Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 10.01.2022; Aktenzeichen S 10 KR 3575/20) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 26.04.2022; Aktenzeichen L 11 KR 237/22) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. April 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Beachtung einer an einen Rentenberater zur Vertretung im Verwaltungsverfahren erteilten Vollmacht.
Die Beklagte führt die Klägerin seit Jahren als freiwillig Versicherte. Gegen einen Beitragsfestsetzungsbescheid legte sie durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten am 14.7.2020 Widerspruch ein. Die Klägerin begehrte, sie als Pflichtmitglied zu führen, sämtliche Bescheide aus der Vergangenheit im Rahmen des § 44 SGB X zu überprüfen und überzahlte Krankenversicherungsbeiträge zurückzuzahlen. Der Bevollmächtigte legte eine von der Klägerin erteilte Vollmacht "zur Vertretung bis auf Widerruf" vom 15.7.2020 vor. Die Beklagte entsprach dem Begehren der Klägerin teilweise und korrespondierte mit ihrem Bevollmächtigten. Mit Schreiben vom 5.10.2020, das die Beklagte direkt an die Klägerin adressiert hatte, forderte sie die Vorlage von Einkommensnachweisen. Mit einem an den Bevollmächtigten der Klägerin übermittelten Schreiben vom 9.10.2020 erklärte sie, dass die Zusendung des Schreibens vom 5.10.2020 an die Klägerin versehentlich erfolgt sei.
Am 13.10.2020 hat die Klägerin "Unterlassungsklage" zum SG erhoben und begehrt, die Beklagte zu verpflichten, die Vollmacht nicht weiterhin zu missachten. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 10.1.2022). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Klage sei bereits wegen § 56a Satz 1 SGG unzulässig. Zudem fehle es an dem für das formulierte Unterlassungsbegehren erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil keine Wiederholung drohe (Urteil vom 26.4.2022).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die Begründung der Beschwerde vom 30.7.2022 nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert folgende Frage:
"Ist im Zuge des Verwaltungsverfahrens, welches mit der Techniker Krankenkasse geführt wird, § 56 a SGG anwendbar im Falle des gewählten Rechtsbehelfs in der Unterlassungsklage wegen Nichtbeachtung der Vollmacht im Rahmen des § 13 SGB X mit der Folge, dass der Rechtsbehelf unzulässig ist?"
1. Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht erfüllt, weil es an der Formulierung einer abstrakt-generellen Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) fehlt. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
2. Jedenfalls legt die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich beantwortet hat, jedoch bereits Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; aus jüngerer Zeit BSG Beschluss vom 28.10.2020 - B 12 KR 65/20 B - juris RdNr 9 mwN).
Die Klägerin verweist in der Beschwerdebegründung insbesondere auf ihre Begründung in dem Verfahren B 5 R 309/21 B. Entgegen der Auffassung des 5. Senats des BSG gebe es keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Beschwerdebegründung erfüllt damit die oben dargestellten Darlegungsvoraussetzungen nicht. Die Klägerin hat sich nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des BSG zur Anwendbarkeit von § 56a SGG befasst (vgl BSG Beschluss vom 23.2.2022 - B 9 SB 53/21 B - juris; BSG Beschluss vom 4.3.2022 - B 5 R 223/21 B - juris; BSG Beschluss vom 10.3.2022 - B 5 R 309/21 B - juris; aus neuerer Zeit: BSG Beschluss vom 8.2.2023 - B 5 R 213/22 B - juris; BSG Beschluss vom 24.11.2022 - B 5 R 116/22 B - juris; hierzu: Becker, NZS 2023, 78). Weshalb die aufgeworfene Frage gleichwohl klärungsbedürftig sein soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.
3. Unabhängig davon legt die Klägerin auch die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dar. Sie zeigt nicht auf, inwieweit es aufgrund des vom LSG festgestellten Sachverhalts auf die Frage ankommt.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15825266 |