Verfahrensgang
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12.10.2017; Aktenzeichen L 31 AS 2302/16) |
SG Berlin (Entscheidung vom 18.08.2016; Aktenzeichen S 27 AS 24152/14) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das vorbezeichnete Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. L., B., zu bewilligen, wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG gerichtete Beschwerde der Klägerin ist zurückzuweisen, weil sie zum Teil unzulässig und zum Teil unbegründet ist.
Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - zugelassen werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordern diese Vorschriften, dass der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (vgl nur Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 177 ff mwN). Anderenfalls ist die Beschwerde schon als unzulässig zu verwerfen.
1. Die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht schlüssig dargelegt. Die Darlegung erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht, denn die Klägerin hat schon keine abstrakte Rechtsfrage formuliert, die im vorliegenden Rechtsstreit klärungsbedürftig und klärungsfähig sein könnte. Sie legt lediglich dar, dass der Beklagte bei seinen Kostensenkungsaufforderungen die Angaben des Mietspiegels übernehme, ohne zu beachten, "dass solche Wohnungen de facto einfach nicht zur Verfügung stehen". Diese Behauptung über konkrete Tatsachen erfüllt nicht die Voraussetzungen einer abstrakten Rechtsfrage.
2. Ebenso wenig erfüllt die Beschwerdebegründung die Darlegungsanforderungen für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz). Dazu ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den aufgestellten Kriterien entsprechen sollte, weil nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen vermag. Es ist deshalb aufzuzeigen, dass das LSG dem BSG, dem GmSOGB oder dem BVerfG widersprochen und von deren bezeichneten rechtlichen Aussagen abweichende eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 196 mwN).
Die Klägerin hat lediglich das Urteil des BSG vom 7.11.2006 (B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254) zitiert, ohne einen bestimmten abstrakten Rechtssatz in diesem Urteil zu bezeichnen, dem das LSG in einem ebenfalls genau zu bezeichnenden Rechtssatz widersprochen und eigene, entgegenstehende Maßstäbe entwickelt haben soll. Die Begründung der Klägerin, in der sie darauf verweist, Kostensenkungsmaßnahmen griffen bei ihr schon deshalb nicht durch, weil es sich bei ihr um einen Härtefall handele, zeigt, dass sie sich lediglich gegen die rechtliche Bewertung ihres Falls wendet, was eine Divergenzrüge nicht begründen kann.
3. Die Klägerin rügt in ihrer Beschwerde weiterhin das Vorliegen von Verfahrensmängeln. Solche sind jedoch in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend bezeichnet worden oder sie liegen nicht vor. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann und der in verfahrensrechtlich zulässiger Weise geltend gemacht worden ist.
a) Der von der Klägerin behauptete Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) ist nicht schlüssig dargelegt. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt vor, wenn die Entscheidung auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (sog Überraschungsentscheidung, BVerfG vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190; BVerfG vom 8.2.1994 - 1 BvR 765/89 ua - BVerfGE 89, 381, 392; vgl BSG vom 16.3.2016 - B 9 V 6/15 R - SozR 4-3100 § 60 Nr 7 RdNr 26), oder wenn das LSG seine Pflicht verletzt hat, das Vorbringen der Beteiligten in seine Erwägungen miteinzubeziehen (BVerfG vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216 f). Daraus folgt jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung die endgültige Beweiswürdigung bereits darzulegen.
Die Klägerin hat insofern lediglich geltend gemacht, das Gericht habe ihr keine eindeutigen Hinweise gegeben, welche Unterlagen von ihr hätten eingereicht werden müssen. Der Beschwerdebegründung lässt sich aber weder entnehmen, welche Unterlagen auf einen solchen Hinweis von der Klägerin eingereicht worden wären, noch inwiefern dies Einfluss auf die Entscheidung des LSG hätte haben können, sodass ein Verfahrensmangel nicht aufgezeigt ist. Dasselbe gilt für den Einwand, das SG habe ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden. Insofern ist nicht dargelegt, warum die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht umfassend vortragen konnte und welcher Vortrag ggf vom LSG übergangen worden sein soll, sodass ein möglicher Verfahrensmangel fortwirken könnte (vgl nur Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160 RdNr 50 mwN).
b) Soweit die Klägerin eine Befangenheit des Vorsitzenden Richters durch die Art, wie dieser ihr entgegengetreten sei, rügt, trägt die Klägerin selbst nicht vor, dass sie ein Ablehnungsgesuch (§ 60 SGG iVm § 42 ZPO) gestellt habe, das übergangen worden sei. Vielmehr hat sie nach ihrer Beschwerdebegründung sich erst im Nachgang zur mündlichen Verhandlung schriftlich "bei Gericht" gemeldet. Nach eigenen Angaben wurde ihre Eingabe als Dienstaufsichtsbeschwerde behandelt und beschieden.
c) Die weitere Rüge der Klägerin, das LSG sei bei seinem auf die mündliche Verhandlung vom 12.10.2017 ergangenen Urteil nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (absoluter Revisionsgrund nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO), ist zumindest nicht begründet.
Der von der Klägerin behauptete absolute Revisionsgrund einer fehlerhaften Besetzung des Gerichts dadurch, dass insgesamt bei der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2017 nur vier Richter statt der im Urteil angegebenen fünf Richter anwesend gewesen seien und davon nur eine Richterin und nicht, wie im Urteil aufgelistet, zwei Richterinnen, ist nach dem Protokoll dieser mündlichen Verhandlung nicht gegeben. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2017, das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Begründung seiner Verfahrensrüge übersandt wurde, bestand die Besetzung des Gerichts aus dem Vorsitzenden Richter am LSG B., der Richterin am LSG E. und der Richterin am LSG H. sowie der ehrenamtlichen Richterin S. K. und dem ehrenamtlichen Richter K. W.
Damit war ausweislich des Protokolls die Richterbank ordnungsgemäß besetzt (§ 33 Abs 1 SGG: Besetzung eines Senats mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern). Ein Protokoll beweist, dass die Förmlichkeiten der mündlichen Verhandlung, die nach § 122 SGG iVm § 160 ZPO zu protokollieren sind, wie insbesondere die Namen der Richter, eingehalten wurden. Die Beweiskraft des ordnungsgemäßen, nicht mit Berichtigungsanträgen angegriffenen Protokolls gemäß § 122 SGG iVm § 165 ZPO kann entfallen, wenn es mit sichtbaren äußeren Mängeln iS des § 419 ZPO behaftet ist und das Gericht nach freier Überzeugung entscheidet, dass die Beweiskraft entfallen sei, oder wenn eine wissentlich falsche Beurkundung durch das LSG vorliegt (siehe dazu BSG vom 18.8.2015 - B 9 V 14/15 B - RdNr 8 f).
Dass derartige Gründe, die die Beweiskraft des Protokolls entfallen lassen könnten, vorliegend gegeben sind, wird weder von der Klägerin vorgetragen, noch ist solches den Akten zu entnehmen. Ebenso wenig lässt sich dem Vortrag der Klägerin oder der Verfahrensakte entnehmen, dass die Klägerin wegen etwaiger Unrichtigkeiten auf eine Protokollberichtigung nach § 122 SGG iVm § 164 ZPO durch einen entsprechenden Antrag hingewirkt hat (siehe dazu BSG vom 28.6.2016 - B 14 AS 33/16 B - SozR 4-1500 § 132 Nr 1 RdNr 7).
4. PKH ist der Klägerin nicht zu bewilligen, da ihre Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). Da die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch ihr Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12112358 |