Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 25.08.2022; Aktenzeichen L 8 KR 351/20)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.08.2020; Aktenzeichen S 14 KR 1047/17)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Mit vorbezeichnetem Urteil hat das Hessische LSG die Berufung der Klägerin betreffend die Weitergewährung von Krankengeld über den 25.7.2017 hinaus zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt und macht Verfahrensfehler sowie eine Divergenz geltend.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie den behaupteten Verfahrensmangel sowie eine Divergenz nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Wer seine Nichtzulassungsbeschwerde darauf stützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), muss bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert darlegen. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Klägerin rügt einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG). Eine solche Sachaufklärungsrüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das Berufungsgericht mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl nur BSG vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5 mwN).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin rügt, das LSG habe - wie zuletzt mit Schriftsatz vom 14.10.2020 beantragt - ihren behandelnden Arzt als Zeugen dazu vernehmen müssen, dass er "bereits am 28.6.2017 (eine) zweite AU-Feststellung getroffen und eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt" habe, die das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit auf den 28.7.2017 bestimmt habe und "der Klägerin an diesem Tag nur versehentlich nicht bzw. versehentlich nur eine (fälschlicherweise) zu kurz ausgestellte Bescheinigung mitgegeben worden" sei. Diesem Vorbringen lässt sich nicht hinreichend entnehmen, dass sich das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Angesichts des Vortrags der Klägerin, dass ihr eine "irrtümlich und fehlerhaft AU nur bis zum 25.07.2017 nachweisende Bescheinigung ausgehändigt" worden sei, hätte sie darlegen müssen, mit welcher rechtlichen und tatsächlichen Begründung das Berufungsgericht von einer weiteren Beweisaufnahme abgesehen hat, zumal der Senat in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass grundsätzlich der Versicherte im Sinne einer Obliegenheit dafür Sorge zu tragen hat, dass eine rechtzeitige ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Feststellung erfolgt (vgl letztens BSG vom 7.4.2022 - B 3 KR 16/20 R - juris RdNr 14 mwN).

Auch den von ihr geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz hat die Klägerin nicht schlüssig bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welchem genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz die angefochtene Entscheidung des LSG von welchem ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz des BSG im Grundsätzlichen abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG im Grundsätzlichen widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl zB BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap, RdNr 300 ff mwN).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil sich aus ihr nicht ergibt, dass das LSG dem BSG widersprochen und von Rechtssätzen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Klägerin entnimmt dem Urteil des Senats vom 8.8.2019 (B 3 KR 18/18 R) die Aussage, dass kein Ruhen des Krankengeldanspruchs eintritt, wenn eine Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung durch den Vertragsarzt nicht an den Versicherten ausgehändigt wird, und meint, ein solcher Fall liege auch hier vor. In ihrer weiteren Begründung stellt sie jedoch keinen vom LSG formulierten Rechtssatz hervor, mit dem das Berufungsgericht diesem vom BSG aufgestellten Rechtssatz im Grundsätzlichen widersprochen hat. Ob das LSG die Rechtsprechung des BSG im Einzelfall des Klägers zutreffend nicht für anwendbar gehalten hat, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vom BSG nicht zu überprüfen.

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

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Fundstellen

Dokument-Index HI15744992

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