Verfahrensgang

SG Speyer (Entscheidung vom 13.12.2021; Aktenzeichen S 19 KR 603/18)

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.07.2022; Aktenzeichen L 5 KR 45/22)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juli 2022 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Beitragserhebung zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf verschiedene Leistungen der früheren Arbeitgeberin des Klägers und deren Pensionskasse in der Zeit von Juni 2018 bis August 2020.

Der 1957 geborene Kläger erhielt nach dem Ende seines Beschäftigungsverhältnisses ab Juni 2018 Arbeitslosengeld sowie verschiedene monatliche Leistungen von der früheren Arbeitgeberin und deren Pensionskasse aufgrund einer Betriebsvereinbarung von 1984. Teilweise wurden die Zahlungen bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres von der Arbeitgeberin und danach von deren Pensionskasse erbracht. Außerdem wurde von Juni 2018 bis Februar 2020 eine Rentenversicherungs-Ausgleichszulage gewährt. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass die Versorgungsbezüge beitragspflichtig seien und setzte unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fest (Bescheid vom 10.7.2018; Widerspruchsbescheid vom 22.10.2018; Änderungsbescheid vom 31.1.2019). Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 13.12.2021). Die dem Kläger gewährten monatlichen Bezüge würden nicht der Alterssicherung, sondern einem Überbrückungszweck dienen. Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Sämtliche Versorgungsleistungen der früheren Arbeitgeberin seien nicht als solche mit (anfänglicher) Überbrückungsfunktion zu werten. Der Zweck der betrieblichen Altersversorgung sei hier bei typisierender Betrachtung mit dem Versorgungszweck der gesetzlichen Altersrente vergleichbar (Urteil vom 21.7.2022).

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe zu demselben Gegenstand bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 29.9.2021 - B 12 KR 5/21 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5).

Eine Divergenz in diesem Sinne hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Er führt aus, nach den vom SG gewürdigten Entscheidungen des BSG vom 29.7.2015 (B 12 KR 4/14 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 19 und B 12 KR 18/14 R) seien geleistete "Zahlungen i.S.v. Überbrückungsgeldern … keine Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V" und damit nicht der Beitragspflicht zur GKV unterworfen. Das BSG habe seine Rechtsprechung mit Urteil vom 20.7.2017 (B 12 KR 12/15 R - BSGE 124, 20 = SozR 4-2500 § 229 Nr 21) "ausdrücklich gefestigt und festgestellt, dass unbefristete Leistungen, die ein ehemaliger Arbeitgeber an den Arbeitnehmer, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, mit Überbrückungsfunktion zahlt, zunächst keine Versorgungsbezüge" seien. Erst ab dem Zeitpunkt des Renteneintritts, spätestens jedoch ab Erreichen des Regelrentenalters, seien die Leistungen als beitragspflichtige Versorgungsbezüge anzusehen. Dafür sei eine objektive Betrachtungsweise maßgebend.

Unabhängig davon, ob damit ein konkreter Rechtssatz des BSG aufgezeigt worden ist, stellt der Kläger der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht - wie erforderlich - einen davon abweichenden bestimmten Rechtssatz des LSG gegenüber. Er weist lediglich darauf hin, das LSG habe im Ergebnis die Beitragspflicht bejaht, weil es die aufgeführten BSG-Urteile nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt habe und von der ständigen Rechtsprechung abgewichen sei. Damit enthält sein Vorbringen im Kern eine Subsumtionsrüge. Der Kläger macht letztlich geltend, dass das LSG den Sachverhalt (Überbrückungsfunktion) falsch gewürdigt und die Vorgaben des BSG nicht richtig angewandt habe. Die Behauptung einer unrichtigen Rechtsanwendung kann die Zulassung der Revision aber nicht begründen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

2. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger benennt schon keine abstrakte, klärungsbedürftige Rechtsfrage zur Anwendung oder Auslegung einer konkreten Norm oder zu deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (vgl zu diesem Erfordernis zB BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN). Die Bezeichnung einer bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Soweit der Kläger zur Bedeutung des Verfahrens darauf hinweist, dass hinsichtlich der Pflichtbeiträge zur Pflegeversicherung ein Unterwerfungsvergleich geschlossen worden sei und dass vor dem Sozialgericht mehrere gleichgelagerte Fälle anhängig seien, genügt dies allein zur Darlegung des Zulassungsgrundes nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ebenso wenig wie der Hinweis auf die Urteilsbegründung des SG.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Heinz

Padé

Bergner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15615661

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