Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 14.09.1999) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. September 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten für das Beschwerde-verfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Der als Arzt für Allgemeinmedizin im Landkreis K. … zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger begehrt – soweit im Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung – die Erweiterung seines Praxisbudgets nach Abschnitt A I (Allgemeine Bestimmungen), Teil B des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) in der ab dem 1. Juli 1997 geltenden Fassung. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) hatte ihm auf Antrag ein qualifikationsgebundenes Zusatzbudget „Psychosomatik, übende Verfahren” sowie ein bedarfsabhängiges Zusatzbudget „Betreuung in beschützenden Einrichtungen” zuerkannt. Der Kläger verlangte darüber hinaus die Erweiterung des ihm zuerkannten Praxis- bzw Zusatzbudgets. Aufgrund der örtlichen Verhältnisse seiner im ländlichen Raum gelegenen Praxis müsse er gegenüber einer größeren Zahl von Patienten Leistungen erbringen, die üblicherweise und vor allem in größeren Städten von Fachärzten erbracht würden. Wegen der schlechten Verkehrsanbindung könnten seine Patienten Fachärzte nur eingeschränkt aufsuchen und erwarteten deshalb von ihm eine entsprechende Behandlung. Da die Mehrleistungen der Allgemeinmediziner im ländlichen Bereich gegenüber denjenigen im städtischen Bereich zumindest 6% betrage, seien sein Praxisbudget und seine Zusatzbudgets mindestens in diesem Umfang zu erweitern.
Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem auf § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestützten Beschluß die Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 für rechtmäßig gehalten. Die Voraussetzungen, unter denen nach Abschnitt A I, Teil B, Ziffer 4.3 EBM-Ä die KÄV auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gewähren könne, seien nicht erfüllt. Der Kläger nehme in seiner Praxis den typisch allgemeinärztlichen Versorgungsauftrag wahr. Seine Praxis weise keinen Schwerpunkt auf, der einen besonderen Versorgungsbedarf begründen könne (Beschluß vom 14. September 1999).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen der Auslegung und Anwendung von Ziffer 4.3, Abschnitt A I, Teil B EBM-Ä geltend.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die grundsätzliche Bedeutung der maßgeblichen Rechtsfrage (Zulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nicht gegeben. Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie klärungsbedürftig und in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht in vollem Umfang klärungsfähig und im übrigen nicht klärungsbedürftig.
Der Kläger hält für grundsätzlich bedeutsam, ob eine KÄV verpflichtet ist, auf der Grundlage von Ziffer 4.3, Abschnitt A I, Teil B EBM-Ä in der ab 1. Juli 1997 geltenden Fassung zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs das Praxisbudget bzw die Zusatzbudgets zu erweitern bzw auszusetzen, wenn Allgemeinärzte aufgrund der örtlichen Verhältnisse in ungewöhnlich umfangreichem Maße Leistungen erbringen müssen, die üblicherweise von Fachärzten erbracht werden. In dieser Form wäre die Frage in einem Revisionsverfahren nicht in vollem Umfang klärungsfähig. Der Kläger will eine Rechtsfolge für den Fall festgestellt wissen, daß ein Allgemeinarzt in „ungewöhnlich umfangreichen Maße” Leistungen erbringt, die „üblicherweise von Fachärzten” erbracht werden. Den für das Revisionsgericht maßgeblichen, weil nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts (vgl § 163 SGG) ist indessen nicht zu entnehmen, daß diese Voraussetzungen im Fall der Praxis des Klägers gegeben sind. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Ausmaß der Kläger Leistungen erbringt, die regelmäßig von Fachärzten erbracht werden. Weiterhin hat es sich in tatsächlicher Hinsicht die Darstellung des Klägers, wegen der abgeschiedenen Lage seiner Praxis in einem Ortsteil von M. … könnten viele Patienten die in der näheren Umgebung, vor allem in E. … und K., … praktizierenden Fachärzte nicht unter zumutbaren Bedingungen aufsuchen, nicht zu eigen gemacht. Es hat festgestellt, in der Praxis der Kläger sei ein „bestimmter Schwerpunkt” nicht erkennbar. Es würden nach seinem eigenen Vortrag – nicht anders als in anderen Allgemeinpraxen – Leistungen der kleinen Chirurgie erbracht, Krebspatienten behandelt sowie urologische und orthopädische Behandlungen durchgeführt. Damit sind die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen der Kläger die Rechtsfrage eines Anspruchs auf Erweiterung bzw Aussetzung von Praxis- und Zusatzbudgets geklärt wissen will, nicht gegeben. Weder steht fest, in welcher Größenordnung in Relation zu seiner gesamten vertragsärztlichen Tätigkeit der Kläger Leistungen erbringt, die typischerweise von Fachärzten erbracht werden, noch, ob dies in dem Sinne notwendig ist, daß die vertragsärztliche Versorgung der vom Kläger betreuten Patienten nicht angemessen sichergestellt wäre, wenn er die Patienten an Fachärzte in den umliegenden Städten überweisen würde.
