Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.11.2017; Aktenzeichen L 7 R 2270/16) |
SG Reutlingen (Entscheidung vom 03.05.2016; Aktenzeichen S 10 R 716/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. November 2017 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Gewährung einer Regelaltersrente zum 1.9.2013. Deren Feststellung hatte der beigeladene Sozialhilfeträger nach § 95 SGB XII veranlasst. Die Anfechtungsklage gegen den Rentenbescheid hat das SG abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 16.11.2017 zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er rügt die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits sowie Verfahrensmängel (Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 SGG).
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
1. Der Kläger macht zunächst die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr, zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst Senatsbeschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - Juris RdNr 12).
Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutend,
"ob der Sozialhilfeträger, welcher Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII zu Unrecht gewährt hat gem. § 95 SGB XII einen wirksamen Rentenantrag für den Kläger stellen kann
und
ob ein Sozialhilfeträger, wenn er der Erstattung der gewährten Grundsicherungsleistungen durch den vermeintlich Leistungsberechtigten zustimmt, noch ein Feststellungsrecht aus § 95 SGB XII hat".
Damit werden die Anforderungen an eine Grundsatzrüge verfehlt. Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit der gewählten Formulierung eine oder zwei abstrakt-generelle Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen hat (zu diesem Erfordernis vgl zB BSG Beschluss vom 13.4.2015 - B 12 KR 109/13 B - Juris RdNr 23 mwN). Denn jedenfalls hat es der Kläger versäumt, die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der von ihm formulierten Fragen darzulegen.
Hierzu hätte er im Hinblick auf die Klärungsbedürftigkeit zunächst ausführen müssen, dass sich die Frage nicht bereits auf Grundlage der vom LSG zitierten Rechtsprechung des BSG beantworten lässt, wonach § 91a BSHG (heute § 95 SGB XII) gerade darauf abzielt, dem Träger der Sozialhilfe die Möglichkeit zu geben, anstelle des Hilfesuchenden die Feststellung von Sozialleistungen zu betreiben (zB BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 13 RJ 37/98 R - SozR 3-5910 § 91a Nr 7, Juris RdNr 23 mwN). Denn auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8, Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2, Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - Juris RdNr 19). Allein die Behauptung, die formulierte Frage sei durch das BSG noch nicht entschieden, genügt nicht, um die Klärungsbedürftigkeit zu begründen.
Jedenfalls aber hat der Kläger die Klärungsfähigkeit der von ihm formulierten Fragen in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt. Hierzu hätte er im Einzelnen angeben müssen, welche im Hinblick auf die formulierten Fragen relevanten Tatsachen das LSG festgestellt hat und dass diese Feststellungen ausreichen, um das BSG in die Lage zu versetzen, im Rahmen der angestrebten Revision über diese Fragen abschließend zu entscheiden. Denn an der Klärungsfähigkeit fehlt es, wenn das LSG die Tatsachen, die eine Entscheidung über eine Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren erst ermöglichen, nicht festgestellt hat (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 9f). Insofern hätte der Kläger vor allem ausführen müssen, welche im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung (§ 163 SGG) festgestellten Tatsachen entgegen der Auffassung des LSG eine zu Unrecht erfolgte Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII durch die Beigeladene bzw deren Einverständnis mit der Erstattung der dem Kläger erbrachten Leistungen begründen könnten. Solche Tatsachenfeststellungen werden in der Beschwerdebegründung nicht mitgeteilt.
2. Darüber hinaus rügt der Kläger, das LSG-Urteil beruhe auf Verfahrensmängeln (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), weil das LSG trotz außergerichtlicher Vergleichsgespräche zwischen dem Kläger und der Beklagten den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht aufgehoben habe. Wegen seiner (des Klägers) psychischen Labilität, welche dem LSG bekannt gewesen sei, hätte das Gericht in Erfüllung seiner Sachaufklärungspflicht ihm ausreichend rechtliches Gehör gewähren und den Abschluss der außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen abwarten müssen.
Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - Juris RdNr 4; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG, Juris RdNr 30). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - Juris RdNr 23). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Auch diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers vom 19.2.2018 nicht.
Es fehlt bereits an der Benennung einer konkreten Norm des Prozessrechts, gegen die das LSG nach Ansicht des Klägers verstoßen hätte. Soweit der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht - also des § 103 SGG - durch das LSG rügt, benennt er entgegen § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG keinen Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt wäre. Auch eine Gehörsverletzung (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) wird nicht anforderungsgerecht bezeichnet. Wird - wie hier - eine Verletzung des Anspruchs eines Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör geltend gemacht, so muss auch dargetan werden, dass der Beteiligte seinerseits alles getan hat, um sich selbst rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - Juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 7.10.2016 - B 9 V 28/16 B - Juris RdNr 6). An Ausführungen hierzu mangelt es jedoch. Insbesondere wird nicht vorgetragen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG eine Vertagung beantragt hätte.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12496873 |