Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 01.10.2015; Aktenzeichen L 7 SO 3008/13)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 15.07.2013; Aktenzeichen S 11 SO 2000/12)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Oktober 2015 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Im Streit sind Ansprüche des Klägers auf Übernahme von Kosten der Unterkunft und ein "Taschengeld" nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) während seiner Inhaftierung.

Der Kläger befindet sich seit dem 13.9.2011 in Haft. Er machte ua mit Schreiben vom 31.10.2011 die Übernahme von Mietkosten und die Gewährung eines "Taschengelds" während der Haftzeit geltend. Den Antrag auf Gewährung eines Taschengeldes lehnte die Agentur für Arbeit Pforzheim mit der Begründung ab, im Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) gebe es hierfür keine Anspruchsgrundlagen (Bescheid vom 18.11.2011). Der Beklagte, der bis zum 31.12.2011 ua für Leistungen der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II in getrennter Trägerschaft zuständig war, versagte die Leistungen wegen der Mietkosten nach dem SGB II (Bescheid vom 15.11.2011; Widerspruchsbescheid vom 27.12.2011). Am 6.12.2011 hat der Kläger Klage gegen die Agentur für Arbeit und den beklagten Landkreis erhoben, der mit Wirkung vom 1.1.2012 zugleich als Optionskommune nach dem SGB II zugelassen worden ist, und unter Aufhebung der Bescheide vom 18.11.2011 und vom 15.11.2011 Ansprüche auf Übernahme von Mietkosten und "Taschengeld" geltend gemacht. Das Sozialgericht (SG) Karlsruhe hat den Teil des Verfahrens abgetrennt, "der sich auf Ansprüche nach dem SGB XII bezieht". Die insoweit an das SG Stuttgart verwiesene Klage hatte keinen Erfolg (Gerichtsbescheid des SG vom 17.7.2013; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 1.10.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG unter anderem ausgeführt, der Kläger beantrage sinngemäß die Verurteilung des Beklagten zur Leistung im Wege einer reinen Leistungsklage; dies sei aber unzulässig. Soweit das Vorbringen als Untätigkeitsklage zu verstehen sei, fehle es an der Zulässigkeit der Klage jedenfalls seit der Beklagte die begehrten Leistungen versagt habe (Bescheide vom 24.2.2012 und 18.4.2012).

Gegen die Nichtzulassung der Beschwerde im bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und macht Verfahrensfehler geltend.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des Revisionszulassungsgrunds eines Verfahrensmangels.

Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen, und dargelegt werden, dass die Entscheidung des LSG hierauf beruhen kann (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Sofern kein absoluter Revisionsgrund (vgl § 202 Satz 1 SGG, § 547 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫) geltend gemacht wird, bedarf es hierzu unter anderem des Vorbringens, dass und warum das LSG ohne den gerügten Verfahrensmangel zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte gelangen können (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 23, § 160a RdNr 16c).

Soweit der Kläger als absoluten Revisionsgrund geltend macht, das Urteil des LSG sei nicht iS des § 202 iVm § 547 Nr 6 ZPO mit Gründen versehen, genügt sein Vorbringen diesen Anforderungen nicht. Ein Gericht verletzt seine Begründungspflicht nicht schon dann, wenn seine Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen oder zum tatsächlichen Geschehen aus der Sicht eines Dritten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sind (vgl BSG SozR 4-4300 § 223 Nr 1 RdNr 16 mwN). Fehlerhafte Gründe sind dem vollständigen Fehlen von Gründen vielmehr erst dann gleichzusetzen, wenn sie rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass die angeführten Gründe unter keinem Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 26.10.2015 - B 10 ÜG 13/15 B - juris RdNr 13 mwN). Einen solchen Fall stellt der Kläger trotz der von ihm behaupteten Mängel nicht dar. Sein Vortrag, welche Schritte in der Begründung des LSG aus seiner Sicht nicht ausreichend sind, um die Klageabweisung als unzulässig zu rechtfertigen, betrifft lediglich die Richtigkeit der Entscheidung; dies allein kann die Revisionszulassung aber nicht begründen.

Auch soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe gegen § 123 SGG verstoßen, weil es ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen hat, genügt der Vortrag nicht den erforderlichen Darlegungen. Soweit er behauptet, das LSG habe den Streitgegenstand nicht korrekt bestimmt und deshalb seinen Anfechtungsantrag übergangen, werden die konkreten Umstände, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen, nicht hinreichend bezeichnet. Zwar legt er dar, dass er eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben hat, die - insoweit kann sein Vorbringen sinngemäß ausgelegt werden - durch die Trennung durch das SG diesen Charakter nicht verloren haben konnte. Es fehlen indes ausreichende Ausführungen dazu, weshalb die Klage im Übrigen zulässig war bzw im Laufe des Verfahrens zulässig geworden ist. Angesichts der verschiedenen Verfahren, die der Kläger wegen des Anspruchs auf Taschengeld und der Mietkosten auch gegen den Beklagten anhängig gemacht hat, hätte es genauerer Ausführungen dazu bedurft, weshalb im vorliegenden Rechtsstreit sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen vorgelegen haben sollten.

Zudem fehlen jedenfalls ausreichende Ausführungen dazu, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen kann. Zur Begründetheit der Klage hat der Kläger nur dargestellt, hätte das LSG über den Anspruch in der Sache entschieden, hätte das Verfahren auch zu seinen Gunsten ausgehen können. Dies genügt - wie bereits ausgeführt - nicht. Wegen der geltend gemachten Mietkosten hätte zumindest dargelegt werden müssen, welche laufenden Kosten für die Unterkunft während der Haftzeit angefallen waren und ggf noch anfallen und weshalb insoweit Ansprüche auf Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 67 SGB XII (als ersichtlich einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage), die besondere Lebensumstände verbunden mit sozialen Schwierigkeiten voraussetzen (vgl BSG SozR 4-3500 § 67 Nr 1), gegeben sein sollten. Auch wegen eines "Taschengelds" legt er schon keinen Sachverhalt dar, aus dem seine Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung für einen (wie auch immer gearteten) Anspruch auf Sozialhilfe hervorgeht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11619080

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