Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 06.07.2017; Aktenzeichen L 5 KR 110/16)

SG Speyer (Entscheidung vom 13.03.2016; Aktenzeichen S 13 KR 575/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, sie mit einer Ausleitungstherapie durch Infusion der Arzneimittel EDTA (Ethylendiamintetraacetat) und Dimaval (Wirkstoff: DMPS - Dimercaptopropansulfonsäure) wegen einer Schwermetallbelastung zu versorgen und die hierfür in der Vergangenheit aufgewendeten mehr als 12 658,24 Euro zu erstatten, bei der Beklagten und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung - unter teilweiser Bezugnahme auf die SG-Entscheidung - ausgeführt, das Arzneimittel EDTA sei überhaupt nicht und das Arzneimittel Dimaval zur Behandlung chronischer Vergiftungen mit Quecksilber und Blei nur in der Darreichungsform als Hartkapseln zugelassen, als Injektionslösung hingegen nur zur Behandlung akuter Vergiftungen mit Quecksilber und Blei. Es lägen weder eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) noch ein Seltenheitsfall vor. Ein Leistungsanspruch bestehe auch nicht als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, da eine zusätzliche Prüfung nach § 135 Abs 1 SGB V in der Regel entbehrlich sei, wenn die Überprüfung des Arzneimittels - wie hier - im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgt sei; die Form der Verabreichung biete im Regelfall keinen Anlass, auf § 135 Abs 1 SGB V statt auf die arzneimittelrechtliche Zulassung abzustellen (Hinweis auf das Urteil des Senats vom 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R - BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 = Juris RdNr 21 mwN). Auch die Voraussetzungen des § 2 Abs 1a SGB V seien nicht erfüllt (Urteil vom 6.7.2017).

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG - hierzu 1.) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG - hierzu 2.). Die übrigen Rügen betreffen nicht die in § 160 Abs 2 SGG abschließend geregelten Zulassungsgründe (hierzu 3.).

1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Daran fehlt es.

a) Die Klägerin rügt, sie habe keine Möglichkeit gehabt, ihren Fall dem Gericht persönlich darzustellen, da sie sich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem LSG in stationärer Behandlung befunden habe. Das LSG habe die mündliche Verhandlung trotz ihres Vertagungsantrags durchgeführt. Dieses Vorbringen entspricht nicht den dargelegten gesetzlichen Voraussetzungen. Zwar bedarf es grundsätzlich keines weiteren Vortrags zum "Beruhen" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl zB BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 1 KR 90/12 B - Juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 21.6.2011 - B 1 KR 144/10 B - Juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 17.2.2010 - B 1 KR 112/09 B - Juris RdNr 5 mwN). Ist der Beteiligte jedoch - wie hier - in der mündlichen Verhandlung durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten, muss er aufzeigen, dass und weshalb seine persönliche Anwesenheit im Termin zur mündlichen Verhandlung - zusätzlich zu der seines Prozessbevollmächtigten - unerlässlich gewesen ist und dass er die Gründe hierfür dem Berufungsgericht substantiiert dargelegt hat (vgl BSG Beschluss vom 5.3.2004 - B 9 SB 40/03 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 15.5.1991 - 6 BKa 69/90 - Juris RdNr 2; BVerwG Urteil vom 30.8.1982 - 9 C 1/81 - Juris RdNr 11 f; BFH Beschluss vom 7.12.1990 - III B 102/90 - BFHE 163, 115 = Juris RdNr 28). Daran fehlt es. Die Klägerin legt schon nicht dar, warum die persönliche Darstellung ihres Falls unerlässlich gewesen sein soll. Soweit sie zudem eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs in einem vermeintlichen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze sieht, legt sie nicht dar, wieso sie sich nicht im Berufungsverfahren dazu hätte äußern können, obwohl das LSG sich im Wesentlichen auf die Begründung des SG-Urteils gestützt hat.

b) Die Klägerin rügt, das LSG sei mehreren mit Schreiben vom 23.3.2017 gestellten Beweisanträgen nicht gefolgt. Auch dieses Vorbringen genügt nicht den dargestellten gesetzlichen Voraussetzungen. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - Juris RdNr 3 mwN; BSG Beschluss vom 14.10.2016 - B 1 KR 59/16 B - Juris RdNr 5). Hierzu gehört die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter im Verfahren formelle Beweisanträge gestellt hat, die er vor der abschließenden Entscheidung des LSG bei den Schlussanträgen zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl zB BSG Beschluss vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 25.10.2017 - B 1 KR 18/17 B - Juris RdNr 7). Ist ein Prozessbeteiligter rechtskundig vertreten, gilt sein schriftsätzlich während des Verfahrens gestellter Beweisantrag nur dann als bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten, wenn er als solcher zur Niederschrift der mündlichen Verhandlung wiederholt oder im Urteil des LSG erwähnt wird (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Daran fehlt es. Die Klägerin benennt bereits keinen Beweisantrag, den sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bei den Schlussanträgen aufrechterhalten hätte. Außerdem legt sie die Rechtsauffassung des LSG nicht dar, aufgrund der die genannten Beweiserhebungen erforderlich sein sollen.

2. Die Klägerin bezeichnet den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechenden Weise. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in dem herangezogenen höchstrichterlichen Urteil andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). Der Beschwerdeführer hat dies schlüssig darzulegen (vgl zB BSG Beschluss vom 26.9.2017 - B 14 AS 177/17 B - Juris RdNr 1). Daran fehlt es. Die Klägerin bezeichnet nicht schlüssig einen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung des LSG, der höchstrichterlicher Rspr widerspricht. Sie führt lediglich aus, das LSG gehe davon aus, die Anwendung einer Behandlungsmethode habe die Sperrwirkung des § 135 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V zur Folge. Grundsätzlich sei eine zusätzliche Prüfung nach § 135 Abs 1 SGB V in der Regel entbehrlich, die Form der Verabreichung biete im Regelfall keinen Anlass, auf § 135 SGB V statt auf die arzneimittelrechtliche Zulassung abzustellen. Sie stellt dem den abstrakten Rechtssatz aus dem herangezogenen höchstrichterlichen Urteil gegenüber (BSG Urteil des Senats vom 13.12.2016 - B 1 KR 1/16 R - Juris, für BSGE 122, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 28 vorgesehen), "eine neue Behandlungsmethode iSd § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V" könne "durchaus einen Anspruch auf Behandlung begründen". Sie legt aber nicht dar, inwieweit dies mit einem vom LSG aufgestellten abstrakten Rechtssatz unvereinbar sein soll. Dies ist auch aus sich heraus nicht ersichtlich.

3. Soweit die Klägerin weiter vorträgt, das LSG habe die Grundsätze der Anspruchsgewährung gemäß § 2 Abs 1a SGB V verkannt und gegen Denkgesetze und damit das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verstoßen, indem es eine wirksame Therapie verweigert habe, bezieht sie sich nicht auf einen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend normierten Zulassungsgründe, sondern rügt die fehlerhafte Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall. Dies kann indes nicht zur Zulassung der Revision führen, denn die Revision dient nicht - wie schon die enumerative Aufzählung der Zulassungsgründe in § 160 Abs 2 SGG zeigt - einer allgemeinen Überprüfung des Rechtsstreits in der Sache (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26).

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11576479

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