Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 08.04.1998; Aktenzeichen L 12 Ka 517/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. April 1998 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die ausschließlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden. Diese ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 sowie Beschluß des Senats vom 9. Juli 1998 – B 2 U 151/98 B –). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNrn 65 und 66; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten nicht.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte eine hinreichend klar formulierte abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen hat. Ihre Frage, „ob das Abernten von Obst im Rahmen einer Patenschaft für einen oder mehrere Obstbäume als eine fremdbestimmte Tätigkeit iS von § 539 Abs 2 RVO, nun § 2 Abs 2 SGB VII oder eher als eine aus einem pachtvertragsähnlichen Verhältnis resultierende Tätigkeit anzusehen ist”, enthält den nicht weiter erläuterten Begriff der „Patenschaft für einen oder mehrere Obstbäume”, der aus sich heraus nicht verständlich und auch nicht allgemein bekannt ist, dessen Bedeutung indes von zentraler Bedeutung für Verständnis und Beantwortung der Frage ist. Da die Beklagte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache mit dem Abweichen der angefochtenen Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) von ihrer ständigen Verwaltungspraxis zur Behandlung von „Selbstwerbern”, die in dem von ihr eingereichten Rundschreiben des Bundesverbandes der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften Nr 5/96 dargestellt wird, begründet, dürfte sie „Patenschaft für einen oder mehrere Obstbäume” mit „Selbstwerbern” iS dieses Rundschreibens gleichsetzen. Allerdings fehlt es dann an der Darlegung, inwiefern diese Rechtsfrage in einem anschließenden Revisionsverfahren überhaupt klärungsfähig wäre. Während nämlich die in dem Rundschreiben erwähnten „Selbstwerber” oder „Selbstpflücker” lediglich Obst von den Bäumen anderer Grundstückseigentümer pflücken und es dafür ggf verbilligt erhalten, geht es im Ausgangsverfahren nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG um eine wesentlich andere Fallgestaltung. Der Kläger hat danach als „Baumpate” insbesondere die umfangreiche Pflege der von ihm betreuten Bäume übernommen und ist auch bei dieser Tätigkeit verunglückt; darauf hat das LSG auch bei seiner Annahme von Unfallversicherungsschutz gemäß § 539 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) entscheidend abgestellt. Das von ihm selbst gepflückte Obst sollte er als Lohn dafür behalten. Die Beklagte hat es versäumt, darzulegen, inwiefern sich die von ihr aufgeworfene Frage hier gleichwohl stellt. Im übrigen fehlt es auch an einer Auseinandersetzung mit der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 539 Abs 2 RVO. Das BSG hat zwar bisher noch nicht zum Versicherungsschutz von „Baumpaten” im Sinne der im vorliegenden Fall gegebenen Verhältnisse Stellung genommen, jedoch den Regelungsgehalt dieser Vorschrift anhand verschiedener Fallgestaltungen entwickelt (s zB die im Rundschreiben aufgeführten Entscheidungen), woraus Rückschlüsse für die Lösung anderer ähnlicher Fälle gezogen werden können.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175424

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