Verfahrensgang

SG München (Entscheidung vom 20.11.2020; Aktenzeichen S 45 VG 51/18)

Bayerisches LSG (Urteil vom 25.09.2023; Aktenzeichen L 15 VG 32/20)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. September 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt M aus D beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz wegen einer zahnärztlichen Behandlung, für die er keine wirksame Einwilligung erteilt habe.

Sein diesbezüglicher Antrag bei dem Beklagten ist abgelehnt worden; Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Voraussetzungen, unter denen eine medizinische Heilbehandlung als vorsätzlicher rechtswidriger Angriff anzusehen sei, lägen nicht vor(Urteil vom 25.9.2023) .

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er macht eine Divergenz und Verfahrensmängel geltend. Zugleich beantragt er Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.

II

1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen.

Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hier ist PKH schon deshalb zu versagen, weil es an einer hinreichenden Erfolgsaussicht der von dem Kläger erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde fehlt(dazu sogleich unter 2.) . Damit entfällt auch ein Anspruch des Klägers auf Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 121 Abs 1 ZPO ) .

2. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder eine Divergenz noch ein Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet worden ist(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) .

Hierfür fehlt es schon an einer ausreichenden Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Dazu hätte es weiterer Ausführungen zum Ablauf des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens, den dort erhobenen Beweisen und insbesondere zu den tatsächlichen Feststellungen des LSG bedurft. Es ist nicht Aufgabe des BSG, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung des LSG selbst herauszusuchen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 28.9.2021 - B 9 SB 12/21 B - juris RdNr 5 mwN) . Auf der Grundlage der bruchstückhaften Angaben des Klägers lässt sich weder für eine Divergenz noch für einen Verfahrensmangel beurteilen, ob sie für die angefochtene Entscheidung von tragender Bedeutung sind.

a) Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus der Berufungsentscheidung und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 8 mwN) . Zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht(stRspr; zBBSG Beschluss vom 20.1.2021 - B 5 R 248/20 B - juris RdNr 9 mwN) . Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht infrage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge). Denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz(stRspr; zBBSG Beschluss vom 6.1.2023 - B 9 V 22/22 B - juris RdNr 6 mwN) .

Der Senat lässt dahinstehen, ob der Kläger mit seiner knappen Behauptung, das LSG habe im Gegensatz zum BSG für die Bejahung eines tätlichen Angriffs eine strafrechtliche Verurteilung des Täters verlangt, in hinreichender Weise abstrakte divergierende Rechtssätze bezeichnet hat. Denn zumindest hat er den erforderlichen Beruhenszusammenhang nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Beschwerdebegründung lässt vielmehr erkennen, dass das angesprochene Kriterium nur einer von mehreren Begründungssträngen des LSG gewesen ist ("auch"). Wird aber ein Urteil auf mehrere Begründungen gestützt, die jede für sich den Urteilsausspruch tragen, muss mit der Beschwerdebegründung für jede dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund formgerecht dargelegt oder bezeichnet werden(vgl stRspr; zBBSG Beschluss vom 6.1.2023 - B 9 V 22/22 B - juris RdNr 12 ;BSG Beschluss vom 28.2.2022 - B 7/14 AS 325/21 B - juris RdNr 5 ;BSG Beschluss vom 2.9.2015 - B 11 AL 34/15 B - juris RdNr 18 ) . Daran fehlt es hier.

b) Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG in zulässiger Weise bezeichnet.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für seine Bezeichnung die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Der Kläger rügt, das LSG sei von falschen Tatsachen ausgegangen und habe es versäumt, den behandelnden Zahnarzt und ggf seine Assistentin als Zeugen zu vernehmen. Es habe ferner ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen müssen. Seine Beweiswürdigung sei willkürlich und verstoße gegen Denkgesetze.

Entgegen der genannten gesetzlichen Anforderungen bezieht sich die Beschwerdebegründung jedoch nicht auf einen - bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG zu Protokoll aufrechterhaltenen - Beweisantrag des bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretenen Klägers, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt wäre(vgl allgemein zu den Darlegungsanforderungen an eine SachaufklärungsrügeBSG Beschluss vom 9.1.2023 - B 9 SB 24/22 B - juris RdNr 5 mwN) Sie lässt ferner außer Acht, dass die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren der Beurteilung des BSG vollständig entzogen ist(stRspr; zBBSG Beschluss vom 22.12.2023 - B 9 SB 26/23 B - juris RdNr 12 mwN) . Das gilt auch für die Behauptung eines Verstoßes gegen Denkgesetze(BSG Beschluss vom 30.3.2023 - B 10 ÜG 2/22 B - juris RdNr 39 mwN) .

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(vgl§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .

4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von§ 193 SGG .

Kaltenstein

Röhl

B. Schmidt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16322314

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