Verfahrensgang
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 19.05.2016; Aktenzeichen L 23 SO 330/14) |
SG Potsdam (Aktenzeichen S 20 SO 13/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Mai 2016 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Im Streit ist die Pflicht des Klägers, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben. Dies bestreitet er unter Berufung auf ein Getrenntleben von seiner Ehefrau. Die Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 25.9.2014; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Berlin-Brandenburg vom 19.5.2016).
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Verfahrensfehler und eine Divergenz geltend. Grundsätzlich bedeutsam sei die Frage (Frage Nr 1), welcher zeitliche Bezugspunkt oder -rahmen beim Tatbestandsmerkmal des "Nichtgetrenntlebens" iS des § 117 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) maßgeblich sei. Komme es auf ein Nichtgetrenntleben zum Zeitpunkt der ersten oder der letzten Entscheidung der Verwaltungsbehörde an oder aber auf den Zeitraum, für welchen der Sozialleistungsträger einen auf diesen übergegangenen Unterhaltsanspruch prüfe bzw geltend machen möchte? Grundsätzlich bedeutsam sei zudem die Frage (Frage Nr 2), welche weiteren, über eine familienrechtliche Trennung hinausgehenden Umstände und Anzeichen vorliegen müssten, damit Ehegatten als "getrennt lebend" iS der umgekehrten Formulierung des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB XII gelten würden bzw bis zu welchem Grad eine Auflösung eines vormaligen ehelichen Zusammenlebens zweier Ehegatten über eine familienrechtliche Trennung iS des § 1567 Bürgerliches Gesetzbuch hinaus erfolgen könne, ohne dass die Ehegatten den Status des "Nichtgetrenntlebens" iS der Norm des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB XII verlören.
Zudem habe das LSG verfahrensfehlerhaft entschieden. Es habe gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen und eine Überraschungsentscheidung getroffen. Auch liege eine Divergenz der Entscheidung des LSG von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (≪BVerwG≫ 5 C 22/90) und des Bundessozialgerichts (≪BSG≫ B 8 SO 75/12 B) vor. Das BSG habe folgenden Leitsatz aufgestellt: "Wer als Unterhaltspflichtiger in Betracht kommt, ist dem Sozialleistungsträger zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet, es sei denn, ein Unterhaltsanspruch besteht ersichtlich nicht". Das LSG habe diesen Leitsatz erkannt und den maßgeblichen Rechtssatz wie folgt formuliert: "Negativevidenz kann nur angenommen werden, wenn der mit dem Ersuchen in Anspruch genommene, offensichtlich als Unterhaltspflichtiger ausscheidet (vgl BSG, Beschluss vom 20.12.2012 - B 8 SO 75/12 B, zitiert nach juris)". In seinen weiteren Ausführungen stelle das LSG sodann fest, dass alle Voraussetzungen für die Annahme einer Negativevidenz iS der Rechtsprechung des BSG vorlägen, gleichwohl lehne es die Negativevidenz und damit das Entfallen des Auskunftsanspruchs ab und weiche damit auch von der Rechtsprechung des BVerwG und des BSG ab.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Denn es fehlt bereits an der ausreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfenen Rechtsfragen müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - konkret-individuell sachlich zu entscheiden haben (BSG SozR 1500 § 160 Nr 39 und § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht, weil es an der Darlegung des maßgeblichen Sachverhalts fehlt. Insoweit verweist der Kläger nur auf die Ausführungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils und bringt "in Einzelheiten" "Korrekturen der Darstellung" bzw "eher eine Ergänzung" an, die allerdings aus sich heraus nicht nachvollziehbar, geschweige denn in der Lage sind, den Sachverhalt in seiner Gesamtheit zu beschreiben.
Das Gleiche gilt für die behaupteten Verfahrensfehler. Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34 und 36; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36), es sei denn, es werden - was hier allerdings nicht der Fall ist - absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß § 202 SGG iVm § 547 Zivilprozessordnung der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (BSGE 4, 281, 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8). Dies erfordert vorrangig eine genaue Schilderung des Sachverhalts.
Schließlich erfüllt auch der Vortrag zur Divergenz nicht die gesetzlichen Anforderungen. Eine Divergenz liegt nur dann vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG aufgestellt hätte; eine Abweichung ist erst dann zu bejahen, wenn das LSG diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Zur Beurteilung der insoweit doppelten Entscheidungserheblichkeit (für LSG und BSG) hätte es wiederum der genauen Schilderung des Sachverhalts und einer Beschreibung des Streitgegenstands bedurft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des (Auffang-)Streitwerts beruht nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 3 Gerichtskostengesetz.
Fundstellen
Dokument-Index HI10484730 |