Verfahrensgang
LSG für das Saarland (Urteil vom 12.12.2017; Aktenzeichen L 2 KR 54/16) |
SG für das Saarland (Entscheidung vom 07.06.2016; Aktenzeichen S 15 KR 90/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 12. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger, der seit 1995 an einem neuroendokrinen Tumor (NET) leidet, erhielt als vorstationäre Leistung in den Jahren vor 2015 in der Zentralklinik B. eine Diagnostik mittels Positronen-Emissions-Tomographie mit Computertomographie (Restaging mit Ga-≪Gallium≫ 68 DOTATOC-PET-CT; im Folgenden: PET-CT). Nachdem das Krankenhaus nicht mehr bereit war, diese Leistung ohne Kostenübernahme der Beklagten zu erbringen, ist er mit seinem deswegen gestellten Antrag auf Kostenübernahme für eine weitere PET-CT bei der Beklagten und den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, bei der begehrten Diagnostik handele es sich um eine, beim Kläger ambulant durchführbare neue Untersuchungsmethode, die der Gemeinsame Bundesausschuss in Nr 39 Anlage 2 Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung ausgeschlossen habe. Insoweit liege auch kein Systemversagen vor. Ein Anspruch ergebe sich zudem nicht unter dem Gesichtspunkt des Seltenheitsfalls. NET sei systematisch-wissenschaftlich erforschbar. Ein Anspruch aus § 2 Abs 1a SGB V sei ausgeschlossen, weil noch andere geeignete, zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zählende diagnostische Maßnahmen zur Verfügung stünden (Urteil vom 12.12.2017).
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der abschließend geregelten Revisionszulassungsgründe des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36).
Der Kläger macht mit seinem Vorbringen, das LSG hätte Prof. Dr. H. (Zentralklinik B.) als sachverständigen Zeugen zum Beweisthema hören müssen, dass eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Diagnostik nicht zur Verfügung stehe, sinngemäß eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG geltend. Der Kläger legt keinen Verfahrensmangel in diesem Sinne dar.
Wer eine Verfahrensrüge auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht stützen will, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - Juris RdNr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rspr des BSG die Darlegung, dass ein - wie hier - anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG Beschluss vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 25.4.2006 - B 1 KR 97/05 B - Juris RdNr 6; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Wird ein Rechtsstreit - wie hier - ohne mündliche Verhandlung entschieden, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG (BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4 f). Mit der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, die Aufrechterhaltung dieser Anträge ausdrücklich mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG Beschluss vom 14.7.2017 - B 1 KR 95/16 B - Juris RdNr 7 mwN); eine unsubstantiierte Bezugnahme auf frühere Beweisantritte genügt nicht (vgl zum Ganzen BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; BSG Beschluss vom 16.1.2013 - B 1 KR 25/12 B - Juris RdNr 6). Der Tatsacheninstanz soll dadurch nämlich vor Augen geführt werden, dass der Betroffene die gerichtliche Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; BSG Beschluss vom 10.4.2006 - B 1 KR 47/05 B - Juris RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 1.2.2013 - B 1 KR 111/12 B - RdNr 8).
Der Kläger benennt bereits keinen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag, den er zeitgleich mit - von ihm eigeninitiativ - erteilter Zustimmung zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (Schriftsatz vom 1.12.2017) oder danach aufrechterhalten oder erstmalig gestellt hat. Hierfür ist auch im Übrigen nichts ersichtlich. Der Kläger hat mit seiner Zustimmungserklärung nur im Hinblick auf einen vorausgegangenen Erörterungstermin ausgeführt, er gehe davon aus, dass seine "Situation (…) dem Herrn Vorsitzenden noch gegenwärtig ist".
Soweit dem Vorbringen des Klägers sinngemäß (auch) die Rüge einer Gehörsverletzung in Form der Verletzung seines Fragerechts nach § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 397 ZPO zu den bereits eingeholten Stellungnahmen von Prof. Dr. H. zu entnehmen sein sollte (zu dieser Form der Ausprägung des rechtlichen Gehörs vgl zB BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 2 RdNr 4; BSG Beschluss vom 3.3.1999 - B 9 VJ 1/98 B - SGb 2000, 269; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand August 2017, § 116 Anm 1c), bezeichnet der Kläger keine Umstände, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen. Der Kläger legt schon nicht dar, dass er überhaupt einen entsprechenden Antrag iS von § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 397 ZPO beim LSG gestellt hat. Er verweist lediglich darauf, "Prof. Dr. H. hätte (…) als sachverständiger Zeuge - im Falle des Klägers - gehört werden müssen".
2. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).
Der Kläger formuliert als Fragen,
"ob die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die Behandlungsmethoden trifft, auch auf Untersuchungs- und Diagnosemethoden anzuwenden ist"
und
"ob die Tatsache, dass ein Krankenversicherer, der mit der Gesetzeslage bestens vertraut ist und über einen längeren Zeitraum entsprechende Leistungen erbringt, als 'rechtswidrig' bezeichnet werden kann".
Der erkennende Senat lässt offen, ob der Kläger damit Fragen klar formuliert hat und ob er mit der zweiten Frage überhaupt eine Rechtsfrage gestellt hat. Hinsichtlich der ersten Frage legt der Kläger schon deren Entscheidungserheblichkeit nicht dar. Sinngemäß will der Kläger geklärt wissen, ob Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch Anspruch auf Versorgung mit neuen Untersuchungsmethoden haben, wenn dadurch erst der Weg für therapeutische Maßnahmen eröffnet werden kann, mit denen eine nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verbunden ist (vgl allgemein zu den Voraussetzungen der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts einschließlich des § 2 Abs 1a SGB V BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 1 KR 4/17 R - Juris RdNr 20 ff mwN). Der Kläger zeigt ungeachtet der nunmehr durch den erkennenden Senat geklärten Rechtsfrage (vgl BSG Urteil vom 24.4.2018 - B 1 KR 29/17 R - RdNr 25, für SozR vorgesehen, zugestellt erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist) schon nicht auf, dass es hierauf in einem Revisionsverfahren ankommen könnte, obwohl das LSG festgestellt hat, dass in seinem Fall geeignete, vom GKV-Leistungskatalog umfasste diagnostische Maßnahmen noch zur Verfügung stünden. Der Kläger greift diese Feststellungen auch nicht mit einer zulässigen Verfahrensrüge an (vgl 1.).
Soweit der Kläger mit der zweiten Frage sinngemäß die Rechtsfrage aufwerfen wollte, ob ein Versicherter, der über einen Zeitraum von mehreren Jahren jeweils jährlich eine von der KK finanzierte diagnostische Leistung - hier PET-CT als von der Beklagten vergütete vorstationäre Leistung im Zentralklinikum B. - als Sachleistung erhalten hat, auch dann zukünftig Anspruch auf diese Leistung hat, wenn hierauf nach dem Leistungsrecht des SGB V ansonsten kein Anspruch besteht, legt er die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht dar. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rspr keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist". Der Senat hat mit Urteil vom 20.3.2018 (- B 1 KR 4/17 R - Juris RdNr 26, für SozR vorgesehen) für das SGB V entschieden, dass eine ggf rechtswidrige Leistung keinen Vertrauensschutz auf deren Fortsetzung begründet. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger sich noch nicht mit diesem, erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist veröffentlichten Urteil des erkennenden Senats hat befassen können, wird der Kläger mit seiner Begründung den Darlegungsvoraussetzungen im Übrigen nicht gerecht. Soweit der Kläger lediglich eine "Selbstbindung" der Beklagten behauptet, geht er schon nicht darauf ein, dass nach § 31 SGB I Rechte in den Sozialleistungsbereichen des SGB nur begründet werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt (vgl auch § 37 S 2 SGB I).
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11903117 |