Verfahrensgang
SG Nordhausen (Entscheidung vom 07.05.2019; Aktenzeichen S 2 KR 2139/18) |
Thüringer LSG (Urteil vom 02.06.2022; Aktenzeichen L 2 KR 860/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 2. Juni 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Beitragspflicht von Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung in der Auffangpflichtversicherung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in der Zeit vom 1.6. bis zum 31.12.2018.
Der 1977 geborene Kläger ist seit 2011 nach Ende seines Soldatenverhältnisses auf Zeit in der Auffangpflichtversicherung bei der beklagten Krankenkasse versichert. Er bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland, Versorgung wegen einer Wehrdienstbeschädigung, erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und erhält seit 2006 eine Rente aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung. Letztere berücksichtigte die Beklagte bei der Berechnung der Beiträge des Klägers zunächst nicht (Beiträge ab 1.1.2018: 35,80 Euro monatlich; Bescheid vom 19.12.2017).
Die Mitteilung des Klägers über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 425 Euro jährlich nahm die Beklagte zum Anlass, die Beitragsfestsetzung zu ändern und ab Juni 2018 auch die bislang außer Acht gelassene private Berufsunfähigkeitsrente zu berücksichtigen (monatlicher Beitrag ab 1.6.2018: 172,24 Euro; Bescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung vom 4.5.2018, 15.6.2018, 8.10.2018, Widerspruchsbescheid vom 5.12.2018, endgültiger Bescheid vom 1.10.2019).
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.5.2019). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 1.10.2019 abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe die Beitragsänderung für die Zukunft rechtmäßig auf § 45 Abs 1 SGB X gestützt. Der Kläger sei gemäß § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V versichert und habe deshalb nach § 227 SGB V wie ein freiwillig Versicherter Beiträge zu zahlen. Eine Auslegung zugunsten wehrdienstbeschädigter ehemaliger Soldaten erlaube der eindeutige Wortlaut der Vorschrift nicht. Die Beitragsbemessung freiwillig Versicherter erfolgte auf der Grundlage ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Leistungsfähigkeit des Klägers werde auch durch die Zahlungen aus der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung bestimmt, sodass deren Außerachtlassung im Bescheid vom 19.12.2017 rechtswidrig gewesen sei. Die Beklagte habe auch mit Wirkung für die Zukunft die Beitragsbemessung ändern dürfen, denn das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung rechtswidriger ihn begünstigender Beitragsbescheide sei in Abwägung mit dem öffentlichen Interesse nicht schutzwürdig. Die Beklagte habe ermessensfehlerfrei entschieden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer verfassungsrechtlichen Frage gilt, dass sich die Begründung nicht auf eine bloße Berufung auf Normen des GG beschränken darf, sondern unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG ausführen muss, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden (BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN).
Der Kläger wirft folgende Fragen auf:
"1. Sind frühere Soldaten, welche im Dienst eine Wehr- und Erwerbsunfähigkeit erlitten haben und deshalb in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren, bei der Festsetzung der Höhe ihrer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zur Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes und der besonderen staatlichen Verpflichtung zur Fürsorge für dessen Soldaten, wie gesetzlich pflichtversicherte Arbeitnehmer bzw. Rentner zu behandeln, mit der Folge, dass nur deren gesetzliches Renteneinkommen als Grundlage zur Festsetzung von deren Krankenversicherungsbeiträgen, nicht aber auch deren sonstiges Einkommen aus Versicherungen oder Kapitalerträgen zugrunde zu legen ist?
2. Sind bei früheren Soldaten, welche im Dienst eine Wehr- und Erwerbsunfähigkeit erlitten haben und deshalb in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren, bei der Festsetzung der Höhe ihrer Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, neben dem Einkommen aus der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente sämtliche Einkünfte zu verbeitragen oder gebietet es der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Fürsorgeprinzip des Staates, dass zur Verbeitragung bei erwerbsunfähig gewordenen Soldaten nur deren Einkünfte aus der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente herangezogen bzw. die Regelungen der §§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, 227; 240 Abs. 1 SGB V und § 3 Abs. 1 BVSzGs entsprechend teleologisch reduziert werden.
3. Genießt ein früherer Soldat der aufgrund eines im Dienst erlittenen Impfschadens dauerhaft dienst- und erwerbsunfähig wurde und in die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zurückkehrte in Bezug auf dessen Nichtanrechnung seiner Einkünfte aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung dauerhaft Vertrauensschutz auch für die Zukunft, wenn die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung die Leistungen der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung über mindestens 7 Jahre nicht als Einkommen angerechnet wurde, sodass diese Einkünfte auch für die Zukunft nicht zu verbeitragen sind?"
Der Kläger legt die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen nicht hinreichend dar. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es ua dann, wenn sich die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und daher praktisch außer Zweifel steht (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 11; BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 29.6.2021 - B 12 KR 8/21 B - juris RdNr 8). Ob das der Fall ist, bestimmt sich nach dem Gesetzeswortlaut, der Rechtssystematik sowie den Gesetzesmaterialien. Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).
Soweit der Kläger mit seiner ersten Frage eine Entscheidung darüber anstrebt, ob die Gruppe der Soldaten unter den gemäß § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V Auffangpflichtversicherten bei der Beitragsbemessung anders als andere Personen dieser Gruppe wie ein Beschäftigter (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V) oder Rentner (§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V) behandelt werden muss, legt er nicht hinreichend dar, inwiefern sich diese Frage nicht aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes beantworten lassen soll. Das hätte aber schon deshalb nahegelegen, weil das LSG darauf hingewiesen hat, dass der Wortlaut des § 227 SGB V eindeutig die Auffangpflichtversicherten bei der Beitragsbemessung den freiwillig Versicherten gleichstelle und insofern kein Auslegungsspielraum verbleibe. Es fehlt zudem an einer Auseinandersetzung mit der Gesetzessystematik des SGB V, dass nicht nur Auffangpflichtversicherte beitragsrechtlich, sondern auch aus der Versicherungspflicht der GKV ohne anderweitigen Krankenversicherungsschutz ausscheidende Personen - selbst im Fall einer zuvor ausgeübten Beschäftigung - schon statusrechtlich den freiwillig Versicherten zuordnet (§ 188 Abs 4 SGB V). Auch eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen einer Krankenversicherung als Rentner oder Rentenantragsteller (sog 9/10tel Belegung, § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V), die auch zuvor versicherungspflichtig Beschäftigte erfüllen müssen, lässt der klägerische Vortrag vermissen.
Soweit der Kläger das Fehlen einer Ausnahme für ehemalige Soldaten in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler beanstandet, hätte er die Ermächtigung des Spitzenverbands Bund der Krankenkasse hierzu aufzeigen müssen, der nach dem Auftrag des Gesetzgebers in § 227 iVm § 240 SGB V die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen hat. Hinsichtlich der mit den beiden ersten Fragen in Zweifel gezogenen Vereinbarkeit der Beitragsbemessung bei nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V versicherten ehemaligen Soldaten mit dem "Fürsorgeprinzip" des Staates erschöpft sich das Vorbringen des Klägers in einem Vergleich mit erwerbsunfähigen Arbeitnehmern und dem Hinweis auf das besondere Opfer, das er als Soldat für die Bundesrepublik Deutschland erbracht habe. Er macht allerdings nicht hinreichend deutlich, warum sich die Frage nach dem Ausgleich eines Sonderopfers und der staatlichen Fürsorgepflicht gerade in Bezug auf die GKV und die von diesem Sozialversicherungszweig betroffene Solidargemeinschaft (nur) der GKV-Versicherten stellen soll.
Soweit der Kläger vorträgt, er sei wie ein Beamter zu behandeln, für den der Staat eine besondere Schutzfunktion habe, wird die Klärungsbedürftigkeit der Fragen, ob Beiträge wie bei Beschäftigten (Frage 1) oder nur auf die gesetzliche Rente (Frage 2) festzusetzen sind, ebenfalls nicht aufgezeigt. Er setzt sich weder mit der Zugehörigkeit von Beamten zur GKV trotz deren Versicherungsfreiheit (§ 6 Abs 1 Nr 2 SGB V) noch damit auseinander, ob deren zu zahlenden (in der Regel freiwillige) Beiträge anders bemessen werden (vgl zur Beitragsbemessung bei Beamten BSG Urteil vom 26.6.1996 - 12 RK 12/94 - BSGE 79, 1 = SozR 3-2500 § 248 Nr 4; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 13.12.2002 - 1 BvR 1660/96 - SozR 3-2500 § 248 Nr 6; BVerfG Beschluss vom 15.3.2000 - 1 BvL 16/96 ua - BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42). Auch auf die Rechtsprechung des BSG zur Beitragsbemessung bei Auffangpflichtversicherten und freiwillig Versicherten (BSG Urteil vom 19.12.2012 - B 12 KR 20/11 R - BSGE 113, 1 = SozR 4-2500 § 240 Nr 17) sowie deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (BSG Urteil vom 18.12.2013 - B 12 KR 15/11 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 21; BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 18.1.2018 - B 12 KR 22/16 R - BSGE 125, 113 = SozR 4-2500 § 240 Nr 34, RdNr 15 f BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 12 KR 8/14 R - BSGE 119, 257 = SozR 4-2500 § 240 Nr 27 mwN) geht der Kläger nicht ein.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der dritten Frage nach dem Vertrauensschutz im Hinblick auf eine über sieben Jahre hinweg unterbliebene Berücksichtigung der Berufsunfähigkeitsrente bei der Beitragsbemessung hätte sich der Kläger zumindest mit der vom LSG herangezogenen Norm des § 45 SGB X und der Rechtsprechung des BSG hierzu auseinandersetzen müssen. Sein Vortrag beschränkt sich hingegen auch insoweit darauf, seinen Status als ehemaliger Soldat hervorzuheben, ohne auf die Rechtslage einzugehen.
Soweit die vom Kläger aufgeworfenen Fragen das Recht der sozialen Pflegeversicherung betreffen, ist im Übrigen auch die Klärungsfähigkeit nicht dargetan. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit im Berufungsverfahren übereinstimmend auf die Beiträge zur GKV beschränkt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15641120 |