Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückweisung der Berufung durch Beschluß. rechtliches Gehör. mündliche Verhandlung

 

Orientierungssatz

Die Regelung des § 153 Abs 4 S 1 SGG an sich verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.

Art 103 Abs 1 GG und § 62 SGG geben keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung.

Soweit eine mündliche Verhandlung in erster Instanz stattgefunden hat, ist Art 6 Abs 1 MRK nicht verletzt.

 

Normenkette

SGG § 153 Abs 4 S 1, § 62; GG Art 103 Abs 1; EMRK Art 6 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 01.03.1994; Aktenzeichen L 7 Vs 2162/92)

 

Gründe

Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten gesetzlichen Form. Sie war deshalb entsprechend den §§ 169, 193 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Beschwerde weist zwar auf einen Zulassungsgrund hin, der in § 160 Abs 2 SGG aufgeführt ist. Es wird behauptet, der angegriffene Beschluß beruhe auf einem Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Der behauptete Grund ist aber nicht so dargelegt und bezeichnet, wie dies § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt. Zulassungsgründe müssen schlüssig dargetan sein. Eine vorschriftsmäßig begründete Verfahrensrüge liegt nur dann vor, wenn die sie begründenden Tatsachen im einzelnen genau angegeben sind und in sich verständlich den behaupteten Verfahrensfehler ergeben (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14).

Soweit der Kläger einen Verstoß gegen § 103 SGG rügt, weil das Landessozialgericht (LSG) ohne hinreichende Begründung seinem Antrag nicht gefolgt sei, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen, legt er nicht dar, weshalb das LSG sich zu weiterer Beweisaufnahme hätte gedrängt fühlen müssen. Auf psychiatrischem Gebiet war bereits in erster Instanz Beweis erhoben worden. Darauf hat sich das LSG gestützt. Der als Sachverständiger vom Sozialgericht (SG) gehörte Internist und Psychotherapeut Dr. R., bei dem der Kläger vom 30. August bis zum 13. Dezember 1990 in Behandlung gewesen ist, hat die von ihm diagnostizierte angstneurotische Reaktion nach Herzinfarkt nicht mit einer meßbaren Behinderung bewertet.

Soweit der Kläger einen Verstoß gegen § 103 SGG deshalb rügt, weil das LSG den Sachverständigen Prof. Dr. S. nicht ergänzend zu seinem schriftlichen Gutachten gehört hat, fehlt es an einem darauf gerichteten Antrag des Klägers, dem das LSG ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt wäre. Der Kläger hat angegeben, einen Beweisantrag im Schriftsatz vom 8. Februar 1993 gestellt zu haben. Er hat diesen Antrag aber nicht aufrechterhalten, nachdem das LSG eine ergänzende schriftliche Auskunft von Prof. Dr. S. eingeholt, dem Kläger zur Kenntnis gegeben und dann mit Schreiben vom 16. November 1993 mitgeteilt hatte, es werde möglicherweise nach § 153 Abs 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß entscheiden. Der Kläger hat der angekündigten Verfahrensweise widersprochen, aber lediglich beantragt, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen. Er hätte dem LSG, das ersichtlich Prof. Dr. S. nicht zu hören beabsichtigte, deutlich machen müssen, daß er seinen Antrag auf ergänzende Anhörung des Sachverständigen in einem Termin zur mündlichen Verhandlung trotz der ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen weiterverfolgen wollte. Nur dann wäre zu prüfen, ob ein hinreichender Grund vorlag, diese Anhörung zu unterlassen.

Der Kläger hat auch nicht ausreichend dargelegt, wodurch sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sein könnte. Er trägt lediglich vor, er habe dem LSG seine körperlichen Beschwerden in einer mündlichen Verhandlung persönlich schildern wollen. Daran sei er durch das Beschlußverfahren gehindert worden. Der Kläger hat aber keine Umstände genannt, aus denen sich ergeben könnte, daß das LSG ermessensfehlerhaft von der Möglichkeit des § 153 Abs 4 Satz 1 SGG Gebrauch gemacht hat. Die Regelung an sich verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht. Art 103 Abs 1 Grundgesetz, § 62 SGG geben keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung. Rechtliches Gehör erhält auch, wer Gelegenheit hat, sich schriftlich zu äußern. Die in Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte garantierte mündliche Verhandlung hat hier in erster Instanz vor dem SG stattgefunden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657143

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