Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Divergenz. Verfahrensfehler. Widerspruch im Grundsätzlichen. Beweisantrag. Sachverhaltsaufklärung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bezeichnung einer Divergenz muss erkennen lassen, dass das LSG dem BSG im Grundsätzlichen widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, d.h. mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
2. Prüfungsmaßstab dafür, ob das LSG dem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist, ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG.
Normenkette
SGG §§ 103, 109, 128 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, § 169 Sätze 2-3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 20. Mai 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG hat den vom Kläger verfolgten Anspruch auf Gewährung von Krankengeld ab 9.12.2016 aufgrund ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit ab 8.12.2016 - wie zuvor das SG und unter Bezugnahme auf dessen Entscheidungsgründe - verneint: Der Kläger sei jedenfalls bereits am 5.12.2016 und damit schon zu Beginn des an diesem Tag neu aufgenommenen Beschäftigungsverhältnisses arbeitsunfähig gewesen, was einen Krankengeldanspruch ausschließe.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Er macht eine Abweichung des LSG vom BSG und einen Verfahrensmangel geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 SGG).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Diese vorliegend geltend gemachten Zulassungsgründe hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welchem genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz die angefochtene Entscheidung des LSG von welchem ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz des BSG im Grundsätzlichen abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG im Grundsätzlichen widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl zB BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap, RdNr 300 ff mwN).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil Rechtssätze des LSG, mit denen es eigene abweichende rechtliche Maßstäbe entwickelt hat, nicht bezeichnet werden. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich insoweit darauf, eine Nichtbeachtung von BSG-Rechtsprechung durch das LSG geltend zu machen.
2. Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels erfordert, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Die vom Kläger als Verfahrensmangel des LSG gerügte unterlassene Einholung des von ihm beantragten Sachverständigengutachtens nach § 103 SGG genügt den Anforderungen an die schlüssige Bezeichnung des Mangels nicht. Prüfungsmaßstab dafür, ob das LSG dem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist, ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl dazu und den hieraus folgenden Begründungsanforderungen nur BSG vom 13.10.2021 - B 3 KR 7/21 B - juris RdNr 3 ff). Dass und warum das LSG ausgehend von seiner Überzeugungsbildung zur Arbeitsunfähigkeit bereits am 5.12.2016 und seiner hierauf gestützten Rechtsauffassung eines fehlenden Krankengeldanspruchs sich zur vom Kläger beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen, ist der Beschwerdebegründung indes nicht hinreichend konkret zu entnehmen. Der Kläger stellt im Schwerpunkt nur seine Sichtweise einer Arbeitsunfähigkeit erst am 8.12.2016 dar und hält diese der Rechtsauffassung des LSG zum fehlenden Krankengeldanspruch entgegen. Zudem wendet sich die Beschwerdebegründung letztlich gegen die Beweiswürdigung des LSG (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Hierauf kann jedoch eine Verfahrensrüge nicht zulässig gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
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Fundstellen
Dokument-Index HI15516008 |