Tenor
Der Vorlagebeschluß vom 17. Juli 1990 – 12 RK 18/88 – wird aufrechterhalten.
Tatbestand
I
Der Senat hat mit Beschluß vom 17. Juli 1990 – 12 RK 18/88 – gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) das Revisionsverfahren ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu folgender Rechtsfrage eingeholt:
Ist Art. 2 § 27 Abs. 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) in der Fassung des Art. 2 § 2 Nr. 6 des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 28. Juli 1969 (BGBl. I 956) insofern mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, als
- eine Angestellte, die sich aus Anlaß ihrer Heirat Beiträge aus der Angestelltenversicherung hat erstatten lassen, nach späterer Wiederaufnahme einer Versicherungspflichtigen Beschäftigung als Angestellte gemäß Art. 2 § 27 AnVNG zur Nachentrichtung von Beiträgen berechtigt ist,
- eine Beamtin, deren Versorgungsbezüge aus Anlaß ihrer Heirat durch eine Abfindung abgegolten worden sind, nach späterer erneuter Berufung in ein Beamtenverhältnis gemäß § 88 Abs. 2 des Beamtenversorgungsgesetzes zur Rückzahlung der Abfindung berechtigt ist,
- demgegenüber eine Beamtin, deren Versorgungsbezüge aus Anlaß ihrer Heirat durch eine Abfindung abgegolten worden sind, nach späterer Aufnahme einer Versicherungspflichtigen Beschäftigung als Angestellte weder rentenrechtlich noch beamtenrechtlich zur Schließung der Lücke berechtigt ist?
Das Vorlageverfahren ist beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 1 BvL 16/90 anhängig. Mit Schreiben vom 24. August 1995 hat das BVerfG – Erster Senat, Der Berichterstatter – gebeten, eine verfassungskonforme Auslegung des Art. 2 § 27 Abs. 1 Satz 1 AnVNG zugunsten der Klägerin und verneinendenfalls eine Vereinbarkeit der Regelung mit dem GG in Betracht zu ziehen. Dem Schreiben waren als Anlagen die beim BVerfG eingegangenen Stellungnahmen beigefügt.
Der Senat hat den Beteiligten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat erklärt, sie halte eine entsprechende Anwendung des Art. 2 § 27 Abs. 1 Satz 1 AnVNG zugunsten der Klägerin nicht für möglich.
Entscheidungsgründe
II
Der Vorlagebeschluß vom 17. Juli 1990 war aufrechtzuerhalten.
Eine entsprechende, verfassungskonforme Anwendung des Art. 2 § 27 Abs. 1 Satz 1 AnVNG in dem Sinne, daß die Klägerin nachentrichtungsberechtigt ist, scheidet aus. Der vorlegende Senat hat eine entsprechende Anwendung der Vorschrift bereits auf Seite 8 unten des Vorlagebeschlusses verneint und hält hieran fest. Schon eine planwidrige Gesetzeslücke ist nicht zu erkennen. Auf Seite 11 unten/12 oben des Vorlagebeschlusses ist ausgeführt, daß in beiden Sicherungssystemen (Rentenversicherung und Beamtenrecht) die spätere Wiederaufnahme oder die Weiterführung einer Berufstätigkeit – als Versicherungspflichtige Angestellte oder als erneut berufene Beamtin – die wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des neu eingeräumten Rechts auf Beitragsnachentrichtung bzw Rückzahlung der Abfindung sei. Für das Recht zum Ausfüllen der Vorsorgelücke genügte demnach nicht die Wiederaufnahme irgendeiner Erwerbstätigkeit. Vielmehr mußte eine Berufstätigkeit wiederaufgenommen werden, die demselben Sicherungssystem zuzuordnen war wie die bei Heirat aufgegebene. Wenn auf Seite 12 des Vorlagebeschlusses weiter die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit als übereinstimmender Grundgedanke der Regelung über das Ausfüllen von Sicherungslücken sowohl bei der Nachentrichtung von Beiträgen als auch bei der Rückzahlung der Abfindung bezeichnet ist, so wird allein dadurch eine planwidrige Gesetzeslücke nicht begründet. Wenn sich zwei völlig getrennte Regelungen in verschiedenen Sicherungssystemen auf einen gemeinsamen Grundgedanken zurückführen lassen, so rechtfertigt das noch nicht die Annahme eines gesetzgeberischen Planes, die Schließung der Vorsorgelücke auch systemübergreifend vorzunehmen. Nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften war die Schließung der Vorsorgelücken nur systembezogen vorgesehen. Es fehlt jeder Anhalt dafür, daß eine systemübergreifende Lösung im Vorstellungsbereich der Gesetzgebung gelegen hätte und sie nur versehentlich oder planwidrig unterblieben wäre.
Selbst bei Vorliegen einer Gesetzeslücke scheidet eine Analogie aus, weil die Lücke von der Rechtsprechung nicht geschlossen werden könnte. Es wäre nämlich fraglich, ob sie beamtenrechtlich (durch Rückzahlung der Abfindung an den früheren Dienstherrn mit anschließender Nachversicherung in der Rentenversicherung) oder rentenrechtlich (durch Nachentrichtung von Beiträgen) zu schließen wäre. Allerdings hat der Gesetzgeber später in § 283 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) die rentenrechtliche Lösung gewählt. Auch wenn man sich bei einer Lückenfüllung an dieser Weichenstellung orientieren würde, müßte berücksichtigt werden, daß die Bedingungen für die nunmehrige Nachzahlung von Beiträgen durch die früheren Beamtinnen nach § 283 SGB VI ungünstiger sind als die für die Nachzahlung durch frühere Angestellte nach § 282 SGB VI (vgl hierzu das Urteil vom 7. November 1995 – 12 RK 23/95, zur Veröffentlichung in SozR bestimmt). Eine analoge Anwendung des Art. 2 § 27 Abs. 1 Satz 1 AnVNG auf die Klägerin des Ausgangsverfahrens würde sie wesentlich besserstellen als die früheren Beamtinnen, die nach der Neuregelung in § 283 SGB VI zur Nachzahlung berechtigt sind. Ein Nachentrichtungsrecht der Klägerin nach altem Recht (Art. 2 § 27 AnVNG), jedoch zu den Bedingungen des neuen Rechts (§ 283 SGB VI) anzunehmen, läge nicht mehr im Rahmen einer Rechtsanwendung.
Eine entsprechende Anwendung des Art. 2 § 27 Abs. 1 Satz 1 AnVNG auf frühere Beamtinnen und spätere Angestellte scheidet demnach ebenso aus wie eine entsprechende Anwendung der beamtenrechtlichen Rückzahlungsregelung auf frühere Angestellte und spätere Beamtinnen. Auch zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Ergebnisses sind derartige, einfachrechtlich ausgeschlossene Analogien hier nicht zulässig. Vielmehr könnte eine die beiden Sicherungssysteme überbrückende Lösung nur vom Gesetzgeber vorgenommen werden.
Der Senat ist weiterhin davon überzeugt, daß die vorgelegte Regelung verfassungswidrig ist. Das gilt auch gegenüber dem Hinweis des BVerfG auf die Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, nach der die Rückkehr in das frühere Sicherungssystem ein geeigneter Anknüpfungspunkt sein und die Ungleichbehandlung rechtfertigen soll. Der benachteiligte Personenkreis der früheren Beamtinnen und späteren Angestellten wies zu den beiden begünstigten Gruppen nach dem Lebens- und Sachzusammenhang so erhebliche Gemeinsamkeiten auf, daß er nicht durch Regelungen, die auf das jeweilige Sicherungssystem beschränkt waren, völlig von der Schließung der Vorsorgelücke ausgeschlossen werden durfte. Das gilt um so mehr, als abgefundenen Beamtinnen eine spätere Rückkehr in ein Beamtenverhältnis vielfach – vor allem wegen der vom Gesetzgeber selbst aufgestellten Altersgrenzen – nicht möglich war und diese Frauen deshalb, falls sie wieder berufstätig werden wollten, häufig auf eine Angestelltenbeschäftigung ausweichen mußten (vgl Seite 12 Mitte des Vorlagebeschlusses).
Im übrigen wird die Auffassung des vorlegenden Senats zur Verfassungswidrigkeit mit Ausnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in allen beim BVerfG eingegangenen Stellungnahmen verfassungsrechtlichen Inhalts geteilt. Der vorlegende Senat hat sich im übrigen, wie auf Seite 7 des Vorlagebeschlusses dargelegt, vor der Vorlage an das BVerfG und während des Gesetzgebungsverfahrens zum Rentenreformgesetz 1992 nachhaltig, jedoch vergeblich um eine gesetzliche Regelung bemüht, die dem berechtigten Anliegen der Klägerin Rechnung trägt.
Hiernach bestand kein Anlaß, den Vorlagebeschluß aufzuheben.
Fundstellen