Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Vergleichsgruppe. Verfeinerung. Allgemeinarzt. Röntgenleistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung kann ein Vergleich des betroffenen Arztes mit einer nur aus wenigen Ärzten bestehenden Vergleichsgruppe jeweils mit dem Hinweis auf sehr spezialisierte, nur von einzelnen Ärzten einer größeren Arztgruppe abgerechneten Leistungen gerade unter dem Gesichtspunkt der Verfeinerung der Vergleichsgruppe gebilligt werden.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs. 2 S. 3; SGB V § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 07.11.2001; Aktenzeichen L 5 KA 4509/00)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2001 wird verworfen.

Der Kläger hat dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der als Arzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses, mit dem vom Prüfungsausschuss festgesetzte Kürzungen seines vertragsärztlichen Honorars in den Quartalen II/1995 bis IV/1995 wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise aufrechterhalten worden sind. In den streitbefangenen Quartalen überschritt der Kläger den Fachgruppendurchschnitt bei den Sonderleistungen um Werte von mehr als 100 % und bei einzelnen Röntgenleistungen um Werte zwischen 81 und 488 % gegenüber dem nur aus solchen allgemeinmedizinischen Praxen gebildeten Fachgruppendurchschnitt, die Röntgenleistungen erbringen. Klage und Berufung gegen die Kürzungsbescheide, die sich auf 14.098,70 DM im Quartal II/1995, 6.178,80 DM im Quartal III/1995 und 16.910,97 DM im Quartal IV/1995 belaufen, sind erfolglos geblieben.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen geltend (Zulassungsgrund gemäss § 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes.

Für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung ist gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlich, dass in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage in eigener Formulierung klar aufgezeigt sowie dargelegt wird, inwiefern diese Rechtsfrage klärungsbedürftig und in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger hält zunächst für grundsätzlich bedeutsam, ob „eine Vergleichsgruppe auch dann gebildet werden kann, wenn ein Teil der sich darin befindenden Ärzte nicht über die erforderlichen Genehmigungen – etwa zur Röntgen- oder Sonografie – verfügen bzw rechtswidrig abrechnen”. Der Senat lässt offen, ob in dieser Formulierung eine Rechtsfrage bezeichnet ist, die in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Jedenfalls legt die Beschwerdebegründung nicht dar, dass sie im konkreten Fall klärungsfähig ist. Dies wäre allenfalls der Fall, wenn feststünde, dass in die Ermittlung der durchschnittlichen Fallkosten der Vergleichsgruppe der Ärzte für Allgemeinmedizin in erheblichem Umfang Abrechnungen für solche Leistungen einbezogen worden sind, die ohne erforderliche Genehmigung erbracht worden sind. Eine derartige Feststellung (vgl § 163 SGG) hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Zur angeblich ungenehmigten Abrechnung von sonografischen Leistungen fehlen jegliche Feststellungen, und hinsichtlich der Genehmigung für radiologische Leistungen zitiert das Berufungsgericht lediglich den Vortrag des Klägers in einem Parallelverfahren, wonach in zwei allgemeinärztlichen Praxen ohne notwendige Genehmigung die Gebührennummer 5053 EBM-Ä abgerechnet worden sei. Ob und ggf wie viele Leistungen tatsächlich ohne entsprechende Genehmigung abgerechnet worden sind, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, so dass nicht ansatzweise beurteilt werden kann, ob sich ein auf möglicherweise ohne Genehmigung erbrachte und abgerechnete Röntgenleistungen entfallender Anteil der Honorarforderung dieser beiden Praxen überhaupt nennenswert auf den Fallkostenschnitt der Arztgruppe – beschränkt auf Allgemeinärzte, die Röntgenleistungen erbringen – ausgewirkt haben könnte. Von diesem Umstand hätte das BSG im Revisionsverfahren auszugehen, weil der Kläger Verfahrensrügen hinsichtlich der Feststellung des Sachverhalts seitens des Berufungsgerichts nicht erhebt.

