Verfahrensgang
SG Augsburg (Entscheidung vom 13.12.2022; Aktenzeichen S 4 R 765/21) |
Bayerisches LSG (Beschluss vom 15.11.2023; Aktenzeichen L 6 R 22/23) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. November 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der 1968 geborene Kläger wendet sich gegen die Aufhebung eines Bescheides über die Gewährung einer Erziehungsrente für die Zeit ab dem 1.9.2018.
Er bezog ab April 2016 eine Erziehungsrente von der Beklagten, nachdem seine geschiedene Ehefrau im März 2016 verstorben war. Bei Antragstellung hatte er mitgeteilt, die am 23.10.1999 geborene gemeinsame Tochter S zu erziehen. Zudem beteilige er sich an der Erziehung seiner am 4.12.2014 geborenen Tochter F, die bei ihrer Mutter M1 wohne. Anlässlich der Vollendung des 18. Lebensjahres der Tochter S teilte der Kläger im Oktober 2017 mit, nicht in häuslicher Gemeinschaft mit der jüngeren Tochter F zu leben und auch das Sorgerecht nicht innezuhaben. Er zahle jedoch Unterhalt und sehe die Tochter täglich mehrere Stunden. Die Beklagte, die die Erziehungsrente zunächst weitergewährt hatte, hob nach Anhörung des Klägers den Rentenbescheid ab dem 1.9.2018 auf(Bescheid vom 29.8.2018; Widerspruchsbescheid vom 15.9.2021) . Sie stützte sich auf§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X .
Das SG hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen, nachdem es den Kläger befragt und Frau M2 als Zeugin vernommen hatte(Urteil vom 13.12.2022) . Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das LSG mit Beschluss vom 15.11.2023 zurückgewiesen. Mit der Volljährigkeit der Tochter S sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, weil der Kläger ab diesem Zeitpunkt keine Erziehungsrente wegen der Erziehung der Tochter S mehr beanspruchen konnte. Ein Rentenanspruch wegen einer Erziehung der Tochter F bestehe nicht, denn insoweit sei keine Erziehungsleistung im rechtlichen Sinne gegeben. Das alleinige Sorgerecht liege bei der Kindesmutter, die mit F in einem Haushalt lebe und zur Feststellung von Kindererziehungszeiten eine alleinige Erziehung geltend gemacht habe. Vor diesem Hintergrund komme es nicht darauf an, welche konkreten Betreuungs- und Erziehungsleistungen der Kläger über seine Unterhaltsleistungen hinaus erbringe.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde eingelegt, die er mit Schriftsätzen vom 19.2.2024 und vom 11.3.2024 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) wird nicht hinreichend dargetan. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss in der Beschwerdebegründung darlegen, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist daher eine Rechtsfrage zu formulieren und deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufzuzeigen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
Dem Schriftsatz vom 19.2.2024 lässt sich die Frage entnehmen,
"ob für§ 47 SGB VI Voraussetzung ist, dass der Berechtigte Inhaber des Sorgerechts nach § 1631 BGB ist und was unter Erziehung eines Kindes zu verstehen ist."
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit eine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung, zur Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit revisibler (Bundes-)Normen mit höherrangigem Recht formuliert, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte(vgl zu dieser Anforderung zB Beschluss vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15;BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5 ; jeweils mwN) . Er legt jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage zur Auslegung des Merkmals "erziehen" in§ 47 Abs 1 Nr 2 SGB VI nicht hinreichend dar.
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist(vgl zB bereitsBSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17) . Ist eine Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich höchstrichterlich entschieden worden, ist sie gleichwohl als geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben(stRspr; vglBSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; aus jüngerer Zeit zBBSG Beschluss vom 20.11.2023 - B 12 KR 41/22 B - juris RdNr 8 ) . Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit ist daher eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen höchstrichterlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 6.11.2023 - B 7 AS 30/23 B - juris RdNr 3 ) . Die Beschwerdebegründung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Der Kläger trägt vor, weder dem Wortlaut noch der Kommentierung der Vorschrift sei zu entnehmen, dass eine Erziehungsrente nach§ 47 SGB VI die Personensorge für das betroffene Kind und eventuell sogar ein räumliches Zusammenleben voraussetze. Diesbezüglich liege erst eine obergerichtliche Entscheidung vor(Hinweis aufOLG Koblenz Beschluss vom 29.6.2022 - 13 UF 178/22 ) und, soweit ersichtlich, keine Entscheidung untergeordneter Gerichte. Mit diesem Vorbringen geht der Kläger nicht auf die Rechtsprechung des angegangenen Revisionsgerichts ein, auf die sich eine anforderungsgerechte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit vorrangig zu beziehen hat(vgl zBBSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34, RdNr 7) . Zwar erwähnt er das auch vom LSG zitierte Urteil des BSG vom 29. 3.1978( 5 RJ 4/77 ), das noch zu § 1265 RVO ergangen ist, einer Vorgängervorschrift zu § 47 SGB VI. Er bringt hierzu jedoch lediglich einzelfallbezogen vor, diese Entscheidung sei nicht einschlägig, weil er ausdrücklich zur Erziehung der Tochter F befugt sei und diese Befugnis auch wahrnehme. Eine nähere Untersuchung der Entscheidung darauf, wie das BSG darin den Begriff "erziehen" auslegt, unterbleibt. Der Kläger geht daher insbesondere nicht auf die Ausführungen des BSG ein, wonach der Begriff im Rentenversicherungsrecht von Anfang an im tatsächlichen Sinne verstanden worden sei und dabei stets eine weite Auslegung erfahren habe, sodass er im Sinne einer faktischen Einwirkungsmöglichkeit zu verstehen sei, die auch bei einer räumlichen Trennung vom Kind vorliegen könne(BSG Urteil vom 29.3.1978 - 5 RJ 4/77 - SozR 2200 § 1265 Nr 32, S 95 f = juris RdNr 19) .
Da die Regelung in§ 47 Abs 1 Nr 2 SGB VI auf§ 46 Abs 2 SGB VI verweist, hätte zudem eine Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nahegelegen, die zum Erziehungsbegriff in§ 46 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI ergangen ist. Das BSG versteht den Erziehungsbegriff auch insoweit im tatsächlichen Sinn(vglBSG Urteil vom 16.5.2001 - B 5 RJ 26/00 R - SozR 3-2600 § 243 Nr 8 RdNr 34) und bezieht sich dabei auf seine Rechtsprechung zu § 1268 RVO als einer Vorgängervorschrift zu § 46 SGB VI. Danach sei zur Auslegung des Erziehungsbegriffs wegen des familienrechtlichen Bezugs auf die Regelungen des BGB zur elterlichen Sorge(§ 1626 Abs 1 BGB ) und zur Personensorge(§ 1631 Abs 1 BGB ) zurückzugreifen(vglBSG Urteil vom 21.9.1983 - 4 RJ 83/82 - SozR 2200 § 1268 Nr 22, juris RdNr 11 f; vgl auchBSG Urteil vom 26.11.1970 - 12 RJ 368/68 - BSGE 32, 117 = SozR Nr 18 zu § 1268 RVO, juris RdNr 14 zu einer Konstellation, in der ein "Erziehen" trotz fortbestehenden Sorgerechts verneint wurde) . Mit diesen Entscheidungen, auf die in der Kommentarliteratur zu § 46 SGB VI hingewiesen wird(vgl zB Bohlken in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl, § 46 SGB VI , Stand 1.4.2021, RdNr 61 ff; Gürtner in BeckOGK, Stand 1.12.2019, SGB VI § 46 RdNr 23 ff) , setzt sich der Kläger nicht auseinander.
Soweit der Kläger seine Erziehungsleistung nicht zutreffend gewürdigt sieht, wendet er sich gegen die inhaltliche Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Hierauf lässt sich eine Revisionszulassung nicht stützen(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 15.12.2023 - B 1 KR 85/22 B - juris RdNr 14 mwN) . Das gilt auch für das Vorbringen im Schriftsatz vom 11.3.2024, der erst nach Ablauf der bis zum 23.2.2024 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist eingegangen ist. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob der Kläger damit noch gehört werden könnte(vgl dazu, dass nach Fristablauf lediglich das bisher Vorgetragene verdeutlicht oder erläutert werden darf, BSG Beschluss vom 13.6.2001 - B 10/14 EG 4/00 B - juris RdNr 13) .
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG und einer entsprechenden Anwendung von§ 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16469085 |