Soweit die vom Kläger formulierte Rechtsfrage dahingehend verallgemeinert wird, ob die Führung einer Allgemeinpraxis im ländlichen Raum und in einem Ort bzw Ortsteil, in dem keine Fachärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, eine Erweiterung bzw Aussetzung des Praxisbudgets und der Zusatzbudgets iS von Ziffer 4.3, Abschnitt A I Teil B, EBM-Ä in der ab 1. Juli 1997 geltenden Fassung zur Folge haben muß, ist sie nicht klärungsbedürftig. Zu ihrer Klärung bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die Antwort ist nämlich nicht zweifelhaft (vgl hierzu allgemein Senatsbeschluß BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; ebenso zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6, SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38). Nach Ziffer 4.3, aaO EBM-Ä kann die KÄV auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gewähren. Schon das Tatbestandsmerkmal „im Einzelfall” schließt die Annahme aus, generell könne die allgemeinmedizinische Tätigkeit im ländlichen Raum die Erweiterung bzw Aussetzung des Praxisbudgets rechtfertigen. Ein großer Teil der Ärzte für Allgemeinmedizin und der praktischen Ärzte ist im ländlichen Bereich tätig. Wenn der Bewertungsausschuß davon ausgegangen wäre, die Leistungsbedingungen allgemeinmedizinischer Praxen im ländlichen Raum seien grundlegend von denjenigen in Großstädten bzw in Ballungsräumen verschieden, hätte er diesem Umstand durch eine generelle Regelung, etwa durch die Zubilligung einer besonderen arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl im Rahmen der Ziffer 1.5, aaO EBM-Ä Rechnung tragen müssen. Das ist nicht geschehen.
Ebenso wie die in Ziffer 4.2 aaO EBM-Ä aufgeführten bedarfsabhängigen Zusatzbudgets setzt auch die Erweiterung bzw gänzliche Aussetzung von Praxis- oder Zusatzbudgets nach Ziffer 4.3 aaO EBM-Ä einen konkret nachgewiesenen besonderen Versorgungsbedarf für bestimmte ärztliche Leistungen voraus. Das ergibt sich auch aus Ziffer 4 der Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 (DÄ 1997 A-403), wonach die Regelung in Abschnitt A 1, Teil B, Ziffer 4.3 EBM-Ä dahingehend ausgelegt werden soll, daß die KÄV auf Antrag eines Vertragsarztes die Budgets insbesondere dann erweiternd aussetzen kann, wenn nachfolgend genannte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen: Betreuung von HIV-Patienten, onkologische Erkrankungen, Diabetes, Mukoviszidose, Schmerztherapie, kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen, erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil. Ohne spezifische Schwerpunktsetzung und ohne die Übernahme der Behandlung von bestimmten schwerwiegenden Gesundheitsstörungen in einem quantitativ relevanten Ausmaß kommt eine Budgeterweiterung nach dem Zweck der Regelung der Ziffer 4.3, aaO EBM-Ä nicht in Betracht. Der Umstand, daß ein Vertragsarzt eine allgemeinärztliche Praxis mit einem besonders weiten Leistungsspektrum führt, rechtfertigt die Erweiterung bzw Aussetzung des Budgets deshalb für sich allein nicht.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen