Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 28.06.2022; Aktenzeichen L 7 BA 26/21)

SG Augsburg (Entscheidung vom 17.02.2021; Aktenzeichen S 2 BA 1/20)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3183,03 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 3183,03 Euro für die von der Beigeladenen zu 1. (im Folgenden: Beigeladene) in bestimmten Zeiträumen zwischen dem 1.1.2014 und dem 31.12.2017 ausgeübte Tätigkeit für die Klägerin sowie um die von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeit der Bescheide vom 4.12.2018 und 11.1.2019, soweit sich die Beklagte darin die jeweils künftige Geltendmachung von Beitragsforderungen vorbehalten hat.

Die Klägerin betreibt mehrere Geschäfte, ua die "Saunawelt A". Sie verpachtete den Bistro- und Saunabetrieb und verpflichtete sich gegenüber der Pächterin, ihr eine Aushilfe zu stellen. Deshalb vereinbarte die Klägerin mit der schon seit Jahren für sie tätigen Beigeladenen einen Stundenlohn für diese Tätigkeit. Die Trinkgelder verblieben bei der Beigeladenen und die Speisekarte sollte mit der Pächterin besprochen werden, die regelmäßig auch die Speisen und Getränke zur Verfügung stelle.

Den nach Abschluss einer Betriebsprüfung erlassenen Bescheid vom 4.12.2018 nahm die Beklagte wegen offensichtlicher Unrichtigkeit zurück. Zum sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen werde noch ermittelt; einen Bescheid hierzu erhalte die Klägerin zu gegebener Zeit (Bescheid vom 11.1.2019).

Nach Anhörung forderte die Beklagte für die Tätigkeit der Beigeladenen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 3183,08 Euro für die Zeiträume 1.1.2014 bis 31.5.2014, 1.10.2014 bis 31.5.2015, 1.10.2015 bis 31.7.2016, 1.9.2016 bis 31.5.2017 und 1.10.2017 bis 31.12.2017 nach. Aufgrund abhängiger Beschäftigung bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (Bescheid vom 3.6.2019; Widerspruchsbescheid vom 12.12.2019).

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 17.2.2021). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der bestandskräftige Bescheid vom 11.1.2019 sei nicht wegen eines Mangels iS von § 40 SGB X nichtig. Daher sei die Nichtigkeitsfeststellungsklage in Bezug auf den rechtswirksam aufgehobenen Bescheid vom 4.12.2018 wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses unzulässig. Der Bescheid der Beklagten vom 3.6.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2019 sei rechtmäßig. Die Beklagte sei aufgrund der Betriebsprüfung für den Erlass dieses Bescheids zuständig gewesen. Ob die Beklagte die Beigeladene und die Versicherungsträger gemäß § 12 Abs 2 SGB X hinzugezogen habe, könne offenbleiben. Denn die Entscheidung hätte unabhängig davon nicht anders ausfallen können, da es sich um eine gebundene Entscheidung handele. Aufgrund des bestandskräftigen Bescheids vom 11.1.2019 habe die Klägerin nicht darauf vertrauen können, dass die Betriebsprüfung ohne Beitragsnachforderungen abgeschlossen werde. Nach einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls stehe zur Überzeugung des Senats ein Überwiegen der für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale fest. Die Beigeladene sei in den Betrieb der Klägerin eingegliedert, das Weisungsrecht zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert gewesen. Die Arbeitszeiten seien durch die Öffnungszeiten vorgegeben gewesen, Betriebsmittel und Räumlichkeiten seien von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden, die Bistrokarte habe die Beigeladene mit der Pächterin abgesprochen und die Umsätze habe sie über die Registrierkasse abzuwickeln gehabt. Einen Gestaltungsspielraum, unternehmerische Risiken oder Gewinnmöglichkeiten habe die Beigeladene nicht gehabt. Sie habe keine Arbeitnehmer beschäftigt und keine Investitionen getätigt. Dem Beweisantrag der Klägerin, die Pächterin als Zeugin zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass hinsichtlich der Tätigkeit der Beigeladenen in der Saunawelt die tatsächlichen Voraussetzungen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit vorlägen, sei nicht stattzugeben gewesen. Er ziele auf eine rechtliche Beurteilung und nicht auf die Klärung einer Tatsachenfrage ab. Berechnungsfehler seien nicht ersichtlich (Urteil vom 28.6.2022).

Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision, soweit das LSG den Gerichtsbescheid des SG "hinsichtlich des Bescheides der Beklagten vom 11.01.2019 und des Bescheides vom 3.6.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2019 bestätigt und die Berufung zurückgewiesen hat".

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht entsprechend § 160a Abs 2 Satz 3 SGG hinreichend bezeichnet.

1. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

a) Die Klägerin rügt, das Urteil des LSG beruhe "entgegen dem insofern gefälschten Protokoll unter Verstoß gegen §§ 193 f GVG nicht auf einer abschließenden und vollständigen, der mündlichen Verhandlung folgenden und dem Urteil vorangehenden Beratung über den Streitgegenstand" und sei "damit verfrüht und nicht unter Teilnahme aller hierzu gesetzlich berufenen Richter ergangen". Der Vorsitzende habe nach Verkündung des Urteils erklärt: "Über die in der heutigen Verhandlung gestellten verfahrensrechtlichen Anträge wird sich der Senat im Rahmen der Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe eine Meinung bilden." Hierzu fügt die Klägerin eine entsprechende eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten bei, der sie in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vertreten hat. Den Antrag auf Berichtigung des Protokolls über die mündliche Verhandlung habe der Vorsitzende Richter abgelehnt (Beschluss vom 25.10.2022).

Die Klägerin führt aus, es sei iS des § 165 ZPO bewiesen, dass sie diese Anträge gestellt, eine Verbescheidung oder Beratung hierüber jedoch nicht stattgefunden habe. Die Beratung gehöre zu den zu beurkundenden Förmlichkeiten. Die Beweiskraft des die Beratung ausweisenden Protokolls sei allerdings durch den Nachweis der Fälschung erschüttert. Könne der Nachweis einer Beratung nicht geführt werden, müsse diese zwingend als nicht durchgeführt angesehen werden.

Damit wird ein Verfahrensfehler nicht hinreichend dargelegt. Nach § 165 ZPO, der gemäß § 202 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, kann die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden (Satz 1); gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig (Satz 2). Nach den Darlegungen der Klägerin enthält das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem LSG den Satz "Nach geheimer Beratung verkündet der Vorsitzende - IM NAMEN DES VOLKES - das Urteil durch Verlesen der folgenden Urteilsformel:…" Damit ist nach § 165 Satz 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG bewiesen, dass das Urteil nach geheimer Beratung des Gerichts ergangen ist. Dass insoweit der Nachweis der Fälschung iS des § 165 Satz 2 iVm § 202 Satz 1 SGG erbracht sei, hat die Klägerin jedoch nicht hinreichend aufgezeigt.

Eine Fälschung des Protokolls liegt nur dann vor, wenn es wissentlich falsch beurkundet oder nachträglich verfälscht wird; der Nachweis eines Irrtums oder einer objektiven Unrichtigkeit genügt dagegen nicht (vgl Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl, § 165 Beweiskraft des Protokolls, Stand 2022, RdNr 18; Jansen in Ory/Weth, jurisPK-ERV, Band 2, 2. Aufl, § 165 ZPO, Stand 1.9.2022, RdNr 12; Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl 2022, § 165 ZPO RdNr 7, jeweils mwN). Hinreichende Anhaltspunkte für eine wissentlich falsche oder nachträglich verfälschte Beurkundung lassen sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Selbst wenn der Vorsitzende nach Verkündung des Urteils den vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin an Eides statt versicherten Satz erklärt haben sollte, ist deshalb noch nicht die Unrichtigkeit des Protokolls dargetan. Dadurch wird weder eine der Urteilsverkündung vorausgegangene Beratung noch die Anwesenheit der am Urteil mitwirkenden Richter an dieser Beratung in Zweifel gezogen.

Über Inhalt und Umfang einer Beratung hat das Protokoll schon zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses (§§ 43, 45 Abs 1 Satz 2 DRiG) keine Aussage zu treffen. Davon unabhängig lässt sich eine rechtswidrige Beschränkung des Beratungsgegenstands allein mit der geltend gemachten Wortwahl des Vorsitzenden nicht widerspruchsfrei aufzeigen. Denn durch die Bindungswirkung des verkündeten (End-)Urteils für das erkennende Gericht (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 318 ZPO) werden weitere Verfahrenshandlungen wie zB eine Beweiserhebung unmöglich. Eine spätere "Meinungsbildung" über gestellte Verfahrensanträge im umfassenden Wortsinn kommt damit gar nicht mehr in Betracht. Nach einer Urteilsverkündung durch den Vorsitzenden abgegebene Erklärungen betreffen regelmäßig den wesentlichen Inhalt der Entscheidungsgründe, der bei Anwesenheit der Beteiligten mitgeteilt werden soll (§ 132 Abs 2 Satz 2 SGG). Diese mündlichen Gründe haben nur den Zweck einer vorläufigen Information. Eine eigenständige Bedeutung ist ihnen neben der schriftlichen Urteilsbegründung nicht beizumessen. Denn nur eine schriftliche Begründung bietet Gewähr dafür, dass das Ergebnis der Beratung richtig wiedergegeben wird (BFH Beschluss vom 13.12.1996 - III B 56/95 - juris RdNr 9). Erst mit der Unterschrift unter dem Urteil wird bekundet, dass die getroffene Entscheidung mit den für die richterliche Überzeugung tatsächlich leitend gewesenen Gründen übereinstimmt. Bei Abweichungen der mündlichen von den schriftlichen Entscheidungsgründen wird daher angenommen, dass sich der Vorsitzende versprochen oder geirrt hat (vgl BSG Beschluss vom 10.4.1961 - 10 RV 715/58 - SozR Nr 159 zu § 162 SGG Da 46). Wegen des Zusammenhangs mit der Urteilsverkündung kann daher - trotz der durchaus missglückten Formulierung - nicht ausgeschlossen werden, dass lediglich die nähere Begründung zu den gestellten Verfahrensanträgen den schriftlichen Urteilsgründen vorbehalten bleiben sollte. Umstände, die darauf schließen ließen, dass die Formulierung des Vorsitzenden allein im von der Klägerin verstandenen Sinn gemeint gewesen sein kann, gehen aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Vielmehr legt die Klägerin selbst dar, dass der Senatsvorsitzende des LSG eine Protokollberichtigung mit Beschluss vom 25.10.2022 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt habe, die Niederschrift sei nicht unrichtig und in der mündlichen Verhandlung hätte gegebenenfalls geklärt werden können, dass der Unterbevollmächtigte den Vorsitzenden offensichtlich nicht richtig verstanden habe.

b) Des Weiteren rügt die Klägerin bezüglich der gegen den Bescheid vom 11.1.2019 erhobenen Nichtigkeitsfeststellungsklage das "Fehlen der vorgeschriebenen Entscheidungsgründe". Sie führt hierzu aus, das Berufungsgericht habe offengelassen, "welchem Teil des von ihm zugrunde gelegten Textes des 'Bescheides vom 11.01.2019' es vorliegend die rechtliche Eigenschaft als an § 40 SGB X zu messende Verwaltungsakt(e) (Regelung≪en≫) zuweisen will". Der Begründung fehle "es damit an der zwingend erforderlichen Benennung einer konkreten Tatsachengrundlage des behaupteten Subsumptionsschlusses der fehlenden Nichtigkeit". Auch hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen die Begründungspflicht (§ 128 Abs 1 Satz 2 iVm § 136 Abs 1 Nr 6 SGG) genügt die Beschwerdebegründung nicht den Zulässigkeitsanforderungen. Nach § 128 Abs 1 Satz 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Aus den Entscheidungsgründen, die das Urteil nach § 136 Abs 1 Nr 6 SGG enthalten soll, muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG Beschluss vom 1.8.1984 - 1 BvR 1387/83 - SozR 1500 § 62 Nr 16; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11). Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat. Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (BSG Beschluss vom 8.4.2020 - B 12 R 24/19 B - juris RdNr 17 mwN). Ein Urteil ist dann nicht mit ausreichenden Entscheidungsgründen versehen, wenn Gründe ganz fehlen, unverständlich oder verworren sind oder zB nur nichtssagende Redensarten enthalten (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 15.3.2018 - B 9 V 91/16 B - SozR 4-1500 § 136 Nr 3 RdNr 10 mwN). Danach ist ein verfahrensfehlerhaftes Begründungsdefizit nicht aufgezeigt worden. Vielmehr ergibt sich aus der von der Klägerin insoweit selbst zitierten Urteilsbegründung, dass das LSG den genannten Bescheid zwar insgesamt geprüft hat, aber keine für eine Nichtigkeit des Bescheids sprechenden Fehler iS von § 40 SGB X feststellen konnte. Unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt es ausgehend von der Rechtsansicht des LSG entscheidungserheblich sein könnte, "welchem Teil" des Bescheids das LSG "die rechtliche Eigenschaft als … Verwaltungsakt …zuweisen will", hat die Klägerin im Übrigen auch nicht dargelegt.

c) Soweit die Klägerin in Bezug auf die Nichtigkeitsfeststellungsklage zudem einen Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) rügt, fehlt es ebenfalls an hinreichenden Darlegungen. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Prozessgericht nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden. Es hat (lediglich) die Darlegungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216). Solche Umstände sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Die Klägerin legt im Kern lediglich ihre von der Rechtsauffassung des LSG abweichende Ansicht dar, dass "die Selbstermächtigung der Beklagten zum Erlass künftiger Verwaltungsakte im Bescheid vom 11.01.2019 offensichtlich jeder Rechtsgrundlage entbehrte und sich diese hierdurch in einem offensichtlichen Widerspruch zum geltenden Recht befand".

d) Soweit die Klägerin die unterbliebene Befragung des kontoführenden Rentenversicherungsträgers zu seiner Beiladung rügt, ist ein Verfahrensfehler, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen könnte, ebenfalls nicht hinreichend aufgezeigt worden. Die Möglichkeit des Beruhens der Entscheidung des LSG auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler ist nicht allein mit dem Vorbringen dargelegt, es sei nicht auszuschließen, dass es im Falle der Beiladung des kontoführenden Rentenversicherungsträgers zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Substantiierte Darlegungen, aus denen sich ergeben könnte, dass eine ordnungsgemäße Beiladung des kontoführenden Rentenversicherungsträgers das Urteil zugunsten der Klägerin konkret hätte beeinflussen können, enthält die Beschwerdebegründung nicht (vgl BSG Beschluss vom 17.12.2020 - B 12 R 23/20 B - juris RdNr 11; BVerwG Beschluss vom 22.4.2020 - 10 B 18/19 - juris RdNr 19). Nur bei absoluten Revisionsgründen wird unwiderlegbar vermutet, dass die Entscheidung auf der Gesetzesverletzung beruht (BSG Beschluss vom 3.7.2020 - B 8 SO 4/20 B - juris RdNr 5 mwN). In der Beschwerdebegründung wird aber nicht dargelegt, dass hier die Annahme eines absoluten Revisionsgrunds geboten sei (vgl hierzu BSG Urteil vom 18.1.1990 - 4 RA 4/89 - BSGE 66, 144 = SozR 3-5795 § 6 Nr 1, juris RdNr 14 ff). Die Beiladung bezweckt insbesondere, die Rechtskraft einer Entscheidung auf den Beizuladenden zu erstrecken. Weshalb trotz dieses Zwecks bei einem - wie hier - die Klage abweisenden Urteil die Notwendigkeit der Beiladung eines anderen Rentenversicherungsträgers neben der Beklagten bestehen soll, zeigt die Beschwerde nicht auf.

e) Auch in Bezug auf den Bescheid vom 3.6.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2019 wird die gerügte mangelnde Begründung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung nicht hinreichend aufgezeigt. Die Klägerin ist der Auffassung, es handele sich um widersprüchliche Sachverhaltsfeststellungen, wenn das LSG einerseits ausführt, die Beigeladene sei in den Betrieb der Klägerin eingegliedert, andererseits aber ein eigener Saunabetrieb der Klägerin ausscheide, weil dieser verpachtet sei. Die Annahme der Eingliederung der Beigeladenen in den Betrieb der Klägerin ist allerdings keine Sachverhaltsfeststellung, sondern das Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung. Insoweit beanstandet die Klägerin im Kern die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich falsch, vermag aber nicht eine unzureichende Begründung darzulegen, die nach den oben beschriebenen Grundsätzen einen Verfahrensfehler begründen könnte, und kann im sozialgerichtlichen Verfahren auch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18). Entsprechendes gilt für die Rüge, dem Subsumptionsschluss des LSG fehle es an den erforderlichen Tatsachenfeststellungen. Insoweit wird aber auch nicht dargelegt, welche Verfahrensvorschrift konkret verletzt worden sein soll.

f) Einen Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) legt die Klägerin auch insoweit nicht hinreichend dar, als sie rügt, das LSG habe zentrale Angriffs- und Verteidigungsmittel übergangen sowie den methodischen Umgang mit einem Typusbegriff schon im Ausgang verkannt und es bestehe zumindest die gute Möglichkeit, dass die angegriffene Entscheidung bei einer Gesamtwertung aller rechtlich maßgeblichen Einzelfallumstände unter Berücksichtigung ihres Vorbringens zu ihren Gunsten anders ausgefallen wäre. Wie bereits ausgeführt worden ist, liegt ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör erst dann vor, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, die Darlegungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Solche Umstände sind nicht schon allein mit dem Hinweis aufgezeigt, das LSG sei auf einzelne Gesichtspunkte nicht ausdrücklich eingegangen.

g) Schließlich legt die Klägerin einen Verfahrensmangel auch mit ihren Ausführungen zur "Nichtberücksichtigung eines Beweisantrages" nicht hinreichend dar. Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann eine Beschwerde nur gestützt werden, wenn sich der geltend gemachte Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Dass mit dem Antrag, die Pächterin "zum Beweis der Tatsache als Zeugin zu vernehmen, dass hinsichtlich der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) in der Saunawelt die tatsächlichen Voraussetzungen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit vorliegen", ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag gestellt worden wäre, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f), ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Darüber hinaus ist "ohne hinreichende Begründung" nicht formell, sondern materiell im Sinne von "ohne hinreichenden Grund" zu verstehen (BSG Beschluss vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr 5 S 6). Da sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9), ist darzulegen, inwiefern nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offengeblieben sind, damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind (BSG Beschluss vom 28.9.2015 - B 9 SB 41/15 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 19.6.2008 - B 2 U 76/08 B - mwN). Auch daran fehlt es hier. Den Darlegungsanforderungen ist nicht durch den Hinweis genügt, dass der Beweisantrag "die Gesamtheit rechtlich maßgeblicher Umstände" betreffe. Beweisermittlungsanträge sind grundsätzlich unzulässig; Ermittlungen "ins Blaue hinein" können auch bezüglich der Tatsachengrundlage einer Beschäftigung nicht erwartet werden (vgl zB BSG Beschluss vom 8.2.2012 - B 5 RS 76/11 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 1.9.2022 - B 12 KR 7/22 BH - juris RdNr 15).

2. Auch der Zulassungsgrund der Divergenz ist nicht hinreichend dargetan. Er setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Die Klägerin rügt eine Divergenz zu einer Entscheidung des BSG vom 25.10.1988 (12 RK 21/87 - BSGE 64, 145 = SozR 2100 § 5 Nr 3) und zitiert hieraus Ausführungen zu § 12 Abs 2 Satz 2 SGB X. Dem stellt sie Aussagen des LSG gegenüber, ohne aufzuzeigen, dass das Berufungsgericht einen tragenden Rechtssatz des BSG in Abrede gestellt hätte. Auch fehlen Darlegungen dazu, dass die Klägerin durch möglicherweise divergierende rechtliche Aussagen zur ordnungsgemäßen Hinzuziehung von Dritten in eigenen Rechten verletzt sein könnte und die angefochtene Entscheidung möglicherweise zugunsten der Klägerin anders hätte ausfallen können, wenn das LSG keine abweichende rechtliche Aussage getroffen hätte.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO.

5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG und folgt der Festsetzung des LSG.

Heinz

Bergner

Waßer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16180429

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