Verfahrensgang
SG Gotha (Entscheidung vom 02.07.2020; Aktenzeichen S 42 R 1238/16) |
Thüringer LSG (Urteil vom 19.04.2023; Aktenzeichen L 3 R 667/20) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 19. April 2023 vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der im Jahr 1957 geborene Kläger war zuletzt im Jahr 1998 versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einem früheren erfolglosen Rentenverfahren auf einen Antrag vom Mai 2000 blieb auch ein im Februar 2008 eingeleitetes Überprüfungsverfahren ohne Erfolg. Einen erneuten Rentenantrag vom Februar 2016 lehnte die Beklagte ebenfalls ab (Bescheid vom 3.2.2017; Widerspruchsbescheid vom 19.7.2017). Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Gerichtsbescheid vom 3.12.2019; Urteil vom 29.6.2022). Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision sowie die dagegen erhobene Anhörungsrüge waren ebenfalls erfolglos (Senatsbeschlüsse vom 22.2.2023 - B 5 R 51/22 BH - und vom 4.12.2023 - B 5 R 4/23 C -). Einen im Oktober 2015 gestellten Antrag auf Überprüfung der erstmals eine Rentengewährung ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 30.1.2001 lehnte die Beklagte ebenfalls ab (Bescheid vom 5.11.2015, Widerspruchsbescheid vom 18.3.2016).
Im Klageverfahren hat das SG Gotha erneut Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. F hat in seinem internistisch-sozialmedizinischen Gutachten vom 17.4.2018 den Kläger noch für in der Lage erachtet, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich unter Leistungseinschränkungen zu verrichten. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 2.7.2020 abgewiesen. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 19.4.2023).
Nach Zustellung des Berufungsurteils am 5.7.2023 hat der Kläger mit Schreiben vom 30.7.2023 (eingegangen beim BSG mit Telefax vom selben Tag) die Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übermittelt. Mit Schreiben vom 2.9.2023 hat er weitere Ausführungen gemacht.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten ist nicht zu erkennen, dass ein Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das LSG-Urteil vom 19.4.2023 erfolgreich zu begründen.
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG sind nicht zu erkennen. Insbesondere vermag die Behauptung eines rechtswidrigen Zusammenwirkens "von Behörden, Gerichten und Medizinern zum Nachteil Betroffener und zur Bereicherung des Staates" eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu begründen. Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat (Zulassungsgrund der Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Ebenso fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG mit Erfolg bezeichnen könnte. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher entscheidungserheblicher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich.
Einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur erfolgreich rügen, wenn sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren und bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnen kann, dem das LSG ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt ist. Dabei sind an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen, wenn ein Kläger in der Berufungsinstanz nicht durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war. Auch ein unvertretener Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht und dies grundsätzlich in der mündlichen Verhandlung verdeutlichen (vgl BSG Beschluss vom 21.12.2021 - B 9 V 34/21 B - juris RdNr 11 mwN). Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem LSG am 19.4.2023 geht zwar hervor, dass der Kläger seinen mit Schreiben vom 28.3.2023 gestellten Beweisantrag auf Beiziehung des EKG von den I-Kliniken aus Juni 2022 und eine neuerliche Begutachtung aufrecht erhalten hat. Das LSG hat jedoch im angefochtenen Urteil hinreichend ausgeführt, warum es keine erneute Beweiserhebung für erforderlich gehalten hat. Dabei hat es zum einen darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Verfahrens die Überprüfung eines Bescheides aus dem Jahr 2001 ist. Zum anderen hat es sich nachvollziehbar darauf bezogen, dass das Leistungsvermögen des Klägers bereits in mehreren Gerichtsverfahren und durch zahlreiche Gutachten geprüft worden ist.
Gründe dafür, dass das Berufungsgericht fehlerhaft besetzt gewesen sein könnte (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO), sind nicht ersichtlich. Art 101 Abs 1 Satz 2 GG lässt im Fall eines gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs eine Entscheidung des abgelehnten Richters selbst über das Gesuch zu (vgl BSG Beschluss vom 20.4.2021 - B 5 R 18/21 B - juris RdNr 20 mwN). Die Beurteilung der Ablehnungsgesuche vom 16.9.2020 und vom 13.4.2023 gegen die "zuständigen Richter" als offensichtlich missbräuchlich (siehe S 5 f Urteilsumdruck) entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG, wonach die wiederholte Praxis eines Klägers, beteiligte Richter wegen seiner Ansicht nach jeweils unzutreffender rechtlicher Bewertungen und verfahrensrechtlicher Vorgehensweisen abzulehnen, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann (vgl dazu bereits die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 22.2.2023 - B 5 R 51/22 BH - mwN).
Schließlich könnte der Kläger auch keinen Verfahrensfehler dahingehend erfolgreich geltend machen, dass über frühere, noch vor dem SG gestellte Ablehnungsgesuche nicht entschieden wurde. Soweit er auf seinen bereits mit Schreiben vom 22.6.2020 formulierten Befangenheitsantrag gegen die Richterin am SG R verweist, wurde dieser im Gerichtsbescheid vom 2.7.2020 als offensichtlich missbräuchlich angesehen. Über ein weiteres Ablehnungsgesuch vom 17.7.2020 wurde mit Beschluss vom 23.7.2020 durch die Richterin am SG D entschieden (zur Unzulässigkeit eines nachträglich gestellten Ablehnungsgesuchs vgl auch BSG Beschluss vom 29.10.2020 - B 5 R 211/20 B - juris RdNr 5 mwN). Inwiefern ein auch gegen diese Richterin am SG gestellter Befangenheitsantrag vom 3.8.2020 noch entscheidungserheblich gewesen sein könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Soweit der Kläger zudem Bezug nimmt auf seinen früheren Vortrag in den Verfahren mit dem Aktenzeichen B 9 SB 2/21 BH sowie B 5 R 51/22 BH, dem sein Anliegen bereits gut zu entnehmen sei und deshalb nicht wiederholt werden müsse, vermag der Senat ebenfalls keinen Verfahrensfehler zu erkennen (vgl bereits BSG Beschluss vom 1.7.2021 - B 9 SB 2/21 BH - juris RdNr 7 ff und Beschluss vom 22.2.2023 - B 5 R 51/22 BH - juris RdNr 12).
Indem der Kläger auch im Rahmen dieses PKH-Verfahrens umfangreich zu seinem Beschwerdebild ähnlich wie bei Long/Post-Covid vorträgt und wiederholt bekräftigt, er habe einen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, wendet er sich gegen eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der Berufungsentscheidung. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 6 mwN).
Soweit der Kläger in seinem Schreiben vom 2.9.2023 noch ergänzend zu weiteren Rechtsbehelfen im Schriftsatz vom 12.7.2023 (Ablehnungsgesuch, Anhörungsrüge) vorträgt, kann darauf das LSG Urteil vom 19.4.2023 jedenfalls nicht beruhen.
Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI16186806 |