Weiterhin hält der Kläger für grundsätzlich bedeutsam, „ob nicht bei substantiierten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abrechnung der Vertragsärzte von Amts wegen und für den gekürzten Arzt nachprüfbar von den Kassenärztlichen Vereinigungen untersucht und nachgewiesen werden muss, dass die Vergleichsärzte rechtmäßig abgerechnet haben”. Auch in diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die so bezeichnete Rechtsfrage einer generellen Klärung im Revisionsverfahren zugänglich wäre. Der Kläger hat jedoch wiederum nicht dargelegt, inwiefern sie in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren einer Klärung zugeführt werden könnte. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung – und nicht, wie der Kläger geltend macht, der beklagte Beschwerdeausschuss – habe die vom Kläger erhobenen Vorwürfe überprüft und als Ergebnis der Überprüfung mitgeteilt, dass die Ärzte der Vergleichsgruppe in dem geprüften Quartal nur im Rahmen der ihnen erteilten Röntgengenehmigung Leistungen erbracht und abgerechnet hätten. Da somit den pauschal gehaltenen Vorwürfen bzw Unterstellungen des Klägers hinsichtlich des Abrechnungsverhaltens anderer Ärzte konkret nachgegangen worden ist, hätte in der Beschwerdebegründung näher dargelegt werden müssen, weshalb begründete Zweifel an der Richtigkeit der Mitteilung der zu 1) beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung bestehen.

Der Kläger macht schließlich geltend, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, „ob eine Vergleichsgruppe von nur 20 Ärzten noch als ausreichend angesehen werden kann, oder nicht in einem solchen Fall ein zwingender Grund vorliegt, der es gebietet, von einer Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten Abstand zu nehmen, zumal wenn – wie hier – nur wenige Praxen die Leistung abrechnen, sodass es zwangsläufig zu überhöhten Leistungen kommt”. Soweit damit überhaupt eine einer generellen, dh von den Umständen des Einzelfalles ablösbaren Klärung zugängliche Rechtsfrage bezeichnet wird, ist ihre Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger setzt sich nicht mit der vorhandenen Rechtsprechung des BSG sowie deren Rezeption durch das wissenschaftliche Schrifttum zur hinreichenden Größe der Vergleichsgruppen allgemein und insbesondere bei spezialisierten, nur von wenigen Ärzten abgerechneten Leistungen auseinander (vgl beispielhaft Senatsurteil vom 28. April 1982 – 6 RKa 7/79 – = USK 82 169 = BKK 1982, 418, 419 sowie Spellbrink, Wirtschaftlichkeitsprüfung im Kassenarztrecht, 1994, RdNr 494 ff; Clemens in Schulin ≪Hrsg≫, Handbuch des Sozialversicherungsrecht, Bd I ≪Krankenversicherungsrecht≫, § 35 Rn 58). In dem zitierten Senatsurteil vom 27. April 1982 wie auch in der älteren Entscheidung vom 29. Mai 1962 (– 6 RKa 24/59 – = BSGE 17, 79, 86 = SozR RVO § 368n Aa 8 Nr 6) hat der Senat den Vergleich des betroffenen Arztes mit einer nur aus wenigen Ärzten bestehenden Vergleichsgruppe (9 bzw 16 Ärzte) jeweils mit dem Hinweis auf sehr spezialisierte, nur von einzelnen Ärzten einer größeren Arztgruppe abgerechneten Leistungen gerade unter dem Gesichtspunkt der Verfeinerung der Vergleichsgruppe gebilligt. Inwieweit angesichts dieser Rechtsprechung, der im Schrifttum – soweit ersichtlich – nicht generell widersprochen wird, aus Anlass der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei einem Allgemeinarzt, der Röntgenleistungen erbringen darf, ein Bedürfnis nach einer erneuten höchstrichterlichen Klärung besteht, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anwendbaren Fassung.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1176681

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge