Verfahrensgang
SG Augsburg (Entscheidung vom 24.03.2015; Aktenzeichen S 1 R 1348/13) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 14.06.2018; Aktenzeichen L 14 R 345/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Urteil vom 14.6.2018 hat das Bayerische LSG einen solchen Anspruch des Klägers verneint und seine Berufung gegen das Urteil des SG Augsburg vom 24.3.2015 zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Die Rüge der unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 73/16 B - Juris RdNr 9 mwN).
Ein Beweisantrag iS des § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 403 ZPO muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN). In einem Rentenstreitverfahren muss sich der Beweisantrag möglichst präzise mit den Folgen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene berufliche Leistungsvermögen befassen. Im Rahmen eines Rentenverfahrens muss die negative Beeinflussung von weiteren - dauerhaften - Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen behauptet und möglichst genau dargetan werden (vgl etwa BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 279/16 B - Juris RdNr 20 mwN). In der Beschwerdebegründung wird ein solcher Beweisantrag nicht hinreichend bestimmt bezeichnet.
Der Kläger rügt zunächst, das LSG habe § 103 SGG verletzt, indem es seinem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Vorliegens einer Erkrankung des Klägers an MCS (Multiple Chemical Sensitivity Syndrom), CFS (Chronic Fatigue Syndrom) und EHS (Elektrohypersensitivität) bzw einer schwerwiegenden Somatisierungsstörung des Klägers und der dadurch bedingten vollen, hilfsweise teilweisen Erwerbsminderung des Klägers nicht gefolgt sei. Zwar hat der Kläger dargelegt, diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellt zu haben. Er hat damit jedoch keinen hinreichend konkreten Beweisantrag bezeichnet. Es fehlt in dem Antrag an einer konkreten Darlegung von dauerhaften, bisher nicht festgestellten Gesundheitsstörungen, die sich auf das verbliebene Leistungsvermögen negativ auswirken und damit für das Rentenverfahren von Bedeutung sind. Wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, kommt es im Rahmen eines Rentenverfahrens entscheidend auf die negative Beeinflussung des Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsbeeinträchtigungen an (vgl zur Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6). Zu näheren Darlegungen hätte hier umso mehr Anlass bestanden, als das LSG bei seiner Bewertung bereits Leistungsbeeinträchtigungen durch eine bronchiale Überempfindlichkeit, eine Hyperreagibilität der Nasenschleimhaut sowie eine Kontaktallergie auf verschiedene Stoffe zugrunde gelegt hat.
Der Kläger hat darüber hinaus nicht hinreichend dargelegt, dass sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen, dem Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach § 103 SGG nachzugehen (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen (vgl BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - Juris RdNr 8). Insoweit hätte es des Vortrags bedurft, weshalb nach den weiteren Ermittlungen des LSG Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden haben soll. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auf Antrag des Klägers ein internistisch-umweltmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. H. eingeholt worden ist, das die Diagnosen MCS und CFS bestätigt. Soweit der Kläger meint, die auf die Aussagen des gerichtlichen Gutachters Dr. B. gestützte Auffassung des LSG, weitere Tests zur Feststellung von durch MCS bedingten Funktionsstörungen seien nicht zielführend, könne nicht zugrunde gelegt werden, weil sie unzutreffend und widersprüchlich ("Zirkelschlussargumentation") sei, ist damit nicht aufgezeigt, dass das LSG sich zu einer weiteren Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Im Kern greift der Kläger mit seinem Vortrag vielmehr die Beweiswürdigung durch das LSG an und rügt eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG. Die Beweiswürdigung ist jedoch der Rüge im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausdrücklich entzogen. Das gilt auch, soweit vermeintlich gegen Denkgesetze verstoßen wird (vgl BSG Beschluss vom 15.4.2019 - B 13 R 233/17 B - Juris RdNr 17 mwN).
Soweit der Kläger weiter rügt, das LSG hätte seinem Antrag auf Einholung eines berufskundlichen Gutachtens zu der Frage, ob für ihn aufgrund seiner MCS, des CFS, der EHS etc sowie der Notwendigkeit der Vermeidung von inhalativen chemischen Stoffen, Stäuben und Gasen zumutbare Verweisungstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, nachgehen müssen, ist nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann. Den Darlegungsanforderungen ist bereits deshalb nicht genügt, weil der Kläger nicht darlegt, dass es der Benennung einer konkreten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bedurfte (vgl dazu BSGE 109, 189 = SozR 4-2600 § 43 Nr 16, RdNr 25 ff). Ob der Kläger im Übrigen bei der Begründung seiner Sachaufklärungsrüge hinreichend konkret auf die vom LSG formulierten Leistungseinschränkungen hinsichtlich der Exposition gegenüber Stäuben, Rauch, Gasen, starken Gerüchen, Kälte und potentiell allergisierenden Substanzen sowie der festgestellten Kontaktallergene und der "übergewöhnlichen" Exposition gegenüber Tonerstäuben eingegangen ist, kann daher offenbleiben.
Soweit der Kläger schließlich rügt, das LSG hätte seinem Antrag stattgeben müssen, den Gerichtssachverständigen Dr. B. nach §§ 103, 106, 118 SGG zum wissenschaftlich anerkannten Erkenntnisstand bezüglich MCS, CFS und EHS sowie dazu zu befragen, warum er die entsprechenden labormedizinischen Nachweise für das Vorliegen von MCS und CFS beim Kläger nicht berücksichtigt habe, sowie zur Erläuterung seiner Überprüfungen bezüglich der vorgetragenen Funktionsbeeinträchtigungen und Leistungseinbußen, genügt er ebenfalls nicht den Anforderungen des § 160a SGG. Bei dem Erkenntnisstand zu den genannten Krankheiten handelt es sich um eine lediglich abstrakte Frage mit allenfalls mittelbarem Bezug zum Streitgegenstand. Im Übrigen ist in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt, welche konkreten Fragen, die der Sachverständige in seinem Gutachten und den ergänzenden Stellungnahmen nicht beantwortet hat, sich gestellt haben und welches Ergebnis eine Vernehmung voraussichtlich erbracht hätte. Der Kläger spricht insoweit lediglich von der Erwartung, "eine weitere Klärung zu erreichen". Eine derart unbestimmte Angabe genügt den Begründungsanforderungen nicht.
Soweit der Kläger schließlich ausdrücklich eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG rügt, ist dies nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausgeschlossen. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des BSG (Beschluss vom 25.2.2016 - B 3 KR 63/15 B - nicht veröffentlicht) ist bereits deshalb nicht einschlägig, weil sie sich in der zitierten Passage zu einer Rüge im Revisionsverfahren und nicht im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde verhält.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13397667 |