Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Urteil vom 07.09.2017; Aktenzeichen L 1 R 35/17)

SG für das Saarland (Entscheidung vom 05.04.2017; Aktenzeichen S 9 R 694/16)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 7. September 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Mit Urteil vom 7.9.2017 hat das LSG für das Saarland einen Anspruch des 1955 geborenen Klägers auf Feststellung eines Mindestwertes seiner Rentenanwartschaft verneint. Der Kläger hatte gegen einen sog Vormerkungsbescheid (§ 149 Abs 5 SGB VI) geklagt, weil er es für verfassungsrechtlich unzulässig hält, dass sich nach der beigefügten Rentenauskunft vom Mai 2016 trotz zwischenzeitlicher Zahlung weiterer Beiträge eine niedrigere Rente ergebe, als nach einer Rentenauskunft vom Januar 2016.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er rügt die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits sowie einen Verfahrensmangel (Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG).

II

Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

1. Der Kläger macht zunächst die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr, zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst Senatsbeschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - Juris RdNr 12).

Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutend,

"ob die in einer Rentenauskunft ausgewiesenen Renten wegen voller Erwerbsminderung und wegen Alters, bei denen Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt berücksichtigt wurden, wenige Monate später ohne Änderung des zugrunde liegenden Gesetzes aufgrund weiterer erfolgter Beitragszahlungen deutlich unter das Niveau, das sich bei der Berücksichtigung der Mindestentgeltpunkte ergibt, abgesenkt werden dürfen".

Damit werden die Anforderungen an eine Grundsatzrüge verfehlt. Es mangelt bereits an der Formulierung einer abstrakt-generellen Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 13.4.2015 - B 12 KR 109/13 B - Juris RdNr 23). Die Frage des Klägers lässt nicht erkennen, welche Norm konkret zur Überprüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden soll. Stattdessen ist sie allgemein auf die rechtliche Bewertung des darin geschilderten Sachverhalts gerichtet. Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht die Voraussetzungen einer Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).

Im Übrigen versäumt es der Kläger auch, die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der von ihm formulierten Frage darzulegen. Hierzu hätte er im Hinblick auf die Klärungsbedürftigkeit zunächst ausführen müssen, dass sich die Frage nicht bereits auf Grundlage der vom LSG zitierten Rechtsprechung des BSG und BVerfG beantworten lässt, wonach es sich bei Rentenauskünften (wie auch bei Renteninformationen) nach § 109 SGB VI um reine Wissensauskünfte ohne rechtlichen Regelungscharakter handelt (zB BSG Urteil vom 31.1.1980 - 11 RA 2/79 - BSGE 49, 258 = SozR 2200 § 1251 Nr 75, Juris RdNr 16 mwN; BVerfG Beschluss vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272, 283 f; jüngst BSG Urteil vom 21.3.2018 - B 13 R 19/14 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 5 RdNr 17 mwN). Denn auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8, Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2, Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - Juris RdNr 19). Allein die Behauptung, die formulierte Frage sei durch das BSG noch nicht entschieden, genügt - insbesondere vor dem Hintergrund der oben genannten einschlägigen Rechtsprechung - nicht, um die Klärungsbedürftigkeit zu begründen. Gleichzeitig hätte der Kläger im Hinblick auf die Klärungsfähigkeit darlegen müssen, wieso das BSG nach Zulassung der Revision über die formulierte Frage entscheiden könnte, obwohl - wie das LSG bereits ausgeführt hat - nach der zitierten Rechtsprechung schon ein Rechtsschutzbedürfnis für das Verlangen einer bestimmten Bewertung versicherungsrechtlicher Zeiten im Vormerkungsverfahren bzw aus Anlass einer Rentenauskunft fehlt. Auch hierzu verhält sich der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht.

2. Darüber hinaus rügt der Kläger, das LSG-Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), weil das LSG nur auf die Informationen über die zu erwartende Regelaltersrente eingegangen sei. Demgegenüber habe es die Auskünfte zur Rente wegen Erwerbsminderung ignoriert und im Tatbestand verschwiegen.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, Juris RdNr 4; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG, Juris RdNr 28 f). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33, Juris RdNr 23). Auch diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers vom 12.12.2017 nicht.

Es fehlt bereits an der Benennung einer konkreten Norm des Prozessrechts, gegen die das LSG nach Ansicht des Klägers verstoßen hätte. Zudem legt der Kläger nicht dar, wieso das LSG - ausgehend von dessen Rechtsauffassung, wonach die Rentenauskünfte vom Januar bzw Mai 2016 "nicht rechtsverbindlich" sind - zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätte gelangen können, der vermeintliche Verfahrensfehler mithin entscheidungserheblich sein könnte.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12496872

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