Verfahrensgang
SG Leipzig (Entscheidung vom 26.11.2020; Aktenzeichen S 12 R 880/17) |
Sächsisches LSG (Entscheidung vom 02.03.2022; Aktenzeichen L 10 R 91/21) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für eine Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens B 9 SB 46/21 B Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Der 9. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat mit Beschluss vom 30.8.2021 (B 9 SB 46/21 B) die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 25.6.2021 mangels Vertretung durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (vgl § 73 Abs 4 SGG) als unzulässig verworfen. Mit Schreiben vom 20.9.2021 hat die Klägerin - wiederholt durch ihren Sohn als Bevollmächtigten - beim 10. Senat Rüge wegen überlanger Dauer des Verfahrens B 9 SB 46/21 B erhoben und eine Entschädigung in Höhe von 12 000 Euro geltend gemacht (B 10 ÜG 4/21 AR). Unter dem 7.10.2021 ist die Klägerin mit Verfügung des dortigen Berichterstatters darauf hingewiesen worden, dass eine Verzögerungsrüge verspätet sei, weil das Verfahren B 9 SB 46/21 B abgeschlossen worden sei. Sofern eine Entschädigungsklage beabsichtigt sei, sei diese vorschusspflichtig. Darüber hinaus sei eine Verzögerung im Verfahren B 9 SB 46/21 B bei Eingang im Juli 2021 und Senatsbeschluss am 30.8.2021 nicht ersichtlich. Mit Schreiben vom 17.10.2021 hat die Klägerin vorgetragen, "Verzögerungsrüge zu Verfahren B 9 SB 46/21 B ist begründet und zulässig ...." Daraufhin ist das Verfahren an den 2. Senat abgegeben worden.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 27.11.2021 und 6.12.2021 inhaltlich zum Vorliegen einer Verzögerung und eines Entschädigungsanspruches vorgetragen.
II
1. Das BSG ist für die Entscheidung über den sinngemäßen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zuständig. In der Hauptsache beabsichtigt die Klägerin die Erhebung einer Entschädigungsklage wegen überlanger Dauer des beim BSG geführten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens B 9 SB 46/21 B. Über eine solche gegen den Bund gerichtete Entschädigungsklage hat das BSG vorliegend erstinstanzlich als funktionell, sachlich und örtlich zuständiges Gericht zu entscheiden (§ 202 Satz 1, 2 SGG iVm § 201 Abs 1 Satz 2 GVG, hierzu BSG Beschluss vom 23.11.2017 - B 10 ÜG 1/17 KL - juris RdNr 2). Entsprechend hat es auch über den für ein solches Hauptsacheverfahren gestellten Antrag auf Bewilligung von PKH zu entscheiden (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 117 Abs 1 Satz 1 ZPO). Intern zuständig ist nach der Geschäftsverteilung (GVP 2021 RdNr 2) für Streitigkeiten aufgrund des Rechtsschutzes bei überlangen Verfahren des 9. oder 10. Senats der 2. Senat. Die von der Klägerin angesprochene Verweisung des PKH-Verfahrens an das Landgericht Düsseldorf kommt deshalb nicht in Betracht (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 3 Satz 2 SGG).
2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für eine beabsichtigte Entschädigungsklage ist abzulehnen. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, denn die beabsichtigte Entschädigungsklage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Weder den oben genannten Schreiben der Klägerin noch dem Inhalt der Akten sind bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Streitstoffs Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die von der Klägerin beabsichtigte Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Verfahrens B 9 SB 46/21 B Erfolg haben könnte.
Gemäß § 198 Abs 3 Satz 1 GVG wird entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs 1 Satz 2 GVG). Nach Abs 2 des § 198 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. § 198 Abs 3 Satz 1 GVG bestimmt, dass ein Verfahrensbeteiligter Entschädigung nur erhält, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge).
Es ist nicht ersichtlich, dass danach ein Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer der vom Bevollmächtigten der Klägerin genannten Verfahren nach § 198 GVG vorliegen könnte.
Vorliegend fehlt es bereits an einer Verzögerungsrüge nach § 198 Abs 3 Satz 1 GVG während des als überlang benannten Verfahrens B 9 SB 46/21 B. Die Rüge mit Schreiben vom 20.9.2021 scheidet als Verzögerungsrüge schon deshalb aus, weil sie erst nach Abschluss des von der Klägerin benannten Verfahrens B 9 SB 46/21 B erhoben worden ist. Denn eine Verzögerungsrüge soll dem bearbeitenden Richter die Möglichkeit zu einer beschleunigten Verfahrensförderung eröffnen und insofern als Vorwarnung dienen (sog Warnfunktion der Verzögerungsrüge), weshalb sie im Übrigen auch bei dem Gericht erhoben werden muss, bei dem das (als unangemessen lang empfundene) Verfahren anhängig ist (vgl BSG Urteil vom 17.12.2020 - B 10 ÜG 1/19 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 20 RdNr 24 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE; BSG Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 5 RdNr 26).
Da der Klägerin keine PKH zusteht, kann sie auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Der Senat weist darauf hin, dass vergleichbare Eingaben der Klägerin in dieser Sache nicht mehr beschieden werden. Macht ein Beteiligter wiederholt mit im Kern gleichen Begründungen Eingaben, bedarf es auf Dauer nicht mehr der Entscheidung hierüber (vgl BSG Beschluss vom 27.2.2017 - B 9 V 2/17 S - juris RdNr 5 mwN).
Fundstellen
Dokument-Index HI15274558 |