Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Urteil vom 05.11.1998) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. November 1998 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 5. November 1998 hat das Sächsische Landessozialgericht (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im wesentlichen mit folgender Begründung verneint: Dem – hirngeschädigten – Kläger seien noch vollschichtig leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten im Stehen, Gehen oder Sitzen möglich, bei welchen er im Falle eines Anfalles nicht gefährdet werde. Er dürfe aber keine Arbeiten verrichten, die auf Leitern oder Gerüsten auszuüben seien oder bei welchen er durch Arbeit an laufenden Maschinen gefährdet wäre. Wegen der bei ihm vorliegenden Intelligenzminderung solle es sich nicht um anspruchsvolle Arbeiten handeln oder um Arbeiten, die eine längere Umschulung oder Einarbeitung erforderten. Mit diesen Leistungseinschränkungen könne er seinen bisherigen Beruf als Hausmeister nicht mehr ausüben. Dieser Beruf sei dem unteren Bereich der Anlerntätigkeiten zuzuordnen. Der Kläger sei damit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Dort könne er insbesondere noch Sortier- oder Montierarbeiten in der gewerblichen Industrie oder Tätigkeiten als Bürobote ausüben. Er sei somit nicht berufs- und erst recht nicht erwerbsunfähig.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er macht grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Abweichung des Berufungsurteils von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn einer der drei abschließend in § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Zulassungsgründe vorliegt. Das ist nur dann der Fall, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Das ist hier nicht in der gebotenen Weise geschehen.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muß daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, daß diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und daß das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muß ein Beschwerdeführer mithin folgendes aufzeigen: (1.) eine konkrete Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine sog Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nrn 7, 11, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger mißt folgenden Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung bei:
- „Stellen längerfristige wiederholte Krankschreibungen von drei Monaten oder mehr grundsätzlich zu beachtende arbeitsmarktunübliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit dar, die dazu führt, daß gegenüber Versicherten, die noch vollschichtig leistungsfähig sind und auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden können, eine Verweisungstätigkeit konkret benannt werden muß?”
- „Soweit dies der Fall ist, stellt dann diese Einschränkung einen neuerlichen zusätzlichen Katalogfall im Sinne der entsprechenden Rechtsprechung des BSG dar?”
- „Führt eine Leistungsbeurteilung, daß lediglich einfache körperliche Tätigkeit ohne Wechselschicht und ohne schwere körperliche Belastung sowie ohne Arbeiten in der Höhe und an ungeschützten Maschinen zu einer derartigen schwerwiegenden Leistungsbeeinträchtigung, daß dem Kläger, soweit er auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist, die Verweisungstätigkeit konkret benannt werden muß?”
Damit mag er konkrete Rechtsfragen hinreichend klar formuliert haben. Indes genügt sein Vorbringen nicht der Darlegungspflicht zur Klärungsbedürftigkeit.
Zur Klärungsbedürftigkeit hätte der Kläger unter Auswertung der Rechtsprechung vortragen müssen, daß zu den bezeichneten Rechtsfragen noch keine höchstrichterliche Entscheidungen gefällt oder die aufgeworfenen Rechtsfragen durch schon vorliegende Urteile abstrakt noch nicht abschließend beantwortet worden seien (BSG SozR 1500 § 160a Nr 65; BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 6). Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist eine eingehende Auseinandersetzung mit der vorhandenen Rechtsprechung erforderlich. Der Kläger hat sich in seiner Beschwerdebegründung indes nicht des näheren mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Frage der Notwendigkeit der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit, des Vorliegens eines Katalogfalles und einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung auseinandergesetzt (vgl dazu zB BSGE 81, 15 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23; BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17; vgl auch BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136). Vielmehr gibt er nur den Inhalt einiger Entscheidungen hierzu wieder und trägt vor, die von ihm aufgeworfene Fragen seien von der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Dagegen ist von ihm nicht dargetan worden, warum diese Fragen nicht anhand der schon vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden können. Bei der Frage, ob wiederholte Arbeitsunfähigkeit eine konkrete Benennung verlangt, handelt es sich im übrigen um eine Tatfrage im Einzelfall (vgl so bereits BSG, Beschluß vom 13. November 1987 – 5b RJ 290/86 –).
Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob der Kläger hinreichende Ausführungen zur Klärungsfähigkeit und zur sog Breitenwirkung der aufgeworfenen Fragen gemacht hat.
Der Kläger rügt darüber hinaus, das LSG sei sowohl hinsichtlich der Eingruppierung in den unteren Bereich der Gruppe der angelernter Arbeiter wie auch hinsichtlich der Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ohne konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit und auch hinsichtlich der Nichtberücksichtigung der tatsächlich bestehenden Leistungseinschränkungen von vorhandenen Entscheidungen des BSG abgewichen.
Zur formgerechten Rüge eines Zulassungsgrundes der Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, zumindest so zu bezeichnen, daß sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Ferner ist deutlich zu machen, worin eine Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muß darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muß einen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, daß die Divergenz erkennbar wird. Es reicht hingegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, daß die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhe (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29). Diese Begründungserfordernisse hat der Kläger nicht erfüllt.
Zwar mag der Kläger unter Heranziehung von Entscheidungen des BSG (Urteil vom 28. Februar 1963 – 11 RJ 24/58 –; BGSE 56, 64, 68 = SozR 2200 § 1246 Nr 110; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136; Urteil vom 13. Mai 1986 – 4a RJ 19/85 –; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 27) abstrakte Rechtssätze des BSG benannt haben, er hat es jedoch unterlassen, aus den Entscheidungsgründen des LSG ebenfalls abstrakte Rechtssätze herauszuarbeiten, die der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegenstehen. Nicht um die Darlegung eines Rechtssatzes des LSG handelt es sich insbesondere, soweit der Kläger vorträgt, das LSG habe bei seiner Beurteilung entgegen der Rechtsprechung des BSG auf die allgemeine Einordnung eines Hauswartes und nicht auf den speziellen Einzelfall abgestellt. Vielmehr rügt der Kläger damit nur eine nicht ausreichende Beweiswürdigung des Einzelfalles. Eine solche Rüge ist nach § 160a iVm § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ausgeschlossen.
Soweit der Kläger die Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das LSG rügt und durch seine eigene ersetzt sehen möchte, hat er keinen Revisionszulassungsgrund dargetan. Denn Gegenstand einer zulässigen Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht sein, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1, 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen