, den sie in Reaktion auf die Anhörung zur Absicht des LSG, durch Beschluss die Berufung zurückzuweisen, gestellt und aufrechterhalten hat (vgl zu dieser Voraussetzung bei Entscheidungen nach § 153 Abs 4 SGG statt vieler BSG vom 9.3.2016 - B 1 KR 6/16 B - juris). Sie legt jedoch nicht in der gebotenen Weise dar, dass das LSG sich nach seiner eigenen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung hätte gedrängt fühlen müssen, die medizinische Notwendigkeit der selbst beschafften Operation weiter aufzuklären (vgl hierzu BSG vom 17.9.2019 - B 1 KR 63/18 B - juris RdNr 7 mwN). Insbesondere setzt sich die Klägerin nicht mit der entscheidungstragenden Rechtsauffassung des LSG hinreichend auseinander: "Die für eine Operationsindikation im Sinne der ultima ratio rechtlich notwendige Voraussetzung, dass sich die fraglichen Hauterscheinungen trotz konservativer fachärztlicher Behandlung als therapieresistent darstellen (…)." Diese Voraussetzung erfülle die Klägerin nicht. Die Klägerin habe vor Durchführung der Hautstraffungsoperationen lediglich einmal einen Dermatologen zur Ausstellung eines Attestes aufgesucht. Dieser habe sich nur zur Fettschürze geäußert (deren operative Entfernung die Beklagte mit ihrer Abhilfeentscheidung als Kassenleistung übernommen hat). Die Klägerin führt nicht schlüssig aus, weshalb sich das LSG aufgrund seiner Rechtsauffassung gleichwohl veranlasst sehen musste, die Frage der medizinischen Notwendigkeit einer operativen Hautstraffung weiter aufzuklären. Soweit sie in diesem Zusammenhang vorbringt, das LSG habe sich eine eigene ärztliche Sachkompetenz angemaßt, legt sie nicht dar, warum die Richtigkeit einer Rechtsauffassung Gegenstand eines medizinischen Sachverständigengutachtens sein kann.
2. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil bzw im das Urteil ersetzenden Beschluss (§ 153 Abs 4 SGG) des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6; BSG vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG ≪Dreierausschuss≫ vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat; dies hat der Beschwerdeführer schlüssig darzulegen (vgl zB BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 72/18 B - juris RdNr 8). Daran fehlt es.
Die Klägerin führt aus, das LSG habe in Widerspruch zu Urteilen des BSG, insbesondere jenem vom 28.2.2008 (B 1 KR 19/07 R - BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 14), entschieden. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin zumindest mit der zitierten Fundstelle inzident einen Rechtssatz des BSG formuliert hat. Sie bezeichnet jedenfalls keinen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung des LSG, der dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspricht.
Die in Bezug genommenen Gründe in RdNr 14 des Urteils des erkennenden Senats vom 28.2.2008 befassen sich mit dem Begriff der Entstellung als Voraussetzung für einen chirurgischen Eingriff zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Klägerin geht nicht darauf ein, dass das LSG durch seine uneingeschränkte, umfassende Bezugnahme auf die Gründe des SG-Urteils sich die dort wiedergegebenen Ausführungen des BSG zu eigen gemacht hat, wie sie sich gerade aus der zitierten RdNr 14 ergeben: Die körperliche Auffälligkeit müsse in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar mache und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führe.
Die Klägerin macht lediglich geltend, sie habe nach dem gerichtlichen Sachverständigengutachten an einer operationsbedürftigen Krankheit gelitten. Im Kern rügt die Klägerin damit nur eine - behauptete - fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LSG. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (stRspr; vgl BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 31.10.2012 - B 13 R 107/12 B - SozR 4-2600 § 43 Nr 19 RdNr 21).
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14813499 |