Verfahrensgang
SG Reutlingen (Entscheidung vom 14.03.2018; Aktenzeichen S 1 KR 2256/17) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.04.2019; Aktenzeichen L 11 KR 1457/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. April 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) freiwillig und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versicherte Kläger gegen die Heranziehung zu Beiträgen auf der Grundlage von Mindesteinnahmen.
Der Kläger hatte bis 31.8.2016 Leistungen nach dem SGB II bezogen und war hierüber in der GKV und sPV pflichtversichert. Ab 1.9.2016 führte die Beklagte zu 1. seine Krankenversicherung als freiwillige Krankenversicherung fort. Die Beiträge zur GKV und sPV berechneten die Beklagten auf der Grundlage von Mindesteinnahmen (§ 240 Abs 4 S 1 SGB V, § 57 Abs 4 S 1 SGB XI). Der Kläger wandte sich dagegen mit der Begründung, er habe keine freiwillige Krankenversicherung gewollt und könne mangels Einkommens die Beiträge nicht zahlen. Klage (SG-Urteil vom 14.3.2018) und Berufung (LSG-Urteil vom 9.4.2019) sind ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9). Vorstehendes gilt auch für Beschlüsse des LSG nach § 153 Abs 4 S 1 SGG oder § 158 S 2 SGG(vgl § 153 Abs 4 S 3, § 158 S 3 SGG) .
Die Beschwerdebegründung stützt sich (sinngemäß) auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
1. Der Kläger legt den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar. Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - Juris RdNr 6 mwN). In der Beschwerdebegründung muss eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert werden (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Im Rahmen der Klärungsbedürftigkeit ist in der Beschwerdebegründung darzulegen, inwieweit sich weder aus den gesetzlichen Bestimmungen noch aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben. Auch wenn eine Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich höchstrichterlich entschieden worden ist, so ist sie als geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowie BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6). Wird eine verfassungsrechtliche Frage aufgeworfen, darf sich die Begründung nicht auf die bloße Behauptung der Verletzung einer Norm des GG beschränken. Vielmehr muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG substantiiert ausgeführt werden, woraus sich im konkreten Fall die vermeintliche Verfassungswidrigkeit ergibt. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der infrage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die behauptete Verfassungsverletzung dargelegt werden (vgl BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - Juris RdNr 5 mwN). Schließlich ist im Rahmen der Klärungsfähigkeit darzulegen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist. Dies ist nicht der Fall, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 9g mwN). Dies ist auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen, weshalb sich auch die Darlegungen zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung auf die im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellten Tatsachen beziehen müssen.
Der Kläger führt aus, es gehe um die Frage,
"ob eine Person ohne Einkommen durch die Pflichtversicherungsbeiträge mit einer Beitragsbemessung nach einer Mindestbemessungsgrundlage wirtschaftlich ruiniert werden darf."
Zu klären sei,
"ob es für Personen, wie den Kläger im vorliegenden Fall, die kein Einkommen haben und auch nicht über ein Vermögen in größerer (nennenswerter) Höhe verfügen, eine Ausnahmeregelung oder Härtefallregelung geben müßte."
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge nicht, weil der Kläger keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert.
b) Unabhängig davon legt der Kläger auch nicht die Klärungsbedürftigkeit seiner Fragen dar. Trotz umfangreicher Hinweise des LSG befasst er sich nicht mit der Rechtslage (vgl ua §§ 6 f Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler des GKV-Spitzenverbands zur unverhältnismäßigen Belastung), den systematischen Zusammenhängen (ua Eintritt von Versicherungspflicht bei SGB II-Leistungsbezug) und der bereits ergangenen Rechtsprechung des BSG.
2. Auch einen Verfahrensmangel bezeichnet der Kläger nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 21/07 B - Juris RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
Der Kläger macht geltend, das LSG sei seinem Antrag auf Verlegung eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 1.10.2018 nicht nachgekommen. Unabhängig davon, ob dem Verlegungsantrag zu Unrecht nicht stattgegeben worden war (§ 202 SGG iVm § 227 ZPO), zeigt der Kläger nicht auf, inwieweit der von ihm angenommene Verfahrensmangel entscheidungserheblich wäre. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9.4.2019 war der Kläger persönlich anwesend. Das Sach- und Streitverhältnis wurde mit ihm erörtert. Die Beschwerdebegründung zeigt schließlich auch nicht auf, dass in der Nichtteilnahme eines Vertreters der Beklagten ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel gesehen werden kann (vgl zur Möglichkeit der Entscheidung nach Aktenlage § 153 Abs 1 iVm § 126 SGG).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13500595 |