Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 04.05.2022; Aktenzeichen S 27 R 1100/21) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 06.03.2024; Aktenzeichen L 6 R 276/22) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. März 2024 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in einem Überprüfungsverfahren eine höhere Altersrente.
Der 1940 geborene Kläger ist österreichischer Staatsbürger mit Wohnsitz im Bundesgebiet. Er bezieht seit Oktober 1992 eine Pension des österreichischen Rentenversicherungsträgers und seit Januar 2006 eine Regelaltersrente von der Beklagten(Bescheid vom 14.10.2005) . Er ist der Auffassung, die Beklagte habe ihm eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der im österreichischen Recht vorgesehenen Ausgleichszulage zu gewähren. Den Anspruch auf einen höheren Zahlbetrag der Rente leitet er aus der Anwendung von Art 4 und 5 VO (EG) 883/2004 ab. Zwar könne die österreichische Ausgleichszulage nicht ins Ausland, also nach Deutschland exportiert werden. Er sei jedoch im Wege der Gleichstellung trotz des Wohnsitzes in Deutschland so zu behandeln, wie ein in Österreich lebender EU-Bürger. Der Kläger machte einen auf diese Weise begründeten Anspruch auf eine höhere Rente erstmals 2017 ohne Erfolg gegenüber der Beklagten geltend(Bescheid vom 12.12.2017; Widerspruchsbescheid vom 8.3.2018; SG München Gerichtsbescheid vom 7.12.2018 - S 47 R 371/18 -; Bayerisches LSG Urteil vom 19.3.2019 - L 14 R 753/18 ) . Ein seinerzeit gestellter Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos(BSG Beschluss vom 3.7.2019 - B 13 R 9/19 BH -;BSG Beschluss vom 5.8.2019 - B 13 R 29/19 C ) . Mit der im Wesentlichen gleichen Argumentation hatte der Kläger auch erfolglos Rechtsbehelfe gegen die Mitteilung der Beklagten über die zum 1.7.2019 erfolgende Rentenanpassung eingelegt(Widerspruchsbescheid vom 19.9.2019; SG München Gerichtsbescheid vom 5.5.2020 - S 21 R 1347/19 -; Bayerisches LSG Urteil vom 29.10.2020 - L 14 R 280/20 ) . Ein Antrag auf PKH für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde blieb ebenfalls ohne Erfolg(BSG Beschluss vom 16.6.2021 - B 13 R 17/20 BH ) .
Am 29.10.2020 beantragte der Kläger die Überprüfung des Rentenbescheids vom 14.10.2005. Dies lehnte die Beklagte ab(Bescheid vom 11.12.2020; Widerspruchsbescheid vom 2.8.2021) . Das SG hat die Klage abgewiesen(Gerichtsbescheid vom 4.5.2022) . Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine höhere Regelaltersrente. DieVO (EG) 883/2004 koordiniere lediglich die unterschiedlichen nationalen Systeme der sozialen Sicherheit. Die Republik Österreich habe den Export der Leistung im Anhang X der VO (EG) 883/2004 eindeutig ausgeschlossen. Im Übrigen werde auf das Urteil des LSG vom 19.3.2019 - L 14 R 753/18 - verwiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 6.3.2024 zurückgewiesen und zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen. Zudem hat es dem Kläger gemäß § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG Verfahrenskosten iH von 500 Euro auferlegt.
Der Kläger hat am 25.3.2024 die Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beim BSG beantragt und am 30.3.2024 die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übersandt.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Die Revision kann nach ordnungsgemäß begründeter Beschwerde nur zugelassen werden, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),
- die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).
Dass dem Verfahren des Klägers eine grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte, ist nicht erkennbar. Grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Rechtsvorschrift mit höherrangigem Recht aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist(vglBSG Beschluss vom 17.6.2019 - B 5 R 61/19 B - juris RdNr 9 ) . Im nationalen deutschen Recht fehlt es an einer Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers. Aus Art 70 Abs 4 VO (EG) 883/2004 iVm Art 70 Abs 2 Buchst c), Anhang X VO (EG) 883/2004 folgt, dass die Zahlung der österreichischen Ausgleichszulage an einen Wohnsitz in Österreich gebunden ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei Art 70 VO (EG) 883/2004 um eine Kollisionsnorm, die gewährleistet, dass der zuständige Träger für die Zahlung der darin bezeichneten Leistungen bestimmt werden kann. Dabei lasse die Verordnung insgesamt, also auch die vom Kläger herangezogenen Art 4 (Gleichbehandlung) und 5 (Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen) derVO (EG) 883/2004 , die nationalen Systeme unberührt. Die VO schaffe kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit, sondern solle nur die bestehenden Systeme koordinieren, was zu unterschiedlichen Forderungen gegen unterschiedliche Träger führen könne( EuGH in der Rs Brey vom 19.9.2013 - C-140/12 - SozR 4-6065 Art 4 Nr 4 RdNr 39 und 43) . Neue Leistungsansprüche gegen einen Träger, die dessen System nicht vorsieht, werden durch das die nationalen Vorschriften ergänzende Unionsrecht nicht geschaffen(vgl auchBSG Beschluss vom 3.7.2009 - B 13 R 9/19 BH - juris RdNr 10 ) . Die Voraussetzungen eines Überprüfungsverfahrens gemäߧ 44 Abs 1 SGB X sind in der Rechtsprechung des BSG geklärt(siehe zBBSG Urteil vom 19.5.2004 - B 13 RJ 25/03 R - BSGE 93, 10 = SozR 4-2600 § 99 Nr 2) .
Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das LSG bei seiner Entscheidung einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hätte und damit von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen wäre(Zulassungsgrund der Divergenz,§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) .
Ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel ersichtlich, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann ein geltend gemachter Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher entscheidungserheblicher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht erkennbar.
Insbesondere hat das LSG den Streitgegenstand nicht verfahrensfehlerhaft verkannt(Verstoß gegen§ 123 SGG ) . Der Kläger hat betont, er habe nie eine Bezahlung der im österreichischen Recht vorgesehenen Ausgleichszulage begehrt, sondern die "allein pekuniäre (finanzielle) Umsetzung der Sache" nach den rechtlichen Vorgaben des EU-Rechts. Das LSG hat dem entsprechend einen Anspruch des Klägers auf höhere Altersrente im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens unter dem Aspekt der Gleichstellung nach Art 4 und 5 VO (EG) 883/2004 geprüft, also als Anspruch auf eine ergänzende Leistung des deutschen Trägers in Höhe der Ausgleichszulage beruhend auf europarechtlichen Regeln.
Die isolierte Überprüfung der vom LSG getroffenen Entscheidung, einem Beteiligten Kosten wegen missbräuchlicher Rechtsverfolgung aufzuerlegen, ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ausgeschlossen. Die beanstandete Auferlegung von Verschuldenskosten ist Bestandteil der Kostenentscheidung, die nicht gesondert anfechtbar ist(stRspr; vgl nurBSG Beschluss vom 15.6.2022 - B 5 R 72/22 B - juris RdNr 7 mwN;BSG Beschluss vom 18.1.2022 - B 7/14 AS 251/21 B - juris RdNr 12 mwN) .
Da dem Kläger mithin PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 121 Abs 1 ZPO ).
Fundstellen
Dokument-Index HI16675255 |