Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Juli 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Solche Zulassungsgründe sind nach summarischer Prüfung des Streitstoffs auf der Grundlage des Inhalts der Gerichtsakten sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht erkennbar.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Dies ist hier nicht der Fall. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil die Klage hinsichtlich geltend gemachter Ansprüche aus § 16i SGB II mangels vorhergehender Verwaltungsentscheidung unzulässig und hinsichtlich geltend gemachter Ansprüche aus §§ 16b, 16c SGB II mangels Vorliegen der dortigen Tatbestandsvoraussetzungen unbegründet sei. Letzteres sei der Fall, weil eine positive Prognose hinsichtlich der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der vom Kläger beabsichtigten Tätigkeit nicht getroffen werden könne. Dies alles wirft keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, sondern betrifft die Umstände des Einzelfalles. Dies gilt auch für die vom Kläger in seinem Antrag formulierten "Rechtsfragen".
Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Der Kläger übersieht in diesem Zusammenhang, dass das LSG seine Entscheidung, soweit es die Klage für unzulässig erachtet hat, nicht auf die fehlende Durchführung eines Vorverfahrens gestützt hat, sondern darauf, dass es überhaupt an einer einschlägigen Verwaltungsentscheidung in den streitgegenständlichen Bescheiden fehlt. Die Ausführungen des Klägers dazu, ob ein Vorverfahren (konkludent) durchgeführt worden ist und ob bei fehlender Durchführung eines Vorverfahrens der Rechtsstreit auszusetzen ist, gehen daher ins Leere.
Nach Aktenlage ist schließlich nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Dies gilt insbesondere für die vom Kläger behaupteten Verfahrensmängel. So ist nicht erkennbar, dass die Auffassung des LSG, dass die Klage mangels vorangegangener Verwaltungsentscheidung unzulässig sei, fehlerhaft ist. Der Kläger übersieht auch in diesem Zusammenhang, dass das LSG seine Entscheidung nicht auf die fehlende Durchführung eines Vorverfahrens gestützt hat, sondern darauf, dass es überhaupt an einer einschlägigen Verwaltungsentscheidung in den streitgegenständlichen Bescheiden fehlt. Ein Verwaltungsakt ist aber Sachurteilsvoraussetzung für die erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage; fehlt es daran, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (§ 54 Abs 1, 4 SGG; vgl BSG vom 29.1.1975 - 5 RKnU 12/74 - BSGE 39, 86 [87] = SozR 2200 § 628 Nr 1 S 2 = juris RdNr 11 mwN; BSG vom 16.10.2019 - B 8 SO 19/18 BH - juris RdNr 9; Bieresborn in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG, 2. Aufl 2021, § 54 RdNr 54 ff, Stand 1.11.2022; Söhngen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 54 RdNr 19).
Entgegen der Auffassung des Klägers muss die ihm zugestellte Abschrift des Urteils des LSG nicht die handschriftliche Unterschrift des Berufsrichters enthalten, sondern die Abschrift ist von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen (§ 137 Satz 1 SGG), wobei die Unterschrift des Urkundsbeamten maschinell ersetzt werden darf (§ 63 Abs 2 SGG iVm § 169 Abs 3 ZPO; vgl BSG vom 31.8.2021 - B 5 R 21/21 BH - juris RdNr 8; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 137 RdNr 2); dies ist hier geschehen. Zwar muss die Abschrift die Unterschrift des Berufsrichters maschinenschriftlich wiedergeben (BSG vom 17.12.1997 - 9 BV 122/97 - juris RdNr 10). Auch dies ist hier aber der Fall. Ein Verstoß gegen § 137 Satz 1 SGG stellte im Übrigen nicht die Wirksamkeit des Urteils infrage, sondern allenfalls die Wirksamkeit der Zustellung des Urteils (BSG vom 24.7.2019 - B 5 R 31/19 B - juris RdNr 18). Dass in der LSG-Akte nur eine beglaubigte Abschrift des Urteils enthalten ist, begründet ebenso keinen Verfahrensmangel. Es ist zulässig, Originalurteile außerhalb der Gerichtsakte aufzubewahren (BSG vom 18.5.2015 - B 9 V 73/14 B - juris RdNr 6; BSG vom 19.8.2019 - B 14 AS 183/18 B - juris RdNr 5).
Dass das LSG den Beweisanträgen des Klägers nicht nachgegangen ist, stellt ebenfalls keinen Verfahrensmangel dar. Es ist nicht ersichtlich, dass die vom Kläger unter Beweis gestellten Tatsachen bzgl seines Gesundheitszustandes für die Entscheidung des LSG erheblich gewesen sind.
Auch für eine Überraschungsentscheidung und damit eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) bestehen keine Anhaltspunkte. Der Kläger macht geltend, er habe nicht damit rechnen müssen, dass das LSG die Klage hinsichtlich der auf § 16i SGB II gestützten Anträge mangels vorheriger Verwaltungsentscheidung für unzulässig erachten würde. Insofern scheidet eine Überraschungsentscheidung bereits deswegen aus, weil der Kläger - worauf auch das LSG bereits hingewiesen hat - im Berufungsverfahren selbst davon ausgegangen ist, dass über die auf § 16i SGB II gestützten Begehren keine inhaltliche Entscheidung getroffen werden könne, da derartige Leistungen nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide seien. Dass dem Kläger zu wenig Gelegenheit gegeben worden ist, sich in der mündlichen Verhandlung zu äußern, ist angesichts einer Termindauer von insgesamt 77 Minuten nicht zu besorgen.
Schließlich begegnet es keinen Bedenken, dass das LSG durch den sog kleinen Senat (§ 153 Abs 5 SGG) entschieden hat. Es bedarf hier keiner Entscheidung, wie die Konstellation zu beurteilen ist, in der ein sog kleiner Senat auch über eine zulässig vorgenommene Klageänderung entscheidet. Denn bei den im Berufungsverfahren erstmals gestellten Anträgen handelt es sich nach der nicht zu beanstandenden Bewertung durch das LSG wegen § 99 Abs 3 Nr 2 SGG jeweils gerade nicht um Klageänderungen (vgl BSG vom 29.7.2022 - B 4 AS 62/22 BH - juris RdNr 5).
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Fundstellen
Dokument-Index HI15635385 |